Licht aus! von Richard Laymon
Rezension von Torsten Scheib
Rezension:
Snuff-Filme – urbane Legende oder doch real? Eine Frage, die seit Dekaden gestellt wird und bis heute nicht wirklich wasserdicht hat beantwortet werden können. Doch selbst wenn die filmische Aufzeichnung eines Mordes zur Unterhaltung tatsächlich nur ein Gerücht ist, wie lange mag es noch dauern, bis daraus eine traurige Tatsache wird? Stumpfen gewisse Teile unserer modernen Gesellschaft nicht immer mehr ab? Wird die nächste Stufe nach Happy Slapping das Happy Killing sein?
Keine Sorge, diese Rezension wird kein Exkurs in Sachen moderner medialer Gewaltdarstellungen werden, ebenso wenig eine tiefschürfende psychologische Auseinandersetzung. Was aber unumstößlich behauptet werden darf, ist der Fakt, dass der Terminus ausreicht, um Künstler aller Couleur stets aufs neueste zu inspirieren. Die Liste derer, die sich in ihren Elaboraten bereits mit Snuff-Movies auseinandergesetzt haben, ist jedenfalls sehr lang und beinhaltet einige höchst prominente Zeitgenossen, beispielsweise David Cronenberg, Alejandro Amenábar, Joel Schumacher, Donna Leon, Peter James, Brett Easton Ellis … und auch Richard Laymon.
Zimperlich war letztgenannter Kult-Autor zu Lebzeiten ja niemals gewesen und die Vorstellung von realen Snuff-Filmen … Wasser auf die Mühlen für seine einzigartig-krank-geniale Fantasie. Wenngleich … doch dazu in Kürze mehr.
Das hiesige Lichtspielhaus namens »Spukpalast« ist D-E-R Treffpunkt für alle jene, die ihre Filme etwas grusliger und blutiger mögen. Als ganz besonderes Schmankerl gibt es zudem zwischen den gezeigten Filmen stets kleine, sehr spezielle Kurzfilme, die allesamt Teil der ominösen »Schreck«-Serie sind. Damit ist keineswegs das niedliche Disney-Monster gemeint. Vielmehr bezieht sich der Name auf den Protagonisten Otto Schreck, der in jedem der genannten Kurzfilme alles in der Macht stehende versucht, seinen zumeist weiblichen Opfern einen möglichst qualvollen und grausamen Tod zukommen zu lassen. Bemerkenswert brutal, bemerkenswert realistisch. Womöglich ZU realistisch. Findet zumindest Brit, nachdem sie zusammen mit ihrem Freund Pete einer weiteren Vorstellung beigewohnt hat. Mehr noch: das tote Mädchen … sieht es nur wie ihre Freundin Tina aus oder steckt mehr dahinter? Ein furchtbares, unaussprechliches Geheimnis? Neugierig und besorgt gleichermaßen sucht Brit umgehend Tinas Domizil auf, das sie sich einer Studentin teilt. Was Brit nicht ahnen kann: besagtes Mädchen kennt die schreckliche Wahrheit; fungiert als »Rattenfängerin« für ihren Arbeitgeber Otto Schreck, der prompt die Jagd auf die noch ahnungslose Brit eröffnet hat …
Parallel schlittert die gutmütige, taube Schriftstellerin Connie in ein anders gelagertes Dilemma – ihr Freund Dal betrügt sie! Regelmäßig vergnügt er sich hinter ihrem Rücken mit der gleichermaßen verführerischen wie durchgeknallten Elizabeth, die ihrerseits kein Problem damit hat, dass ihr an den Rollstuhl gefesselter Ehemann beim Liebesspiel hilflos zugucken darf. Mehr noch – es turnt sie förmlich an. Und trotz aller anfänglichen Schwierigkeiten, sich an diese außergewöhnlichen Begleitumstände zu gewöhnen, verfängt sich der ein bisschen tumb anmutende Dal endgültig im Netz dieser etwas anderen Schwarzen Witwe; die kein Problem damit hat, ihren Liebhaber wie Lehm zu formen und zu manipulieren, bis Dal schließlich auch einem Mord zustimmt. Das Opfer: Pete, Connies neuer Freund. Ein Konkurrent, dessen Beseitigung den Weg frei machen würde auf Connies beträchtliches Vermögen – sofern sie Dal verzeihen kann und mit ihm den Bund der Ehe eingeht …
Zwei völlig unterschiedliche Handlungsstränge, die nicht nur auf den ersten Blick herzlich wenig gemein haben, ehe sie Altmeister Laymon in gewohnter Manier meisterhaft zusammenlaufen lässt. Leider ist dieser Aspekt denn auch einer ganz wenigen Highlights von Licht aus! Obwohl Laymons Einstieg hart, schnell und blutig ausfällt und das Gaspedal überwiegend durchgetreten bleibt, verzettelt er sich in den beiden Erzählebenen, die schlicht zu lange brauchen, um ihre Wirkung zu entfalten beziehungsweise mitunter einfach zu verwirrend und anstrengend anmuten. Da versagen auch die garstigen und stellenweise mit einer wirklich kranken Phantasie gesegneten Schreck-Einstreuer Marke Dr. Phibes und Hershell Gordon Lewis (der Regisseur war ganz eindeutig ein großes Vorbild für Laymon gewesen), die mitunter durchaus für große Augen und feuchte Handflächen sorgen. Stets mit dem typischen Anteil von rabenschwarzem Humor, versteht sich. In diesen Passagen läuft Laymon zu bewährter Form auf; gibt es reichlich Guts'n'Gore und Exploitation, bis der Arzt kommt. Jedoch nicht ausreichend, um Licht aus! eine solide Stütze zu bieten. So sehr man Laymons Experimentierlust hervorheben muss, so sehr entpuppt sie sich leider auch als fatale Stolperfalle. Hätte sich Laymon auf EINE Storyline konzentriert oder beide Stränge komprimiert, so hätte dies dem Roman sicherlich sehr, sehr gut getan. Und gerade ein solch hochexplosives Topoi wie der Snuff-Film! Was hätte der Altmeister der gnadenlosen B-Movie-Romane aus dieser Thematik rausholen können! Hätte. So aber verwässert Laymon sein eigenes Gericht, welches mit den richtigen Gewürzen vorzüglich hätte munden können.
Fazit:
Richard Laymon und Snuff-Movies – eigentlich eine gerade zu himmlische Kombination. Doch leider stolpert der Autor diesmal über seine eigenen Füße beziehungsweise Vorsätze, indem er einfach »noch mehr« aus einer Story herauskitzeln möchte und sie um eine weitere Erzählebene erweitert. So aber bleibt ein bisweilen anstrengendes, mitunter sogar leicht konfuses Werk, welches es in stringenter Ausführung sicherlich mit einem Kracher Marke In den finsteren Wäldern spielerisch hätte aufnehmen können. Somit bleibt unterm Strich, trotz diverser kreativer Laymon-Garstigkeiten, ein bestenfalls durchschnittlicher Horror-Thriller.
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