Rezension von Cronn
Als ich aus dem Geländefahrzeug aussteige, empfängt mit der Wüstenwind des Planeten Eos mit stürmischer Wildheit. Er lässt kleine Steinpartikel gegen meinen Exo-Anzug prallen, so dass er knistert. Hinter mir steigen meine Kameraden ebenfalls aus. Gemeinsam sehen wir uns um.
Über uns blendet die grelle Sonne. Sie brennt nahezu alles pflanzliche Leben nieder, so dass nur Staub und Geröll übrig bleibt. Der Planet wird zudem von Winden durchgepeitscht. Jegliche Versuche der Kolonisation waren vergeblich. Frustriert sind die ersten Siedler abgezogen und haben ihre Habitat-Container verwaist zurückgelassen. Ich sehe zu ihnen hinüber. Die viereckigen Container rosten in der Sonne. Boxen stehen davor, Papierfetzen treibt der Wind umher. Einen davon sehe ich gegen eine Tragsäule eines Containers flattern, wo er kleben bleibt und mit den Rändern auf eine Person weist, die am Boden liegt.
Ich kneife meine Augen zusammen. Ist das ein Toter?
»Lasst uns die Untersuchung dort drüben beginnen!«, rufe ich über die Inter-Com-Anlage meinen Leuten zu. Wir laufen hinüber zu den Containern. Ich beuge mich unter die Treppe und scanne mit dem Hand-Computer den Körper.
»Es ist einer der Siedler«, stelle ich betrübt fest. »Wir müssen herausfinden, was hier geschehen ist, nachdem die ersten Siedler gegangen sind. Wer hat die restlichen Siedler angegriffen?«
Plötzlich knattert etwas über uns. Ich blicke nach oben und sehe ein Fremdschiff heraneilen. Es schwebt über uns, dann geht es nieder. Eine Luke öffnet sich und fünf Außerirdische springen heraus. In den Händen halten sie Geräte, die an menschliche Sturmgewehre erinnern. Nur das Design ist völlig fremd. Sie suchen hinter Boxen Deckung und eröffnen ohne Vorwarnung das Feuer auf uns.
»Verdammt! Sucht euch eine Deckung!«, brülle ich meinen Leuten zu. Unnötig, aber ich bin der Pathfinder und muss mich um meine Team-Kameraden kümmern.
Sofort spritzen alle in verschiedene Richtungen auseinander. Ich werfe mich hinter eine Kiste, ziehe meine Pistole und schaue seitlich hervor. Sofort werde ich unter Beschuss genommen. Schnell nehme ich meinen Kopf zurück, ehe die Energiebolzen mich treffen könnten. In einer Feuerpause schaue ich wieder nach vorn, sehe das Alien und schieße. Meine Energiesalve trifft dessen Kopf und er zerplatzt in einer grünen Blutfontäne.
Auch meine Kameraden sind siegreich und bald schon stehen wir neben den Alien-Leichen und untersuchen deren Hinterlassenschaften.
»Wer sind sie? Was wollten sie hier? Und wie können wir den Planeten in ein grünes Paradies umwandeln?«
Das sind die Fragen, die mich von nun an beschäftigen werden …
Mass Effect Andromeda ist nun erschienen und trägt die Fackel der berühmten Trilogie Mass Effect in eine neue Spielergeneration weiter.
Electronic Arts ist Publisher des Spiels, das von Bioware entwickelt wurde. Kann »Mass Effect Andromeda« an den großen Erfolg der Ursprungstrilogie heranreichen?
Hintergrund:
Nach dem Ende der »Mass-Effect-Trilogie«, mit den heiß diskutierten Endsequenzen, wurde es eine Zeit lang still um das Franchise. Doch nach und nach verdichteten sich die Hinweise, dass es möglicherweise ein neues »Mass Effect« geben könnte. Aus den Gerüchten wurden Hinweise und schließlich freute sich die Fangemeinde, als »Mass Effect Andromeda« angekündigt wurde.
Doch welche Hintergrundgeschichte entspinnt sich hier? Dazu ein paar Anmerkungen:
Wer das originale »Mass Effect« nicht gespielt hat, wird keine Schwierigkeiten mit »Mass Effect Andromeda« haben. Vorkenntnisse sind zwar wünschenswert, sind aber keine Voraussetzung. Im neuen Spiel zieht eine Reihe von Kolonisten mit Generationsraumschiffen los, um in der Andromeda-Galaxis eine neue Heimat für die Menschheit zu finden. Dort angekommen stellen sie allerdings fest, dass die Planeten keinesfalls bewohnbar sind. Zudem sind auch andere Lebewesen dort ansässig, somit sind die Menschen die Fremdwesen in dieser Galaxis. Und nicht immer ist man ihnen gegenüber friedlich eingestellt.
Verantwortlich für die Erforschung der neuen Planeten ist der sogenannte Pathfinder. Der Spieler übernimmt gleich zu Beginn von »Mass Effect Andromeda« diese Rolle. Seine Aufgabe ist fürderhin die Kolonisten zu Planeten zu führen, die kolonisierbar sind. Dort findet man Relikte einer fortgeschrittenen Alien-Kultur, die allerdings verschwunden sind. Was hat es damit auf sich?
Die Story von »Mass Effect Andromeda« entfaltet sich nach anfänglichen Schwierigkeiten, da sie auf der Stelle tritt, sehr gut. Sie bietet das von Bioware entwickelte Spiel genügend Vertiefungen und Twists, was auch den vielen Charakteren zuzuschreiben ist, die differenziert ausgearbeitet wurden. »Mass Effect Andromeda« ist ein guter Story-Brocken, der über lange Zeit unterhält.
Gameplay:
»Mass Effect Andromeda« ist ein Mix aus Rollenspiel und Adventure, wobei der Actionanteil sehr hoch ist. Man spielt die Rolle von Alex Ryder, dem Pathfinder, aus der Third-Person-Ansicht.
Das Spiel lässt sich grob in vier unterschiedliche Bereiche unterteilen: Gespräche, Planetenerkundungen (Hauptquest), Nebenaufgaben und Rohstoff-Erkundungen in Sonnensystemen.
Die Gespräche laufen wie in der originalen Trilogie ab: Man sucht sich aus einem kreisförmigen Auswahlmenü die Antworten heraus. Dabei kann man zwischen emotional eingefärbten Antworten und sachlichen wählen. Oft gibt es auch Verzweigungen, was durch Pfeile angedeutet wird. Dabei ist auffällig, dass die Gespräche ein wichtiger Bestandteil von »Mass Effect Andromeda« sind. Es gibt deren sehr viele, sowohl in der Haupt- als auch den Nebenquests. Manchmal tritt dabei die Story auf der Stelle und es wird lediglich Hintergrundinfomaterial geliefert. Aber man kann dadurch eine Beziehung zu den Charakteren aufbauen.
Die Planetenerkundungen machen den Kern der Erfahrung aus. Hier sucht man nach Möglichkeiten, die Bewohnbarkeit der Planeten auf 100 Prozent zu bringen. Dazu muss man Relikte aktivieren, was mittels einer Art Sudoku-Spiel ausgelöst wird. Zudem errichtet man Außenposten, indem man mit dem Nomad-Fahrzeug neue Gebiete auffindet. Auch der Abbau von Rohstoffen funktioniert bei der Planetenerkundung. Auf diese Weise erhält man nach und nach neue Rohmaterialien. Diese Erkundung läuft allerdings nicht vollkommen problemlos ab. Dabei stößt man immer wieder auf die sogenannten Kett-Aliens, welche die Hauptfeinde darstellen. Die Kämpfe funktionieren dabei wie bei einem Deckungs-Shooter: Der Pathfinder geht automatisch hinter Boxen in Deckung. Per Mausdruck kann man zielen und schießen. Mittels der Zahlentastatur löst man Spezialkräfte aus, wie beispielsweise Schockwellen oder Brandzerstörungen. Diese Spezialkräfte muss man vorher durch Levelaufstiege und das Verteilen von Erfahrungspunkten allerdings erst aktivieren. Es sind dermaßen viele Kräfte auf drei Talentbäumen verteilt vorhanden, dass genügend Raum für experimentierfreudige Spieler bleibt.
Auch die Waffen kann man mit gefundenen Modifikationen ausrüsten und zusätzliche Boni aufschalten.
Die Nebenaufgaben ergeben sich zumeist organisch durch die Gespräche mit den zahlreichen NPCs. Es sind sehr viele Sidequests vorhanden. Zum Glück ist das Log-Menü übersichtlich gestaltet, so dass man meist recht gut sich orientieren kann. Allerdings ist gerade der Anfang der Hauptquest mit einem Problem besetzt und wenn man da bei einem Gespräch etwas überhört hat, kommt man nur durch ausprobieren weiter. Später allerdings fallen keine dermaßen auffälligen Probleme mehr ins Gewicht.
Das Abklappern von Sonnensystemen nach Rohstoffen ist ähnlich wie im zweiten und dritten Teil der Originaltrilogie gestaltet: Man sucht die Planetensysteme auf, die als Überblicksgrafiken zu sehen sind. Dann fliegt man zu den einzelnen Planeten in den Orbit, dort wird angezeigt, dass eine Anomalie zu finden ist (oder nicht) und dann schickt man eine Sonde hinunter. Diese findet dann z.B. Rohstoffe oder ähnliches. Dann fliegt man weiter zum nächsten Planeten. Diese Erkundung ist etwas unspektakulär in Szene gesetzt.
Daneben gibt es auch einen Multiplayer-Bereich. Hier kann man mit anderen zusammen spezielle Missionen bestehen. Eine nette Zugabe, die aber für Solo-Player optional ist und niemand zum Spielen der Multiplayer-Missionen gezwungen wird. Prima!
Grafik und Sound:
Die grafische Umsetzung von »Mass Effect Andromeda« darf als ausgezeichnet bezeichnet werden. Unter der Oberfläche schnurrt der gut geölte Motor der Frostbite-Engine, die bereits in Battlefield 3 ihr Debut gefeiert hat, aber stets weiter poliert wird.
Die Texturen sind knackscharf, die Umgebungsbeleuchtung hat schöne Lichteffekte und voluminösen Staub, Nebel und dergleichen. Auch die Partikeleffekte können sich sehen lassen. Insgesamt ist damit »Mass Effect Andromeda« an den allermeisten Stellen sehr hübsch anzuschauen, so dass man stehen bleibt und Panoramen genießt.
Die Gesichtsanimationen werden von vielen kritisiert. Allerdings fielen sie im Test als weniger problematisch auf, als vermutet. Eine gewisse Hüftsteife kann man den übrigen Animationen allerdings vorwerfen.
Auch der Sound ist sehr gelungen. Die Explosionen wummern mächtig, die Energiewaffen zischen und die Schrotgewehre wuchten. Die deutsche Synchronisation darf ebenfalls als passend bezeichnet werden. Somit ist der Soundbereich eine runde Sache.
Fazit:
»Mass Effect Andromeda« ist ein sehr gutes Action-Rollenspiel geworden. Die einzelnen Spielelemente fügen sich organisch ein und sind – bis auf die Rohstoffgewinnung im Sternensystem – spektakulär inszeniert. Auch die Story unterhält den Spieler auf hohem Niveau.
Auf technischer Seite gibt es nichts zu bemängeln. Die Spielwelten sind sehr groß und lassen sich recht offen erkunden. Die Texturen sind hochaufgelöst und die Animationen weitgehend stimmig. Die Beleuchtung passt und auch die Soundeffekte
Damit steht mit »Mass Effect Andromeda« eine gelungene Wiedererweckung des »Mass-Effect«-Franchise an, die Solisten für mindestens zwanzig Stunden unterhalten kann. Wer alle Nebenaufgaben erledigen möchte, darf gut und gerne das Doppelte an Zeit veranschlagen.
Das Revival der »Mass-Effect«-Serie darf als sehr gelungen bezeichnet werden!
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