Rezension von Christel Scheja
Nicht immer findet ein Roman Anklang bei den großen Verlagen, auch wenn er formal und qualitativ durchaus deren Ansprüche erreicht. Oft genug ist es der Umgang mit einem bestimmten Thema, der sie zurückschrecken lässt, rechnen sie doch nicht mit einem Erfolg, bei der großen Masse. So bleibt oft genug nur der Weg einen eigenen Verlag zu gründen, was heute nicht mehr ganz so schwierig ist und das Buch selbst heraus zu geben. Diesen Weg ist Silke Alagöz mit ihrem Roman „Maylea – Seherin des Jenseits“ gegangen.
Heldin ihres Buches ist Maylea Woolverton. Sie wächst bei ihrer Großmutter auf, nachdem die Eltern vor vielen Jahren ums Leben gekommen sind und hat bisher ein ganz normales Leben geführt. Das ändert sich an ihrem sechzehnten Geburtstag. Als sie an diesem auf dem Friedhof zufällig in die Augen eines Totenschädels blickt, verändert sie sich. Denn von nun an nimmt sie etwas wahr, was die anderen nicht einmal richtig fühlen können – sie vermag Geister zu sehen. Das erste Mal wird ihr das bei der Beerdigung ihres überraschend verstorbenen Onkels bewusst.
Als sie ihre Gabe bewusster einsetzt, findet sie auf dem Friedhof heraus, dass ihre Eltern ganz offensichtlich gar nicht tot sind, denn anders als bei den anderen Gräbern verweilen deren Seelen nicht mehr dort. So macht sie sich gegen den Willen ihrer Großmutter auf die Suche nach den beiden, indem sie während einer Klassenfahrt einfach davon läuft und einer ziemlich dünnen Spur nach Frankreich – in die Bretagne – folgt.
Dort beginnt das Abenteuer erst richtig. Denn in dem Haus, das einmal der Wohnsitz ihrer Eltern gewesen sein muss, findet sie nicht nur weitere Geheimnisse, die sie irritieren, sondern auch einen jungen Mann mit einer ganz besonderen Aura...
Doch ist Pjotr wirklich der einzige Freund, den sie hat, als sie hinter das sorgsam vor ihr verborgene Familiengeheimnis kommt.
Silke Alagöz hat sich viel vorgenommen – sie verknüpft nicht nur die derzeit so beliebten romantischen Motive um Vampire und Werwölfe mit der Mystik der keltisch-bretonischen Mythenwelt – insbesondere der Feen und garniert das ganze mit ein paar Engeln, sondern bindet auch noch die Weltuntergangsphantasien mit ein, die manche Autoren mit dem Ende des Maya-Kalenders im Jahr 2021 in Verbindung bringen.
Viele scheitern daran, diese Autorin allerdings nicht. Sie schafft es die verschiedenen phantastischen Elemente glaubwürdig und stimmungsvoll miteinander zu verbinden. Zwar macht sie es sich hin und wieder ein wenig einfach, um Probleme zu lösen, indem sie zum Beispiel hilfreiche Verbündete aus dem Nichts auftauchen lässt, die entscheidende Hinweise oder die entsprechende Unterstützung bringen, aber das fällt nicht ganz so sehr ins Gewicht, da die Handlung glaubwürdig aufgebaut ist und die Figuren auch nicht all zu übertrieben handeln.
Maylea ist zudem eine aktive Heldin, die vieles selbst in die Hand nimmt und nicht nur darauf wartet, dass etwas passiert. Sie nimmt zwar Hilfe gerne an, wächst aber mit dem Wissen über sich selbst auch in die Verantwortung hinein.
Die Romanze zwischen ihr und Pjotr ist zwar nicht aufdringlich, gibt dem ganzen aber die richtige Würze, um vor allem junge weibliche Leser anzusprechen, die solche Mischungen aus Liebesgeschichte und Abenteuer zu schätzen wissen.
Silke Alagöz findet den richtigen Fluss in der Geschichte – der Roman ist sehr flüssig zu lesen und besitzt keine Längen. Auch das Titelbild ist sehr gelungen und verleiht dem Leser den richtigen Einstieg in die Geschichte.
Alles in allem ist „Maylea – Seherin des Jenseits“ ein gelungener Roman, der vor allem die Fans von Serien wie „House of Night“ gefallen dürfte, weil die Romanze nicht nur für sich allein steht und die Handlung voran treibt, sondern auch in stimmungsvolle Mystik und ein spannendes Abenteuer eingebettet ist.