Lilienwinter von Siri Lindberg

Rezension von Christel Scheja

 

Auch wenn der eigentliche Verlag nicht mehr will und den Roman als abgeschlossen ansieht, gibt es Geschichten, die einfach geschrieben werden wollen. Diese Erfahrung machte Siri Lindberg, auch als Katja Brandis bekannt, mit ihrem beim Piper erschienenen Buch „Nachtlilien“. Ermuntert durch begeisterte Zuschriften, beschloss sie die Geschichte von Jerusha und Kiéran auf eigene Faust fortzusetzen. Und so erschien nun „Lilienwinter“ im Selfpublishing.

 

Jerushas Leben hat sich innerhalb weniger Monate vollständig auf den Kopf gestellt. Die talentierte Bildhauerin musste erfahren, dass über ihrer Familie, speziell den Frauen ein grausamer Fluch liegt. Weil sie dies nicht ertragen konnte, machte sie sich auf den Weg, diesen zu lösen, was ihr nach vielen Abenteuern auch gelang. Doch sie bezahlte mehrfach einen hohen Preis dafür. Auf der anderen Seite aber fand sie in dem erblindeten Elitesoldaten Kiéran auch die wahre Liebe.

Verantwortlich für den Fluch war ein Eliscan, Angehöriger einer langlebigen Rasse aus der Welt der Anderwesen. Doch Aláes, der die Menschen hasst, plant einen größeren Schlag, den sie gerade noch verhindern können.

Zwar versuchen Jerusha und Kiéran nun ein eher friedliches Leben zu führen, aber sie bleiben weiterhin unruhig, denn die Gefahr ist immer noch nicht gebannt. Planen einige der Fürsten der Menschen wirklich, Krieg gegen die Elis Aénor zu führen? Und wenn ja, wie kann man sie davon abbringen. Gemeinsam mit Qedyr, dem König der Eliscan machen sich die beiden auf den Weg, um dies herauszufinden, doch sie müssen schon bald feststellen, dass sie Lügen aufgesessen sind und vielleicht noch in ein Netz von viel schlimmeren Intrigen geraten sind, durch den sie den Konflikt erst forcieren.

Und auch die Liebe und das Vertrauen zwischen Jerusha und Kiéran wird erneut auf eine schwere Probe gestellt, denn sie wandeln auf getrennten Wegen und müssen sich so mancher – auch sehr persönlicher Herausforderung – stellen.

 

Siri Lindberg stellt dem eigentlichen Roman für alle, die „Nachtlilien“ noch nicht kennen und auch nicht mehr in ihren Buchhandlungen finden, eine sehr ausführliche Einführung und Zusammenfassung des ersten Bandes voran, so dass man problemlos in „Lilienwinter“ hineinfindet und sich schon nach wenigen Seiten eingelesen hat, aber dennoch neugierig auf den Beginn der Geschichte bleibt.

Man merkt schnell, dass die beiden sich zwar lieben, ihre Romanze aber nur ein Nebenaspekt der eigentlichen Handlung bleibt. Wieder sind sowohl Jerusha als auch Kiéran aktiv und verfolgen ihre eigenen Missionen. Zwar kreuzen sich ihre Wege zum Ende hin, aber bis dahin agieren sie frei und unabhängig voneinander, beweisen, dass auch eine in einer Beziehung lebende Heldin durchaus ihren Mann stehen und selbstbewusst Abenteuer erleben kann. In einer dritten Ebene zeigt sich, dass auch im Reich der Eliscan nicht alles eitel Sonnenschein ist, und ein alter Feind auch aus dem Gefängnis heraus weiter seine Fäden spinnt.

Die Figuren sind sehr lebendig, selbst die Nebencharaktere erhalten ein gewisses Profil, so dass man ihr Schicksal gespannt verfolgt. Ihre Erlebnisse sorgen dafür, dass man weitere Mosaiksteine des Hintergrunds zusammenfügen kann und sich so niemals langweilt.

Die Handlung wird dadurch konsequent erzählt, jeder Dialog, jede Szene macht einen Sinn und ist nicht nur Füllstoff. Auch führt sie den Roman zu einem vorläufigen Ende, so dass man nicht mit einem Cliffhanger im Raum stehengelassen wird.

 

All das macht „Lilienwinter“ zu einem herausragenden Fantasy-Roman, in dem das Abenteuer und die Entwicklung der lebendige Charaktere im Vordergrund stehen und nicht die viel einträglichere Romanze. Gerade weil diese Art von Geschichten für den Genre-Fan selten geworden sind, sollte man unbedingt einen Blick riskieren, wenn man genau danach sucht.