Rezension von Eileen Weinreich
Inhalt:
Die FBI – Unterhändlerin Alex Morse ist von Schicksalsschlägen gebeutelt: Erst stirbt ihr Vater, dann erkrankt ihre Mutter an Krebs und schließlich stirbt ihre Schwester urplötzlich. Auf dem Sterbebett liegend vertraut Alex’ Schwester ihr an, dass ihr Mann sie umgebracht habe und dass Alex ihren kleinen Sohn umgehend wegbringen soll. Natürlich geht Alex der Sache nach und das, worauf sie während ihrer Recherche stößt, ist so unglaublich wie perfide. Sie findet heraus, dass es einen Scheidungsanwalt gibt, der die ungeliebten Ehepartner elegant beiseite schafft, um die hinterbliebenen Gatten davor zu bewahren, Unsummen an Abfindung zahlen zu müssen. Fast alle bisherigen Opfer sind an plötzlich aufgetretenem Blutkrebs verstorben.
Alex Morse findet schnell heraus, wer das nächste Opfer sein soll: der Arzt Dr. Chris Shepard. Die Frau sieht ihre Chance gekommen, alles aufzudecken und dabei ein Menschenleben zu retten. Problem ist nur, dass Chris ihr lange Zeit nicht glaubt, denn seine Ehe mit der schönen Thora scheint tadellos und glücklich. Warum also sollte sie sich scheiden lassen wollen, geschweige denn ihren Mann umbringen lassen? Darüber hinaus hält Chris die Theorie des Mordes durch vorsätzliche Infizierung mit Krebs für hanebüchen. Alex gibt jedoch nicht auf und bald muss auch Chris einsehen, dass seine Frau ein perverses Spiel mit ihm treibt.
Kritik:
Wie man es von Greg Iles gewohnt ist, beginnt seine Geschichte ohne große Umschweife. Der Leser wird sofort mit dem dramatischen Szenario der sterbenden Schwester der Protagonistin konfrontiert. Dabei streut Iles geschickt und fast kaum bewusst merklich bereits einige Aspekte ein, die einem mehr über die agierenden Figuren verraten. Er versetzt den Leser immer mal wieder zurück in die Vergangenheit, um damit die Gegenwart zu untermauern und seine Figuren einzuführen. Dieses Stilmittel schafft bereits auf den ersten Seiten eine sehr dichte Atmosphäre, sodass man sich direkt in die Geschichte hineingezogen fühlt. Greg Iles schafft es dabei außerdem noch, die Geschehnisse mit scheinbar unwichtigen Details auszuschmücken, ohne die Spannung zu zerstören. Eher im Gegenteil. Das Szenario wird lebendig, vorstellbar und unglaublich plastisch. Diese Schiene fährt der Autor konsequent bis zum Ende durch. Jede neu auftretende Figur wird auf besondere Weise eingeführt, die weit entfernt davon ist, dem Standard zu entsprechen. Interessant ist dabei auch, dass die Antagonisten von Anfang an bekannt sind und aus der auktorialen Erzählweise immer wieder beobachtet werden. Sicher mag dieser Stil nicht für jeden geeignet sein, erst recht wohl nicht für diejenigen Thrillerfans, die einen rasanten Spannungsbogen und viel Blut bevorzugen. Iles legt deutlich mehr Wert auf Authentizität und Vorstellbarkeit, was ihm durchaus sehr gut gelingt. Man möchte „Leises Gift“ nicht eher weglegen, bevor man nicht weiß, wie sich alles auflöst.
Weiterhin zugute gehalten werden muss Iles, dass er über ein offenbar fundiertes und gut recherchiertes Knowhow in Sachen Medizin bzw. Onkologie verfügt. Dieses wird dem Leser aber nicht in unverständlicher Weise hingeworfen, sondern geschickt und für den Laien verständlich dargelegt, sodass man in der Lage ist, ziemlich genau nachzuvollziehen, wie es eigentlich möglich ist, einen Menschen vorsätzlich mit Krebs zu infizieren. Die medizinischen Fachausdrücke werden dabei auf ein notwendiges Minimum begrenzt, sodass man sich als Leser keineswegs erschlagen fühlt.
Auch Iles’ reiner Schreibstil kann wieder einmal überzeugen. Er ist leicht verständlich und flüssig, sodass man den Roman trotz der kleinen Schrift schnell weglesen kann. Iles verwendet keine komplizierten oder verschachtelten Satzstrukturen, was die Verständlichkeit absolut gewährleistet und den Lesefluss vorantreibt. Interessant ist wohl auch Iles’ nettes Maß zwischen sprachlichen Obszönitäten und absoluter Sachlichkeit.
Fazit:
Leises Gift ist sicher ein Roman, der sich nicht unbedingt für jeden Thrillerfan eignet, da sich der Spannungsbogen hier ganz anders entwickelt als es in anderen Thrillern namhafter Autoren der Fall ist. Der Autor schafft eine sehr dichte Atmosphäre und eine eher subtile Spannung, die sich zudem auch noch an der Authentizität der Figuren orientiert und nicht nur auf die übliche Effekthascherei aus ist. Der Roman ist also absolut lesenswert und bietet eine gute und intelligente Alternative zu all dem anderen Mainstream im Thrillergenre.