Nachtmahr-Abtei (Autor: Thomas Love Peacock)
 
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Nachtmahr-Abtei von Thomas Love Peacock

Rezension von Ralf Steinberg

 

Rezension:

In seinem dritten Roman Nightmare Abbey nahm Thomas Love Peacock eine ganze literarische Generation auf die Schippe. Gleichzeitig nutzt er für sein illustres Figurenensemble eine Reihe von Bekannten als Profilgeber. Dadurch tummeln sich in der Nachtmahr-Abtei, einem halb verfallenen Herrenhaus, einige schräge Gestalten, die sich trotz aller Überzeichnung, als wunderbare Charaktere erweisen. Jede bekommt ihr szenisches Fett weg und wird dennoch zu keiner Zeit gänzlich unsympathisch dargestellt. Im Gegenteil. Die Marotten sind es gerade, aus denen sich eine besondere Liebenswürdigkeit entwickelt.

 

Der eigentliche Plot ist nicht besonders umfangreich. Mehr oder weniger verfolgen wir die Ereignisse in einem englischen Landhaus in deren Verlauf es um Liebe und Tod geht. Ganz im Sinne der damaligen Roman-Mode. Zumindest fast.

So überzeichnet Peacock in »Nightmare Abbey« unter anderem die melancholische Todessehnsucht, mit der unglückliche Liebe in den Romanen jener Zeit einhergingen. Der Wunsch, in einer Ruine zu leben, sich mit Philosophie zu befassen und ganz der Welt entzogen dem Jammer des Daseins seufzend ins Auge blicken ohne aber tatsächlich physisch durch Hunger oder Not bedroht zu sein. Der melancholische Misanthrop par excellence ist Scythrop, der Sohn des Hausherrn. In ihm spitzt sich die Satire zu, als er sich in gleich zwei jungen Frauen verliebt. Die eine ist eine eher typische Frau aus guten Haus, der leichten Muse zugetan und stets darauf bedacht, einst eine wunderbare Ehefrau zu werden. Die andere erweist sich als selbstbewusste Denkerin, die sich intellektuell mit Scythrop messen kann und die vorgefertigte Rolle der Frau in der Gesellschaft zutiefst verachtet. Das Problem für den jungen Mann ist nun, dass er am liebsten beide Frauen haben möchte. Die sich daraus ergebenden Situationen enthalten zwar dramatisches Potential (Goethes Stella lässt grüßen), Peacock jedoch nutzt vielmehr die Komik darin.

Schon Scythrops Vater liebt das Morbide und sucht seine Angestellten danach aus, entweder grässlich auszusehen oder zumindest so zu heißen. Auch seine Freunde wählt er nach entsprechenden Neigungen aus und selbst eine mögliche Braut für seinen Sohn muss gewisse dunkle Tendenzen aufweisen. In sein Haus lädt er dann passenderweise auch mit Mr Toobad einen Freund ein, der davon überzeugt ist, dass gerade das Böse die Oberhand innehat. Sein Spruch »Der Teufel ist zu uns herabgekommen und hat einen großen Zorn.« erdet fast jede Szene auf eine ganz besondere Weise. Daneben gibt es unter anderen noch einen Priester, der sehr auf sein leibliches Wohl bedacht ist und einen modeaffinen Gentleman der von allem irgendeine Ahnung hat, aber ein zu zartes Wesen darstellt als irgendetwas anderes tun zu können, als elegant abzuhängen.

In mehreren Szenen können sich die Herren, die Damen etwas weniger, dann lustvoll aneinander reiben. Die Streitgespräche und Konversationen sind allerfeinstes Pingpong geistreicher wie scharfzüngiger Phrasen. Hitzig, und je nach Charakter mit großer oder fehlender Leidenschaft geführt, ohne in einer großen Eskalation zu enden. Vielmehr bleiben die Freunde trotz aller Gegensätzlichkeiten Freunde. Diese Sprachduelle bilden trotz geringer Handlungsrelevanz das eigentliche Grundgerüst von »Nightmare Abbey«.

 

Es lohnt sich ungemein, das Nachwort von Werner Morlang zu lesen. Morlang erweist sich nicht nur als großer Fan des Textes, er führt auch mit freundlicher Eleganz durch die offenliegenden und versteckten Feinheiten. So untersucht er die Verbindungen von Figuren mit Bekannten und Freunden Peacocks, besonders natürlich die von Percy Bysshe Shelley, dessen zweite Frau Mary er jedoch nicht besonders mochte.

Darüber hinaus erklärt Morlang philosophische Aspekte und richtet das Augenmerk der Leserschaft immer wieder auf Besonderheiten einzelner Szenen, sowohl aus literarischer, als auch aus der jeweiligen biographischen Sicht. Die Menge an Hintergrundinformationen ist immens und eröffnet dem Verständnis von »Nightmare Abbey« eine ganz neue Dimension.

Immerhin hat das Werk 200 Jahre auf dem Buckel und weder die persiflierten Romane noch die liebevoll karikierten Persönlichkeiten sind dem heutigen Lesepublikum geläufig. Was dem Spaß keinen Abbruch tut, jedoch nach der Lektüre des Nachwortes lohnt sich ein zweiter, tieferer Blick in das Werk.

 

Fazit

Nachtmahr-Abtei von Thomas Love Peacock ist eine literarische Köstlichkeit. Als Satire auf romantische Geschichten gedacht, erblüht in ihr eine feinsinnige Komik und eine liebenswerte Abrechnung mit Freunden und literarischen Modeerscheinungen.

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Buch:

Nachtmahr-Abtei

Original: Nightmare Abbey, 1818

Autor: Thomas Love Peacock

Übersetzer: Matthias Morlang

Nachwort: Werner Morlang

Gebundene Ausgabe, 284 Seiten

Manesse Verlag, 1989

 

ISBN-10: 3717517783

ISBN-13: 978-3717517788

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 28.08.2018, zuletzt aktualisiert: 09.10.2023 18:14, 16899