Noogies - Lenore Band 1
 
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Noogies

Reihe: Lenore Band 1

 

Rezension von Ingo Gatzer

 

Rezension:

“Noogie“ bezeichnet das schmerzhafte, aber zugleich spielerische Reiben von Fingerknöcheln auf den Kopf einer anderen Person und ist damit ein überaus geeignete Bezeichnung für dem vorliegenden Sammelband. Erstmals in deutscher Sprache sind bei Ubooks unter dem Titel Lenore: Noogies die ersten vier Ausgaben des Comics um das Mädchen Lenore erschienen. Der amerikanische Comicautor Roman Dirge hatte seine Figur nach eigenem Bekunden eigentlich nur erfunden, um den noch freien Platz in einem von ihm herausgebrachten Kunstmagazin über die Independent-Szene in San Diego zu füllen. Die Idee zu Lenore hat er geklaut. Denn die graphische Gestaltung des kleinen Mädchens entstand aus dem Gekritzel seiner damals dreijährigen Cousine. Ihren Namen entlehnte er passender Weise aus einer bekannten Kurzgeschichte von Edgar Allan Poe, des schriftstellerischen Meisters des Horrors und des Grotesken. Während das Magazin nach nur sechs Ausgaben die Segel streichen musste, avancierte das kleine Mädchen langsam aber stetig zum Kult. Jetzt auch in Deutschland?

 

Lenore ist eigentlich ein kleines süßes Mädchen. Dass sie tot ist, hat sich zwar etwas nachteilig auf ihr Aussehen ausgewirkt, hindert sie aber nicht in der Welt der Lebenden herumzulaufen. Die Kleine ist nicht wirklich bösartig. Sie will eigentlich nur spielen und der Weg zur Hölle ist halt mit guten Vorsätzen gepflastert. So sollten sich die Nachbarn denken können, dass Lenore nicht zum Babysitter taugt. Tun sie aber nicht und so nimmt das Unglück seinen Lauf, als Lenore nett wie sie ist, mit dem Kleinen Vögel füttern geht. Genauso ist es mit Mr. Gosh, der in Liebe für Lenore entbrannt ist. Die Kleine sorgt dafür, dass die Metapher Realität wird und gibt ihm zudem durch eine Rasenmäherüberfahrt zu verstehen, dass sie seine Gefühle nicht teilt. Doch das reicht ihm nicht, und wer nicht hören will, muss fühlen. Auch das bekannte Kinderspiel “Habe deine Nase“ sollte man mit dem kleinen, süßen, toten Mädchen vielleicht lieber nicht spielen.

 

Die kurzen Comicstrips über Lenore und ihre Freunde sind mit schwarzem Humor gerade zu getränkt und damit sicher nicht nach jedermanns Geschmack. Für Kinder ist es definitiv nicht geeignet, wenn Roman Dirge (Alltags-)Situationen überaus düstere und gleichzeitig spielerische, kindlich-naive Seiten abgewinnt. Doch die meisten Pointen sind nicht nur herrlich makaber, sondern auch absolut treffend.

 

Betrachtet man die simple Zeichentechnik versteht man sofort, warum man dem Autor bereits als Schüler erklärte, dass er es niemals zum professionellen Zeichner bringen würde. Doch die einfachen, teilweise an Kinderkritzeleien erinnernden Bilder machen gleichzeitig den Charme des Comics aus, da sie gerade durch den Kontrast zum bitterbösen Geschehen den besonderen Reiz der Geschichten ausmachen.

 

Das ganze Comic ist in Schwarzweiß gehalten, was aber zu seinem düsteren Ambiente passt, das aber immer wieder durch rabenschwarze Witze - in einer Geschichte ist das wörtlich zu lesen - durchbrochen wird, bei denen dem Leser manchmal das Lachen im Halse stecken bleibt. Einige Filme des Regisseurs Tim Burton, wie etwa Nightmare before Christmas, sind sichtlich durch die Optik von “Lenore“ beeinflusst.

 

Hervorzuheben ist neben der Leistung von Roman Dirge auch die gelungene Übersetzung aus dem Amerikanischen. Dies dürfte eine besondere Herausforderung dargestellt haben, da mehrere Comicstrips gleichzeitig als Gedichte konzipiert sind. Der schwierige Balanceakt zwischen Reim und Bewahrung des Wortsinns aus dem amerikanischen Originaltext gelingt dabei in beeindruckender Weise.

 

Man könnte an “Lenore: Noogies“ bemängeln, dass nicht alle Gags zünden, was besonders bei den - glücklicherweise wenigen - Geschichten der Fall ist, in denen nicht das kleine Mädchen, sondern nur einige ihrer Freunde auftreten, beispielsweise in der Story “Gequält“. Als Ausnahme von dieser Regel verdient aber “Das Mitsinglied“ explizite Erwähnung.

 

Fazit:

Lenore hat auch das Zeug im deutschen Sprachraum bei Freunden des schwarzen Humors zum Kultobjekt zu werden. Allen Comicfreunden, die nicht zu zart besaitet sind, sollten das kleine, süße, tote Mädchen bei einer Lektüre kennen lernen. Und keine Angst. Sie will nur spielen. Süß - bitterböse - gut.

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240416080530b2c6c504
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Comic:

Noogies

Reihe: Lenore Band 1

Autor und Zeichner: Roman Dirge

Lektorat: Franziska Köhler

gebundenen, 110 Seiten

Ubooks, Februar 2009

 

ISBN-10: 3866080999

ISBN-13: 978-3866080997

 

Erhältlich bei Amazon


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Erstellt: 14.04.2009, zuletzt aktualisiert: 11.04.2024 08:09, 8565