Lunar Park von Bret Easton Ellis
Rezension von Ingo Gatzer
Bret Easton Ellis dürfte den meisten wohl durch sein Werk American Psycho bekannt sein, der von den einen als Kultroman gefeiert und von den anderen als skandalöse Gewaltorgie verurteilt wurde, und in Deutschland immerhin bis zum Jahr 2001 indiziert war. Wie wenig der Autor seiner schriftstellerischen Vergangenheit entkommen, aber wie er sich auch selbst neu erfinden kann, zeigt Lunar Park.
Bret Easton Ellis beginnt das Buch mit Betrachtungen über (Anfangs-)Sequenzen aus seinen bisher erschienen Romanen. Aber die literaturwissenschaftliche Abhandlung hat schnell ein Ende und der Leser bekommt das Gefühl, das der Autor mit "Lunar Park" eine Autobiographie abliefern will. Ellis berichtet über sein Studium am Camden College, seinen Debütroman "Unter Null", Erfolg, Reichtum, Berühmtheit, die konfliktreiche Beziehung zu seinem Vater, die Jugendzeit, Partys und Drogen. Wirklich interessant ist dabei das, was der Autor nicht schreibt, sondern über seinen Vater nur andeutet: "Er schlug übrigens auch unseren Hund." Die Ausführungen steigern sich bald zum Seelenstriptease und es wird beinahe ermüdend: mehr Erfolg, mehr Berühmtheit, mehr Partys und viel mehr Drogen. Aber auch immer öfter Zusammenbrüche.
Der Roman nimmt eine überraschende Wendung nachdem Ellis mit der Schauspielerin Jayne Dennis zusammen zieht, mit der er schon früher eine Affäre gehabt hatte. Der Erzähler berichtet, dass sich "Selbstmordattentäter in belebten Burger Kings, U-Bahnen, zur Rushhour, bei Starbucks und im Wal-Mart in die Luft sprengten. Pyramiden von Stacheldraht umgaben Quarantänezonen [...] und auf den Titelseiten der Zeitungen sah man jeden Morgen Luftaufnahmen der ausgebombten Innenstädte." Wenn sich jemand jetzt fragt, ob er einige Ereignisse der jüngeren US-amerikanischen Geschichte verpasst hat, so kann man ihn beruhigen. Die beschriebenen Vorfälle sind fiktional. Bret Easton Ellis hat seine Leser glauben lassen, er schreibe eine Autobiographie. Die, wie es im Text heißt, schon lange angefragt war, und für die er bereits einen kräftigen Vorschuss kassiert hat. Aber "Lunar Park" ist keine Autobiographie, sondern ein Roman. Vielleicht ist diese Durchdrängung des Fiktionalen mit der Biographie des Autors der Rezeptionsgeschichte geschuldet. Bereits bei "Unter Null" hatte Bret Easton Ellis sich beklagt, dass der Roman als Autobiographie mißverstanden wurde, nur um sich dann den Spaß zu machen in seinem zweiten Roman "Einfach Unwiderstehlich" über eine "fiktives Universität" zu schreiben, die er aber nach seiner eigenen Alma Mater benennt: Camden. Im Endeffekt kann sich der Leser also nicht sicher sein, wo wirklich die Biographie des realen Bret Easton Ellis aufhört und wo die Handlung mit der Romanfigur Bret Easton Ellis beginnt. Der Autor spielt mit dem Leser.
Und wieder wechselt das Genre. Nach literaturwissenschaftlicher Abhandlung und vermeintlicher Autobiographie folgt der Familienroman. Der Erzähler schildert, wie Bret Easton Ellis mit Jayne Dennis und ihren beiden Kindern Robby und Sarah in einem kleinen Vorort lebt. Doch Ellis gelingt es nicht wirklich Zugang zu den Kindern zu bekommen. Er ist vielmehr mit sich selbst, seiner Drogenabhängigkeit und seiner Studentin Aimee Light beschäftigt.
Eine Halloween-Part sorgt dafür, dass die Geschichte wiederum einen Wendepunkt erfährt. Bret Easton Ellis meint auf der Feier einen Mann zu sehen, der ganz dem mordenden Protagonisten Patrick Bateman aus seinem Roman "American Psycho" gleicht. Natürlich liegt der Gedanke nah, dass es sich nur um eine Verkleidung handelt. Aber bald werden Menschen auf die gleiche Art und Weise umgebracht, wie es Patrik Bateman in "American Psycho" tut.
Aber das Buch entwickelt sich weniger zum Thriller, sondern vielmehr zum Horrorroman. Das Haus in dem Bret Easton Ellis mit Jayne Dennis wohnt, scheint sich langsam auf rätselhafte Weise zu verändern. Der Außenanstrich verändert seine Farbe und die Möbel stehen anders. Kinder verschwinden. Ein Stofftier scheint auf bedrohliche Weise lebendig zu sein. Und schon bald jagt ein Ungeheuer nachts durch das Haus. Aber passiert das alles wirklich oder hat Bret Eason Ellis nur seine eigene Imagination - vor allem angesichts seines exzessiven Drogenkonsums - nicht im Griff? Was hat sein toter Vater, an den Ellis immer wieder erinnert wird, mit allem zu tun? Um herauszufinden, was Wahn und was Wirklichkeit ist, muss sich Bret Eason Ellis seiner Vergangenheit stellen.
Bret Easton Ellis macht sich selbst zum Protagonisten in "Lunar Park". Durch das dem Roman vorangestellte Motto aus Hamlet werden geschickt die zentralen Handlungsmotive angedeutet: Vater-Sohn-Beziehung, Geister, vermeintlicher Wahnsinn und Morde. Durch die immer wieder vorkommenden vagen Andeutungen bleibt die Geschichte spannend, wenngleich gerade im vermeintlich autobiographischen Teil die Aufzählung immer weiterer Drogenexzesse und Abstürze bisweilen etwas ermüdend wirkt. Die Horrorelemente verweisen deutlich auf den ´King of Horror`. Deshalb ist es nur konsequent, wenn Ellis den Roman in einem Interview als Hommage an Stephen King bezeichnet. Der Autor von "American Psycho" ist erwachsen geworden. Statt provozierender Aneinanderreihungen von schockierenden Gewaltexzessen, präsentiert er eine facettenreiche Geschichte, die am Ende einen eher poetischen Charakter bekommt und im letzten Kapitel sogar einen der vielleicht schönsten - aber auf jeden Fall längsten - Sätze der jüngeren US-Literatur aufweist. Gelungener und lesenswerter Genre-Mix zwischen Realität und Fiktion, der nicht nur Freunden der Horrorliteratur gefallen wird.
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