Lichtbringer herausgegeben von Daniela Höhne und Torsten Low
Anthologie
Rezension von Ralf Steinberg
Verlagsinfo:
Ein Schwert wie ein Sonnenstrahl. Leuchtend, ätherisch, rein. Und immer dar.
Lichtbringer suchten viele; unvergessen werden sie sein, eingemeißelt in die unerschöpflichen Stelen der Geschichtenerzähler.
Saïd, der seine Beute verschleiert und voller Stolz jagt. Die Priesterin, die über sich selbst hinauswächst. Cuinn, der von den Göttern gesegnete Barde. Ein Magierschüler, der nach dem Unerreichbaren verlangt. Liala, die aus ihrem sicheren Leben ausbricht.
Sie alle haben eines gemeinsam: Den Traum, das heiligste aller Schwerter zu finden.
Ein Schwert, eine Legende, eine Fantasy-Welt.
In Worte gefasst von 14 Autoren, erzählt in 18 Geschichten:
Rezension:
Das Internetforum Verlorene Werke schreibt schon seit einiger Zeit an der Fantasy-Welt rund um das legendäre Schwert Lichtbringer. In Zusammenarbeit mit Torsten Low veranstaltete man dort einen Storywettbewerb, dessen Ergebnis nun in Form dieser Anthologie vorliegt. Viele der Autoren sind Newcomer, es gibt mit Tom Cohel oder auch Erik Schreiber jedoch auch alte Bekannte aus der deutschen Phantastik-Szene.
Fantasy-Anthologien bergen weitaus mehr Gefahr in sich, langweilig oder gar eintönig zu wirken, da viele Autoren dem Mittelalter als Hintergrundambiente nur wenige Nuancen abzugewinnen vermögen und daher oft ein und dieselbe Geschichte erzählen. Mit der Lichtbringer-Legende nun aber scheinen die Autoren fast zur Tragödie gezwungen worden zu sein, denn das Scheitern der Suche stellte die größte Bedingung im Wettbewerb dar. Insofern mussten die Autoren oft Wege beschreiten, die man normalerweise in der Fantasy nur sehr selten findet.
Nach einem kurzen Vorwort von Heide S. Göttner und einer Einführung in den Hintergrund von Herausgeberin Daniela Höhne beginnt der bunte Geschichtenreigen mit zwei Stories von Andre Skokow.
In Kinderseele trifft die junge Aisha, die zu einem Lichtbringer-Kult gehört, auf Marek, der sich ganz der Suche nach diesem Schwert verschrieben hat und selbst durch die Liebe zu Aisha nicht davon abzubringen ist. Das triebhafte der Suche , das in Zerstörung und Leid, aber auch neuem Leben gipfelt, ist Thema dieser Geschichte, die gleich zu Beginn der Anthologie, die Messlatte sehr hoch legt.
Ebenfalls um die männliche Gier nach Macht, dem Wettkampf bis zum tragischen Ende, da der Sieg einer Niederlage gleicht, geht es in der zweiten Geschichte von Andre Skokow: Götterkinder.
Von der Beobachtung einer primitiven Kreatur begleitet, streiten zwei Krieger, Brüder in verfeindeten Armeen am Rande einer Schlacht um das vermeintlich nahe Schwert Lichtbringer. Dramatisch und in seiner Betrachtung gebrochen, gelingt es Skokow, sowohl den Dreck das Kampfes lebendig werden zu lassen, als auch die Legende in der Legende entstehen zu lassen.
Mareike Schwirske ist mit drei Geschichten in der Anthologie vertreten. In der ersten, Kampf der Auserwählten erkennt ein fanatischer Sucher des Schwertes, was es wirklich bedeuteten würde, das Schwert zu erringen. Während das Ende sehr stimmungsvoll den inneren Reifeprozess darstellt, fehlt es der Geschichte insgesamt etwas an Substanz. Zu plötzlich wird der Leser ins Geschehen geworfen, ohne dass er mit der Auseinandersetzung wirklich warm werden kann.
In ihrer zweiten Geschichte Das Lied des Barden beschreibt sie hingegen die Macht der Legende, die durch das Lied eines Barden in die gläubigen Herzen dringt und neue Suchende hervorbringt. Eher eine Episode als eine wirkliche Geschichte.
Tom Cohel erzählt in Der Sklavenprediger die Geschichte eines Sklaven, der die Legende von Lichtbringer nutzt, um das Elend seines Sklavenlebens durch Hoffnung auf Erlösung zu mildern. Als er gezwungen wird, seinen Visionen zu folgen um somit seinem neuen Herrn das Schwert zu verschaffen, wird er durch ein Wunder gerettet. Solide und stimmungsvolle Geschichte, die in sich rund aber nicht außergewöhnlich ist.
Bruderliebe von Christina Feicke widmet sich dem tragischen Geschick zweier Brüder, die durch den Krieg getrennt wurden und erst durch den Tod zueinander und zu einer gemeinsamen Mission finden. Eher Standardkost, bleiben Figuren und Hintergrund blass und bewegen sich in altbekannten Fantasy-Pfaden.
Feuer, Eis und Wind von Kolja Neubauer bewegt sich ebenfalls in den bekannten Sujets. Wirtshaus, Duell, schöne Maid und der Ruf der Legende. Zwar poetisch garniert, aber ebenfalls ohne Überraschung.
Auch Das Tal der Toten von Marco Ansing erzählt eine sattsam bekannte Geschichte. Der betrügerische Lehrling scheitert und sein Führer ist der lachende Dritte. Vorhersehbar und durch die Verwendung von typischen Fantasybausteinen enttäuschend.
Wieder etwas philosophischer geht es in Rabenberg von Tobias Peterka zu. Die Suche nach Lichtbringer stellt sich nicht nur als sinnlos heraus, sie bündelt auch ganz unterschiedliche Motive und Mythen. das Scheitern ist stets auch ein Zeichen der fragwürdigen Ziele. Gelungene Mischung aus Action, Hintergrund und Reflexion.
Peter Bathge nutzt die Suche nach Lichtbringer für einen dramatischen Vater-Sohn-Konflikt, der im Duell bei Nacht eskaliert. Ungewöhnlich durch das Finale, insgesamt aber etwas zu dünn.
An Indiana Jones erinnert Der Weg der Amahk von Felix Woitkowski. eine großartige Story, in der sowohl die Figurengestaltung als auch die erzählte Geschichte rundweg gelungen ist. Lesenswert und ein Höhepunkt der Anthologie.
In ihrer zweiten Geschichte für die Anthologie Kinderträume untersucht Christina Feicke welche Bedeutung die Hoffnung auf ein besseres Leben für die Armen und Gepeinigten hat. Anhand einer kindlichen Vision verbindet sie Glauben und Kraft mit der Legende um Lichtbringer. Zwar zerbricht die Geschichte an der Intention, aber die Art und Weise, wie die Autorin sich mit der kindlichen Seele auseinandersetzt, kann überzeugen.
Für die Bewertung von Moira Franks Freiheit muss man das Alter der Autorin berücksichtigen, ansonsten versteht man die naive Heilandsgeschichte zu wenig als Ausdruck einer tiefen Freiheitsliebe. Solide erzählt, mit einem Gespür für Details erkennt man den Drang der Autorin nach umfangreicheren Stoff.
Markus Drevermann gelingt es in Ein neuer Weg eine an sich typische Rollenspielszene entgegen der Leseerwartung umzufunktionieren. Dadurch entsteht ein Perspektivenwechsel, der zwar nicht zu einer größeren Erzählung ausgebaut wird, jedoch dem Lichtbringer-Stoff eine interessante Facette hinzufügt.
Aus den Geschichten der Anthologie sticht Erik Schreibers Kurzgeschichte Valias Berufung heraus. Sie ist mit Abstand die härteste und auch detaillierteste Story. Schreiber setzt dabei weniger auf die mystische Kraft des legendären Schwertes, sondern lässt seine Hauptfigur Valia die Kraft in sich selbst finden. Dabei bleibt sie von Anfang an Herrin ihres Schicksals und benötigt eigentlich überhaupt keine göttliche Hilfe.
Mit Der Auserwählte von Martin Gruszcyk geht es zurück ins Gasthaus. Ein professioneller Hochstapler versucht erneut sein Glück und muss sich dabei auch seinen inneren Dämonen stellen. Zwar gut geschrieben und auch spannend in Szene gesetzt, leider jedoch zu nah am gängigen Fantasy-Standard.
Die lyrische Geschichte im Zeichen des Wandels von Jasmin Engel widmet sich der Selbstfindung eines jungen Mädchens in etwas fernerer Zukunft. Die mittelalterliche Welt ist Geschichte und der Ruf Lichtbringers bewirkt etwas gänzlich anderes, als früher. So liest sich die kurze Geschichte auch eher als Jugendstory denn als Fantasy.
Die letzte Geschichte des Bandes stammt wieder von Mareike Schwirske und liefert eine Art historischer Rückblick auf die Hochzeit des Lichtbringer-Kultes. Atmosphärisch, aber im eigentlichen Sinn ohne eine Geschichte zu erzählen. Allerdings schließt sie die Anthologie durchaus stimmig ab.
Als Anhang finden sich Kurzbiografien der Jury, die der Autoren stehen jeweils nach ihrer ersten Geschichte. Dadurch lassen sich die einzelnen Beiträge, aber auch die Auswahl selbst besser einordnen.
Fazit:
Die Idee einer erfolglosen Suche als Grundlage einer Themen-Anthologie muss man loben. Die Autoren entledigten sich ihrer Aufgabe zum Teil recht unterschiedlich. Zwar finden sich auch die typischen Orte und Figuren des Genres wieder, aber immer dann, wenn das Heroisierende und der Zwang zum Happy End ignoriert wird, steigert sich die Anthologie und produziert durchaus Herausragendes.
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