Memoir `44 (Brettspiel)
 
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Memoir `44

Rezension von Thomas Pichler

 

Memoir `44, ein Spieltitel, der sich leicht richtig deuten lässt: Spielhintergrund ist zumindest hier im Grundspiel das Jahr 1944. Genauer gesagt geht es um Gefechte rund um und nach dem D-Day, die Taktikfans hier auf Basis von Richard Borgs bekanntem Commands & Colors Spielsystem nachempfinden können.

 

Spielziel

Grundsätzlich gilt es in einem Gefecht, als erster eine bestimmte Anzahl an Sieges-Medaillen zu erobern. Die genaue Anzahl hängt vom jeweiligen Szenario ab. Medaillen gibt es für die vollständige Vernichtung gegnerischen Einheiten, sowie in manchen Szenarien für das Erreichen (und teils halten) bestimmter Zielfelder.

 

Aufmachung

Der beidseitig bedruckte Spielplan bietet sowohl die richtige Basis für Küstenlandungen wie auch für Schlachten weiter im Landesinneren der grünen Normandie. Sieht gut aus, doch der Kleber, der die bedruckten Oberflächen auf der verstärkenden Pappe hält, könnte besser sein. Entlang der Falzen zeigt er bereits nach wenigen Testpartien erste Auflösungserscheinungen.

 

Beidseitig bedruckte Hexfelder dienen der Darstellung von speziellem Gelände, etwa Wälder, Flüsse oder Dörfer; ebenfalls beidseitig bedruckte weitere Marker stellen Bunker oder Brücken dar oder dienen zum markieren spezieller Truppen. Sie alle erwiesen sich im Test als schön stabil. Das gleiche gilt für die runden Spielmarken, die genutzt werden, um Spezialeinheiten oder Zielfelder zu markieren.

 

Sandsäcke, Panzersperren sowie die eigentlichen Truppen sind aus Plastik. Zwar dementsprechend einfärbiger als der Rest der Spielkomponenten, sind sie dennoch ansprechend gestaltet. Allerdings fällt auf, dass vor Gewehrläufe an Infanterie sowie Geschützrohre an Panzern und die relativ feinen Artilleriefiguren teils schon ab Werk deutlich verbogen sind. Angesichts des eher stolzen Preises von Memoir `44 ist das doch ein gewisser Makel.

 

Spielregeln

Das Regelheft erklärt die Spielkonzepte an Hand vieler Illustrationen gut verständlich. Kein Wunder eigentlich, denn wirklich kompliziert sind die Regeln nicht: Die Aktivierungs-, Bewegungs- und Kampfregeln sollten schon nach dem Erststudium eigentlich sonnenklar sein, etwas feinere Details wie Geländemodifikatoren oder Nachsetzen durch deren erste Anwendung.

 

In einer Spielrunde darf der am Zug befindliche Spieler aus seiner Hand eine Kommandokarte auswählen und ausspielen, um Einheiten zu aktivieren. Sektionskarten erlauben dabei die Aktivierung einer bestimmten Zahl von Einheiten in ein oder mehreren der drei Sektionen des Spielfeldes (linke und rechte Flanke, Zentrum); Taktikkarten erlauben teils besondere Aktivierungen, teils aber auch Spezialeffekte.

 

Entsprechend der gespielten Karte werden zuerst, so weit erlaubt, Einheiten aktiviert. Anschließend werden diese bewegt; danach folgt die Kampfphase. Ein Angriff erfolgt dabei mit ein bis maximal vier der mitgelieferten Würfel; die Anzahl richtet sich nach Typ der angreifenden Einheit, Entfernung zum Ziel und Geländeeigenschaften, sowie eventuell Effekten von Taktikkarten.

 

Im Normalfall bedeuten dem Typ der angegriffenen Einheit entsprechende Symbole sowie Granaten Treffer, während Fahnen einen Rückzug um ein Feld erzwingen. Sternsymbole sind beim normalen Angriff Blindgänger. Manche Taktikkarten haben jedoch Sonderregeln und geben den Symbolen der Würfel zusätzliche Bedeutungen, und erfordern eventuell auch Würfen außerhalb des eigentlichen Kampfes.

 

Wer das Commands & Colors System bereits kennt, hat es schon geahnt: Einfache Spielbarkeit geht vor extremem Realismus, was allerdings kaum störend auffällt. Einzig die Regel, dass durch Feindbeschuss erzwungener Rückzug grundsätzlich zum eigenen Spielfeldrand erfolgen muss, irritiert manchmal – warum sollte eine Einheit zum Spielfeldrand flüchten, statt ihr Heil im Häuserkampf in der angrenzenden Ortschaft oder dem Schutz eines Waldes zu suchen?

 

Was das Alter der Spieler betrifft, bin ich tatsächlich gewillt zu glauben, dass Achtjährige die Regeln des Spiels begreifen können: Kompliziert sind sie wie gesagt nicht. Allerdings sollte man sich fragen, ob angesichts der Thematik des Spiels nicht ein gewisses Begreifen jener wichtiger wäre. Dass deutsches Schulenglisch wohl frühestens mit 12 für das Regelwerk reicht, ist da gar nicht so schlecht.

 

Spielverlauf

Die erste Frage ist, welches Szenario gespielt werden soll – eines der 16 vorgefertigten? Ein auf der Days of Wonder Website gefunden? Oder sogar eines der Marke Eigenbau? Der Spielplan wird auf die richtige Seite gelegt, dann werden Terrain und Startaufstellung aufgebaut – etwa 5-10 Minuten Vorbereitung, bei den umfangreichsten Szenarien vielleicht eine Viertel Stunde.

 

Eine Spielrunde ist meist schnell abgehandelt; größere Verzögerungen gibt es allenfalls, wenn sich ein Spieler nicht entscheiden kann, welche Kommandokarte die richtige in der aktuellen Spielsituation ist.

 

Die Spieldauer ist vom gewählten Szenario abhängig; die von Days of Wonder angegebene Untergrenze von 30 Minuten ist eigentlich nur für einige Kleinszenarien realistisch, im Normalfall wird nach an oder um die 60 Minuten der Sieger feststehen.

 

Szenarios im Eigenbau

Ein Reiz von Memoir `44 ist natürlich auch die Möglichkeit, eigene Szenarien zu entwerfen. Sicher, nicht jeder will sich derlei Arbeit machen, aber manch anderen wird es schnell jucken, doch selbst ein für ihn besonders interessantes Gefecht für das Spiel umzusetzen. Eine tolle Unterstützung dabei bietet der Online-Szenarieneditor.

 

Mehrspieler-Varianten

Die einfache Variante des Mehrspieler-Spiels besagt, dass Teams von 2 oder 3 Personen jede Seite spielen; die Teammitglieder sind dann für die Ausführung von Kommandokarten in einzelnen Sektionen zuständig. Im Endeffekt ist das ein Pseudo-Mehrspielermodus, der sich nur bedingt bewährt: Sowohl die Startaufstellung als auch das Kartenglück bei den Kommandokarten kann einen Spieler in eine reichlich passive Rolle zwingen.

 

Die andere Option sind Overlord-Szenarien, die bis zu 4 Spieler pro Team erlauben. Dafür sind jedoch 2 oder fallweise 3 Kopien des Spiels erforderlich, weshalb wird diese nicht in der Praxis testen konnten.

 

Spielspaß

Die Aktivierung von Einheiten per zufällig gezogenen Karten wird echten Strategen nicht ganz schmecken. Allein, die Szenarien spielen ja auf der taktischen Ebene einzelner Schlachten, insofern passt das Modell: Kommunikationsgewirr in der Hitze des Gefechts erlaubt eben nicht immer, genau jetzt der genau richtigen Einheit genau den optimalen Befehl zu geben.

 

Der Würfel-Glücksfaktor im Gefecht ist etwas hoch und erlaubt unrealistische Ausreißer – es ist zwar viel wahrscheinlicher, mit einem Würfel ein Infanterie zu treffen als ein Geschütz, dafür können zwei Würfel eine ganze Geschützbatterie (2 Figuren) ausschalten, niemals aber eine komplette Infanterieeinheit (4 Figuren). Im Großen aber mittelt sich das halbwegs heraus, und größerer Realismus hätte notwendiger Weise den hohen Preis höheren Kompliziertheitsgrades.

 

Durchaus authentisch sind die Szenarien in einem Punkt: Die wenigsten Gefechte um und nach dem D-Day hatten faire Voraussetzungen. Ein Gutteil der Szenarien ist dementsprechend so gebaut, dass es Vorteile für Achse oder Alliierte gibt. Mit den Deutschen im ersten Szenario „Pegasus Bridge“ die Brücke zu halten ist schwer, keine Frage! Authentizität vor Balance: Eine bewusste Entscheidung, die sicher nicht jedem gefallen wird. Für andere bringt sie dafür direkt einen höheren Wiederspielwert mit sich. Geht es nicht doch besser? Oder ist die andere Seite wirklich so viel leichter zu spielen? Zwei gute Gründe für eine zweite Partie – und einer davon bleibt für eine dritte.

 

Schon mit den 16 regulären Szenarien und guter Motivation, jedes davon gegen den gleichen Gegenspieler zwei, drei Mal (oder noch häufiger) zu spielen, wird insgesamt also einiges geboten.

 

Fazit

Memoir `44 ist ein unkompliziertes Spiel für entspannte Taktikspieler. Wer hohe Komplexität und unglaublichen Realismus braucht, ist hier nicht ganz richtig; Cosims oder Tabletops wären vermutlich eher sein Ding. Wer aber als Taktikfan ein Spiel möchte, dass auch zwischendurch gut spielbar ist, sollte unbedingt einen Blick darauf werfen: Memoir `44 ist schnell und verständlich genug, um auch dem Genre nicht ganz so verbundene Freunde zu der einen oder anderen Partie zu überreden.

 

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Memoir `44

Autor: Richard Borg

Verlag: Days of Wonder

Erscheinungsdatum: 2004

Anzahl der Spieler: 2 / 2 Teams

Altersangabe: ab 8

Altersempfehlung: ab 12

Spieldauer: 30-60 Minuten

Spielanleitung: Englisch

ISBN: 0-9752773-3-2

ASIN: B0002TV2NS

Erhältlich bei: Amazon

 

Inhalt:

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1 double-sided Battlefield board map

144 Axis and Allies Army Pieces

36 Obstacles

44 Terrain Tiles

60 Command Cards

9 Summary Cards

8 Battle Dice

2 Card Holders

1 Rules & Scenario Booklet

1 Days of Wonder Online access number

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Erstellt: 03.11.2007, zuletzt aktualisiert: 02.03.2016 11:40, 5211