Nauraka – Volk der Tiefe von Uschi Zietsch
Rezension von Christel Scheja
Mit ihrer dreibändigen Saga um die „Chroniken von Waldsee“ kehrte Uschi Zietsch nach langen Jahren mit einem eigenen Kosmos in die Gefilde der Fantasy zurück und erzählte die Geschichte des jungen Rowarn, der als Kind verschiedener Welten und mächtiger alter Linien das Gleichgewicht der Kräfte auf seiner Welt wieder herstellte und das Böse in seine Schranken verwies.
Nun erzählt sie mit dem Band „Nauraka – Volk der Tiefe“ eine weitere Geschichte aus Waldsee, die von der Trilogie weitestgehend unabhängig ist. Es gibt nur einige wenige Querverbindungen, die eher zur Abrundung und zeitlichen Einordnung dienen, für den Ablauf der Ereignisse allerdings nicht sonderlich relevant sind.
Sie gelten an Land als Legende und viele Menschen vermuten sogar, dass sie längst ausgestorben sind, aber tief unter der Meeresoberfläche gibt es immer noch Nauraka – das magiebegabte und uralte Volk, das anders als die Nix auch an der Luft leben und sich an Land fortbewegen kann.
Seit Generationen halten sich die meisten von ihnen aber von den Oberflächenbewohnern fern und führen ein abgeschiedenes Leben in strengen Traditionen, denen sich keiner wirklich entziehen kann. Das trifft auch auf den jungen Prinzen Erenwin zu, der als jüngerer Sohn eines Fürsten nicht viel zu lachen hat. Die Eltern distanzieren sich ohnehin von ihrem Nachwuchs und sein älterer Bruder nutzt jede Gelegenheit aus, um ihm deutlich zu machen, dass er der Erbe ist und Eri später sehen kann, wo er bleibt, denn in seiner Nähe dulden wird er ihn nicht. Die einzige Vertrauten sind seine Schwester Lurdéa und sein als verrückt geltender Onkel Turéor.
Aber auch die beiden können nichts unternehmen, als eine Kette von Ereignissen ihr Leben völlig auf den Kopf stellt. Alles beginnt damit, dass Erenwin in Tiefen herab taucht, die für die Nauraka eigentlich bereits als verbotene Zone gelten. Dort findet er eine schwarze Perle. Von da an hört er immer öfters in einem Kopf ein leises Flüstern, das ihn nicht mehr in ruhe lässt. Es öffnet ihm aber auch die Missstände, die in Darystis herrschen, da sein Vater schon lange keinen Widerspruch mehr duldet und Herz wie Augen vor dem Leid seiner Untergebenen verschlossen hat. Weil er sich den Geboten seines Vaters widersetzt, wird er verbannt und begleitet deshalb seine Schwester, als sie mit dem Herrn einer anderen Stadt verheiratet, nicht ahnend, dass dies nur Teil einer viel größeren Intrige ist, deren Schlüssel ihn langsam aber sicher zu verändern beginnt.
Man kann, muss die „Waldsee“-Saga aber nicht unbedingt kennen, um „Nauraka- Volk der Tiefe“ genießen zu können, denn Uschi Zietsch erzählt eine eigenständige Geschichte, die problemlos für sich stehen kann.
Einen großen Wert darauf legt sie, die Kultur und das Leben der Nauraka zu schildern und verliert dabei nicht aus den Augen, wie das Leben unter Wasser bestimmte Sitten und Gebräuche für uns fremd erscheinen lässt. Darüber vergisst sie aber auch nicht die Geschichte. Was zunächst wie eine simple Intrige wirkt, ist weitaus ausgefeilter als gedacht, denn sowohl der Fund der Perle als auch der Verrat des anderen Fürsten ist Teil eines viel größeren und perfideren Spiels. Gemeinsam mit den Geschwistern entdeckt auch der Leser erst nach und nach, was eigentlich Sache ist.
Das ist gut durchdacht, gerät nur auf den letzten Seiten etwas außer Kontrolle, als sie dann doch wieder zu viel Magie bemühen muss, um das Problem zu lösen, aber diese kleine Schwäche trübt das Lesevergnügen nur geringfügig. Alles in allem stimmt die Gewichtung von Beschreibung und Abenteuer. Beides ist sauber miteinander verwoben und lässt eine angenehme Atmosphäre entstehen, die Handlung ist ohne Längen.
Wie auch schon bei den „Waldsee-Chroniken“ erweisen sich die inneren Konflikte als mindestens so spannend wie die Abenteuer, die die jungen Helden bestehen müssen und bringen einem die Figuren sehr nahe.
Alles in allem ist „Nauraka – Volk der Tiefe“ vollblütige Fantasy, die nicht nur eine spannende Handlung, sondern auch lebendige, facettenreiche Figuren und eine wirkliche überzeugend geschilderte exotische Kultur bietet.