Meridian – Flüsternde Seelen von Amber Kizer
Rezension von Christel Scheja
„Meridian“ ist eine Serie, die sich stark von vielen anderen übernatürlichen Romanzen unterscheidet. Schon der erste Band machte deutlich, dass es sich hier nicht um eine Saga handelt, in der die Romantik im Vordergrund steht, sondern um die Entwicklung eines jungen Mädchens, dass nicht nur erwachsen werden muss, sondern auch lernen, ihre Gabe voll auszuschöpfen.
Durch ihre Abstammung von den Engeln hat Meridian eine besondere Gabe. Sie ist eine „Fenestra“, die Verstorbene sicher ins Paradies leiten kann, indem sie in sich selbst ein Fenster ins Jenseits öffnet. Allerdings birgt das auch Gefahren – denn ohne Ausbildung kann sie leicht selbst mitgerissen werden. Und dann sind da die Aternocti, denen es nicht gerade gefällt, wenn Seelen so einfach erlöst werden.
Aus diesem Grund wird Meridian gejagt, seit ihre Kräfte mit der Vollendung des sechzehnten Lebensjahrs ganz erwacht sind. Zunächst konnte ihr ihre Tante Schutz geben und sie ausbilden, nun, nach deren Tod ist das junge Mädchen auf sich alleine gestellt und zieht mit dem jungen Tens durch das Land, um ihre Spuren zu verwischen. Dabei kehren sie immer wieder bei Freunden ein, die genau wissen, was eine „Fenestra“ ist.
Derweil lebt die fast sechzehnjährige Juliet in einem Heim in einer Kleinstadt. Seit sie denken kann kennt sie nicht mehr als das alte Gemäuer und die Heimleiterin, die allerdings ein falsches Spiel mit den Behörden treibt. Die Kinder müssen auf dem Dachboden nächtigen und bekommen kaum etwas zu essen. Die Zimmer, die eigentlich für sie bestimmt sind, werden an alte Menschen vermietet, die hier ihre letzten Lebenstage verbringen.
Juliet hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die kleineren Kinder zu beschützen und die alten Menschen zu pflegen, nicht ahnend, dass die Kochattacken, die sie hat, auf der Gabe beruhen, die auch sie hat.
Als Meridian und Tens zufällig in die Kleinstadt kommen und Unterschlupf in dem Heim suchen, erkennt die junge Fenestra deshalb, dass sie nicht alleine mit ihren Fähigkeiten ist und bringt sich damit selbst in Gefahr.
Nicht nur inhaltlich, auch vom Stil her, wagt Amber Kizer erneut ein Experiment. Ihre poetische, ja fast lyrische Sprache erzeugt eine seltsam mystische und magische Stimmung, die die Geschehnisse unwirklich erscheinen lässt, auch wenn sie immer wieder mit der brutalen Wirklichkeit kollidieren. Denn die Umstände unter denen gerade Juliet lebt, wirken wie Albträume einer jungen Frau aus Schauerromanen des vorhergehenden Jahrhunderts.
Die Handlung wechselt diesmal zwischen Meridian und Juliet.
Während die Fenestra den Tod ihrer Tante verdauen und sich an ihr neues Leben gewöhnen muss, weswegen sie sich mehr als vorher an Tens klammert, kämpft Juliet nicht nur ums Überleben, sondern auch ihre geistige und seelische Gesundheit. Bei ihren Schilderungen bekommt man den Verdacht, dass die Aternocti sie schon längst gefunden haben und nun nur noch die Bestätigung wollen.
So verdichtet die Autorin den Hintergrund und zeigt, dass dieser noch komplexer ist als vermutet. Allerdings werden auch diesmal wieder viele Fragen aufgeworfen, aber kaum welche beantwortet. Das Ende ist nur bedingt in sich geschlossen, da Juliet zwar gerettet wird, aber nicht geklärt, was nun mit ihr geschieht. Alles in allem legt man den Roman so etwas unzufrieden aus der Hand, auch wenn er sich wohltuend von der Masse gleichartiger Bücher abhebt.
Versponnen und mystisch geht die Suche von Meridian nach ihrer Bestimmung weiter. Zwar ist der Roman mit einem Hauch Romantik garniert – die ruhige Geschichte hat aber einen ganz anderen Schwerpunkt, für den der Leser offen sein sollte, ebenso wie für den märchenhaft angehauchten Erzählstil, der die Handlung stellenweise sehr unwirklich erscheinen lässt.
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