Lilienblut von Ascan von Bargen
Rezension von Bine Endruteit
Wir befinden uns im Paris des Jahres 1894. Der Arzt Joaquin Ferrier wird an das Krankenbett einer jungen Frau bestellt. Er ist für die Familie die einzige noch verbleibende Hoffnung. Im Zimmer angekommen, ist er schockiert: Das Fenster ist verschlossen, ein schlechter Geruch füllt das Zimmer und der Vater des Mädchens sitzt zusammengesunken neben dem Bett. Die Kranke ist komplett unter einem weißen Laken verborgen, so als sei sie bereits verstorben. Als der Arzt, entsetzt über diese Behandlung, das Tuch entfernt, wird ihm aber sofort klar, warum man sie so versteckt hat. Ihr Anblick ist grauenhaft, denn alles Leben scheint bereits aus ihr gewichen zu sein; sie sieht aus wie eine Mumie. Die Haut ist eingefallen und faltig. Ferrier ist klar, dass er nichts mehr für sie tun kann, will ihr aber trotzdem etwas Wasser einflößen. Dabei klammert die Kranke sich plötzlich, in einem letzten Aufbäumen von ungeahnter Kraft, an seinen Hals und droht, ihn fast zu erwürgen. Als sie kurz darauf stirbt, ist das Letzte, was sie von sich gibt, der Name „Margot“.
Ferrier steht vor einem Rätsel. Weder auf die seltsame Krankheit noch auf den von der Sterbenden genannten Namen kann er sich einen Reim machen. Darum will er auf jeden Fall eine Obduktion des Leichnams vornehmen. Doch für kurze Zeit treten seine Sorgen in den Hintergrund, weil er eine seltsame Einladung erhält. Er soll sich bei einer Feierlichkeit der Comtesse de Louvaine einfinden. Diese hat persönlich eine handschriftliche Notiz hinzugefügt, dass sie sich über sein Kommen sehr freuen würde. Aber er kennt die Comtesse gar nicht. Von reiner Neugier angetrieben, findet er sich natürlich am Abend bei der unbekannten Gastgeberin ein. Zu seiner Erleichterung stellt er fest, dass sie niemand anderer als die Verlobte seines Freundes Frédéric Moreau ist. Diesen bezieht er auch mit in seine Erkundungen um die mysteriöse Krankheit ein und die beiden entdecken bald darauf bei der Obduktion etwas so Erstaunliches, dass es ihnen graut: Die Leiche ist nicht nur wieder vollkommen rosig und sieht nahezu gesund aus, sondern als sie den Leib aufgeschnitten haben, fällt ihnen auch auf, dass sie kein Blut mehr enthält. Und als dann noch das blank liegende Herz anfängt, wieder zu schlagen, obwohl der Leib eindeutig tot ist, sind sie völlig ratlos.
Ascan von Bargen erzählt in „Lilienblut“ eine schaurige und blutige Vampirgeschichte. Seine Erzählweise ist dabei sehr intensiv und düster. Er hält Informationen bewusst lange Zeit zurück und steigert so den Spannungsbogen bis fast zum Zerreißen. Dabei bedient er sich einer etwas altertümlichen Ausdrucksweise, die den Roman sehr authentisch wirken lässt. Gerade die erste Hälfte des Buches hindurch ist man sehr stark von der Handlung gefesselt und wartet mit Spannung auf weitere Hinweise.
Leider hat der Autor so zahlreiche Informationen verarbeitet, dass man leicht den Überblick verliert. Viele Kapitel lesen sich für sich genommen zwar spannend und liefern Hinweise zu den Personen, sind aber für die eigentliche Geschichte unwichtig. Ascan von Bargen scheint eher jedes Kapitel einzeln entworfen zu haben. Betrachtet man sie getrennt, ist jedes von einer düsteren Schönheit durchzogen. Nur im Gesamteindruck ergeben sich Ungereimtheiten. Besonders störend sind echte Fehler. So wird von einer Person berichtet, die nach einem Brand in einem Haus nie gefunden, aber für tot gehalten wird. Nur wenige Zeilen daneben liest man davon, dass es ein Bild ihrer Leiche gibt. Diese Informationen widersprechen sich so offensichtlich, dass das Lesevergnügen stark darunter leidet. Kleine Ungereimtheiten dieser Art finden sich leider häufiger im Text.
Fazit:
Trotz einiger Unzulänglichkeiten bereitet einem "Lilienblut" durchaus einiges Lesevergnügen. Es ist in einer zum Kontext passenden und gut zu lesenden Sprache verfasst, sehr spannend und verbreitet eine angenehm gruselige Stimmung. Wer eher auf Atmosphäre als auf eine gut ausgearbeitete Geschichte wert legt, wird seine Freude an dem Buch haben. Soll die Handlung allerdings leicht verständlich und logisch sein, sollte man eher auf alternative Literatur zurückgreifen.
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