Manor von Karl Heinrich Ulrichs
Hörspiel
Reihe: Gruselkabinett Folge 129
Rezension von Cronn
Die phantastische Literatur wird gemeinhin als eine Literaturform beschrieben, die mit einer konservativen Einstellung ihre Themen behandelt. Dieser implizite Vorwurf stimmt nur zum Teil, wie Freigeister a la Alexander Moritz Frey und Oscar A. H. Schmitz belegen. Dennoch ist im Kern der These eine Wahrheit enthalten. Viele Texte sind von der Botschaft her rückwärtsgewandt.
Titania Medien bringt mit Gruselkabinett Nummer 129 in dieser Hinsicht einen sehr spannenden Text als Hörspiel heraus: Manor von Karl Heinrich Ulrichs.
Der Autor selbst war ein Vorreiter der Schwulen- und Lesbenbewegung und als Jurist, Journalist, Verleger und Autor ein Vorkämpfer für die rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen. Da verwundert es nicht, dass das Thema »Homosexualität« auch in der Story »Manor« generell mitschwingt. Auf welche Weise und ob die Geschichte als phantastische Story gelungen ist, soll nachfolgend in der Rezension geklärt werden. Doch zunächst zum Inhalt.
Inhalt:
Auf einer der windumtosten Färöer-Inseln fassen Har und Manor zur heidnischen Zeit eine tiefe Zuneigung zueinander, die auch über den Tod hinaus noch fortbestehen wird …
Diese inhaltliche Beschreibung erscheint sehr kurz, ist aber für das Verständnis vollkommen ausreichend. Daher kann sofort zur Kritik übergegangen werden.
Kritik:
Das Motiv einer Liebe über den Tod hinaus ist ein gängiges in der phantastischen Literatur. Dennoch wird es hier in einen neuen Kontext gestellt. Üblich ist die Liebe zwischen Mann und Frau, die auf übernatürliche Weise fortgeführt wird.
In der Geschichte »Manor« ist es aber eine homosexuelle Liebe, dazu noch von einem Jugendlichen zu einem jungen Mann. Das ist für die Entstehungszeit im 19ten Jahrhundert sehr außergewöhnlich und mutig.
Die Gegner dieser Liebe wenden aus dem Volksglauben rund um den Vampirismus bekannte Methoden an, um diese übernatürliche Liebe zu unterbinden. Aus dem Art und Weise wie dies geschieht und mit welchem Ausgang kann auf die Intention des Autors geschlossen werden. Und diese ist eindeutig positiv hinsichtlich der beiden Liebenden besetzt.
Die bekannten Stimmen von Peter Weis, Tom Raczko, Louis Friedemann Thiele, Monica Bielenstein, Thomas Balou Martin, Helmut Winkelmann, Rolf Berg, Timmo Niesner sowie die beiden Hörspiel-Legenden Dagmar von Kurmin und Horst Naumann hauchen den Figuren Leben ein und auch die Soundabteilung hat mit schwebenden Musikeinsprengseln wesentlichen Anteil daran, dass das Hörspiel ein Erfolg darstellt.
Fazit:
»Manor« ist ein ungewöhnliches Hörspiel, das auf einer interessanten und mutigen Vorlage basiert. Die eigentliche Story ist zwar hinlänglich bekannt, wird aber durch die Umstände durchaus reizvoll. Ein gelungener Beitrag zum Gruselkabinett von Titania Medien.
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