Magische Zeiten von herausgegeben von Momo Evers
Reihe: DSA
Rezension von Christel Scheja
Vor etwas mehr 20 Jahren, im Herbst des Jahres 1984 erschienen die erste Basisbox und 4 Abenteuer zum Rollenspiel "Das Schwarze Auge" (kurz: DSA) , das trotz einer bewegten Geschichte und Wechsel von einem Verlag zum anderen bis heute ununterbrochen in den Läden zu finden ist, was gar nicht so selbstverständlich für ein Rollenspielsystem ist.
Um dieses Jubiläum gebührend zu feiern, ist das großformatige Taschenbuch "Magische Zeiten" erschienen. Es beinhaltet neben Kurzgeschichten aus der Welt Aventurien, auch Interviews mit den Machern, Artikeln über das Rollenspiel, die Welt und die Menschen, die DAS geprägt haben
Autoren und Redaktionsmitglieder, die heute noch aktiv oder unvergessen sind, wie etwa Hadmar von Wieser, Thomas Römer, Ina Kramer, Florian Don Schauen und andere, erzählen aventurischen Geschichten, äußern sich ganz persönlich zu dem, was sie mit und um DSA erlebt haben oder werden in kurzen Biographien vorgestellt. Dabei erfährt man so nebenbei manche kleine Anekdote über Ulrich Kiesow und Co., dem Beginn der Welt Aventurien und auch zu Ursprüngen von Namen und Figuren.
Neben persönlichen Geleitworten und Interviews fassen ausführliche Artikel die herausragenden Ereignisse jedes der vergangenen 20 Jahre sowohl in irdischer, wie auch in aventurischer Sicht zusammen, stellen Aventurien und seine Besonderheiten vor.
Das beginnt irdisch mit der eigentlichen Entwicklung des Rollenspiels, mit den Anfängen, irgendwo zwischen Knaur und Schmidt Spiele, der Expansion des Rollenspiels in der Blütezeit gegen Ende der 80ger Jahre, und den Rückschlägen und Verlusten, die das Bild von Aventurien und die Entwicklung von Produkten bis heute prägen.
Eine aventurische Zeittafel erinnert an die Ork- und Khom-Kriege und so manchen kleinen, fast vergessenen Zwischenfall, der später größere Folgen haben sollte.
Allgemeinere Artikel erklären noch einmal das Rollenspiel und schildern, wie die Spieler selber DAS geprägt haben, sei es nun als Baron im halboffiziellen Briefspiel, als Fanzineherausgeber und Gestalter von Webseiten oder durch Briefe und Kommentare an die Redaktion selber.
Schließlich folgt noch eine Beschreibung der multimedialen Auftritte Aventuriens und eine Auflistung sämtlicher bekannter Produkte zu "Das schwarze Auge" von seinen Anfängen bis zum Ende des Jahres 2004, wo auch manche Kuriosität wie die berühmt-berüchtigte "Maske des Meisters" in Schokoladenform erwähnt wird.
Auch der Nebenkontinent Aventuriens, das sagenumwobene "Güldenland", nun Myranor genannt, wird nicht vergessen.
Gut verteilt zwischen den sekundärliterarischen Texten finden sich aventurisches Liedgut von Martina Noeth, Susi Michels und anderen, und acht recht unterschiedliche Kurzgeschichten, von denen einige nur mit dem entsprechenden Kenntnissen über Magie und Geschichte Aventuriens verständlich sind, bzw. etwas Hintergrundwissen erwarten, andere aber auch dem Neueinsteiger ein ungetrübtes Lesevergnügen bieten.
Im Einzelnen:
"Das Schwarze Auge" von Thomas Finn erzählt von dem Diebstahl des einzigen beweglichen Schwarzen Auges auf Aventurien durch den Phex-Geweihten Greifwin, der nicht ahnt, was man eigentlich mit ihm vor hat.
Hadmar von Wieser entführt in "Am Anfang der Zeit" in die nahe und ferne Vergangenheit Aventuriens. Namhafte Historiker und Magier gehen unter dem Schutz Raidri Conchobairs den Geheimnissen alter Artefakte aus der Zeit der Echsenherrschaft auf den Grund und testen dabei selber die Geduld Satinavs aus.
Susi Michels führt in "Zwei stürmische Tage" ihren Charakter Ayla vom Schattengrund, das Schwert der Schwerter und damit oberste Geweihte der Rondra in Versuchung.
Martina Noeth erzählt in "Die Winde voller Trauer klagen" episodenhaft die Lebensgeschichte des zumeist im Schatten seines Vaters und seiner Gemahlin stehenden Königs Brin bis zu seinem frühen Tod.
Lena Falkenhagen enthüllt in "Der Scharlachkappentanz" durch welches Ereignis der unerbittliche Hass des Magiers Galottas gegenüber der kaiserlichen Familie seinen Anfang nahm.
Eher vergnüglich erzählt Ina Kramer eine Posse um Kaufmannstöchter und Schreiber, die es in sich hat. "Vanjesha-oder ein peinlicher Vorfall" ist mitnichten das was es zunächst scheint.
"Das Herz des Kontinents" erlebt viele Zeitalter des Wachsen und erblühens mit, bis es sein trauriges Ende bei dem Überfall Galottas und Razzazors auf Gareth findet, wie Anton Weste zu berichten weiß.
"Die letzte Glut" entfacht Stefan Küppers in Visionen und Schreckensbilder, die Aventurien eine düstere Zukunft verheißen, aber auch nicht ganz frei von Manipulationen sind.
"Magische Zeiten" ist mehr als eine einfache Jubiläumsschrift, auch wenn man kritische Äußerungen oder Betrachtungen nicht erwarten sollte- die einzelnen Entwicklungen werden durchweg positiv dargestellt, negatives wird nur vage angedeutet. Trotzdem ist "Magische Zeiten" weit davon entfernt aus reiner Lobhudelei zu bestehen und gibt einen guten Überblick über das, was DSA bis heute ausmacht, und woraus es schon in den frühen Tagen des Rollenspiels seine Faszination bezog.
Der dicke Band bietet jedem Interessierten, ob nun einem Neueinsteiger der durch die Nebenprodukte wie die Romane oder Handygames zu DSA gekommen ist oder alten Hasen, die seit Anfang an dabei gewesen sind eine Menge Informationen, interessante Hintergrundartikel und spannende Kurzgeschichten, die sich nicht nur auf die aktuelle Situation in Aventurien beziehen
Bei manchem lassen die Rückblicke sicherlich Erinnerungen an alte Zeiten wach werden, vor allem wenn man die damaligen Ereignisse noch aus erster Hand erfahren oder sogar selber miterlebt hat.
"Magische Zeiten" ist einlohnenswertes Muss für jeden DSA-Spieler der ein bisschen über den Horizont seiner Spielrunde blicken und mehr über "sein" Rollenspiel erfahren möchte. Enttäuscht wird er durch die reichhaltige Sammlung an Artikeln und Geschichten nicht. Auch das Preis-Leistungs-Verhältnis ist durch die Dicke und Größe des Bandes mehr als akzeptabel.