Rezension von Ralf Steinberg
Verlagsinfo:
Monsignore Quijote, direkter Nachkomme des fahrenden Ritters, bekommt von seinem Bischof Zwangsurlaub verordnet. Mit seinem Freund, dem Bürgermeister, begibt er sich in einem alten Seat 600 auf eine Pilgerfahrt durch die modernen Zeiten. Doch Monsignore hat keine Ahnung, was da alles auf ihn zukommt: Gesetzesbrüche, philosophische Betrachtungen und politische Diskussionen, Glaubensbekenntnisse, edle Taten und groteske Situationen.
In seinem unterhaltsamen Spätwerk versetzt Greene das prominente Paar in die Gegenwart, als das Leben sich längst hauptsächlich an der Oberfläche abspielt. Und doch wagen es seine Figuren in einer liebenswerten Mischung aus Komik und Ernst, die Grundfragen des Lebens zu stellen.
Rezension:
Graham Greene beschäftigte sich Zeit seines Lebens mit Glaubensfragen. Die Auseinandersetzung mit den Beziehungen zwischen Kirche und Glauben veranlasste ihn, immer wieder in die Tiefen des menschlichen Glaubens vorzustoßen, zu ergründen, worin dieses Glauben bestand und was es für einen Menschen bedeutet, zu glauben.
Padre Quijote ist ein einfacher Dorfpfarrer, der wie so viele Geistliche seinen Job erledigt, in tiefer Überzeugung, einen Dienst an Gott und der Gemeinde zu leisten. Dabei gibt es durchaus theologische Probleme, die ihn beschäftigen, aber letztlich ruht er fest in sich, geborgen in der intimen Alltäglichkeit seines Lebens fernab der großen weiten Welt.
Doch der Zufall beschert ihm eine eklatante Veränderung. Gegen den Willen seines direkten Vorgesetzten steigt er in der Hierarchie auf und wird Monsignore. Ein Amt, das nicht ganz zur Dorfpfarre passt und Quijote beschließt, Urlaub zu machen. Angestachelt durch seinen alten Freund, dem kommunistischen Bürgermeister, der just gerade die Wahl verlor und gegen eine kleine Abwechslung nichts einzuwenden hat.
So ziehen sie los, mit dem alten Seat 600 des Priesters, den er in Anlehnung an seinen berühmten Vorfahren Rosinante nennt.
Dieses Auto ist weitaus mehr für Quijote. Ihn beschäftigt dessen Seelenheil, seine Gesundheit, seine Liebe. Fernab jeder romantischen Regung bleibt Rosinante während des gesamten Romans ein Symbol tiefer Freundschaft, wie sie auch immer tiefer und fester zwischen Priester und kommunistischem Bürgermeister aufblüht.
Erinnert die kleine Odyssee der beiden zunächst noch Don Camillo und Peppone ändert sich der Ton nach und nach von heiterer Beschwingtheit zu trauriger Melancholie.
Es sind stets nur kleine Szenen und Ereignisse, die zu Unannehmlichkeiten führen. Allesamt nur winzige und belanglose Begebenheiten, summieren sie sich nach und nach zu einem unbegreiflich großen Problem, dessen dramatische Lösung unausweichlich wird.
Dabei wollen die beiden Reisenden nichts Bestimmtes. Sie lassen sich treiben und reiben sich dabei an die komplizierte Wirklichkeit im Spanien nach Franco.
Quijote hat es in seinem kleinen Dorf geschafft, die Politik auszuschließen. Die Diktatur war der ferne Staat, ohne Einfluss auf sein Leben, bis nach dem Tode Francos eben jener Kommunist Bürgermeister werden konnte. Dass der seine Wahl verliert, aber auch dass der frisch gebackene Monsignore bei seinem Vorgesetzten unbeliebt ist, liegt aber ebenso tief in der franquistischen Realität begründet, wie in der unaufgearbeiteten Vergangenheit. Immer wieder ist der Geist des Generalissimus zu spüren. Sogar sein Grab besuchen die beiden. Während der Kommunist auf das Fehlen eines Denkmals für die Demokraten hinweist, betet Quijote für den Toten, wie er für jeden beten würde. Er ist dabei so naiv, wie ursächlich katholisch. Und das in einem Land, dessen Verquickung von Staat und Kirche parasitäre Züge trug und immer noch trägt, als das ungleiche Paar durch das Land zieht. Besonders in ihren Begegnungen mit der Guardia Civil, der spanischen Landpolizei, die ebenso wie die katholische Kirche von Franco instrumentalisiert worden war, zeigt sich die stets vorhandene Bedrohung der Freiheit, die die Jahrzehnte der Diktatur fest in der spanischen Gesellschaft verwurzelten und deren Absterben ein lang währender Prozess sein würde.
Während Quijote immer mehr Leben schnuppert, wird sein Bezug zur Realität umso loser. Fern der kirchlichen Rituale und den Weisheiten aus Büchern, stellt er sich den Gesprächen mit dem Kommunisten, der letztendlich auch nur ein Gläubiger ist, dessen Religion von Marx und Lenin geprägt ist. Dieser Spiegel reicht dem Priester, um selbst nach zu denken. Sich seinem Glauben auf eigene Art zu stellen und dem nach zu spüren, was er für ihn wirklich ist. Liebe.
Keine sexuell geprägte, keine spezifizierbare, sondern eine umfassende. Eine Liebe, für die der Glauben immer mehr zu eng wird.
So entwickelt sich Quijote zu einem freien Geist, der die Welt verlässt, weil sie zu klein ist.
Mag sein, dass Greene seine zarte und doch so bewegende Geschichte mit einer gehörigen Portion Altersweisheit versah und er Cervantes Don Quijote etwas zu sehr extrapolieren wollte, aber gerade das Spiel mit den literarischen Bezügen, das Extrahieren humanistischer Ideale aus der katholischen Glaubenslehre, bieten großen Raum für Fragen und Antworten.
Leider gönnte der dtv dem Band weder Vorwort noch Zeittafel, wie sie in den Klassiker-Ausgaben des Verlages üblich sind, gerade wegen des starken geschichtlichen Bezuges hätten hier einige Informationen durchaus dienlich sein können.
Fazit:
"Monsignore Quijote" ist ein bewegender Roman, der aus einer scheinbaren Leichtigkeit heraus große Themen behandelt ohne sie zu zerreden oder schulmeisterlich zu zelebrieren. Wer die leisen Töne Greenes und seinen heiteren Humor mag, wird auch dieses Spätwerk zu schätzen wissen. Besonders interessant ist der Roman zudem durch seine Beschäftigung mit einer Episode der spanischen Geschichte, die noch immer nachwirkt und gerade erst zögerlich aufgearbeitet wird.