Observer – System Redux (PC)
 
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Observer – System Redux

Rezension von Cronn

 

Ich schleiche durch den abgeriegelten Wohnhauskomplex, während um mich die neuronalen Netzwerksstrukturen blinken. Auf meinem Weg hinaus auf den Hinterhof komme ich an Türen vorbei, die mit notdürftig zusammengeflickten Kommunikationsgeräten ausgestattet sind, deren Bildschirme wie Zyklopenaugen aussehen: einsam inmitten eines hölzernen Gesichts.

Plötzlich flattert eine Taube neben mir auf. Ich zucke kurz zusammen, bin überrascht, dass es solche Tiere überhaupt noch in dieser vergifteten Stadt gibt, wo es ständig regnet und die allermeisten Menschen in ihren desolaten Wohnungen dahinvegetieren.

Schließlich gelange ich an einen Mauerdurchbruch. Seltsam. Wer hat hier die Mauer gewaltsam gesprengt? Ich steige hindurch und befinde mich im Korridor einer Wohnung. Ein Schrank blockiert meinen weiteren Weg. Ich schiebe ihn zur Seite. Die Kleider darin schwanken auf ihren Bügeln hin und her gleich Menschen auf einem stürmischen Schiffsdeck.

Nach links geht es hinein ins Wohnzimmer, vorbei an mehreren Computerservern. Erschrocken bleibe ich stehen. Unter dem Fenster hockt eine Gestalt am Boden, den Kopf verdeckt von einem Vorhang. Davor – eine große Blutlache.

Vorsichtig nähere ich mich der Person, ziehe den Vorhang zurück und springe entsetzt zurück: der Mensch dort hat keinen Kopf mehr!

In meinem Hirn springen sämtliche Synapsen auf Alarmstufe Rot. Könnte es sein, dass dies mein Sohn ist? Nein, das darf nicht sein!

Sofort beruhige ich mich mit einer Dosis Schmerzmittel und untersuche den Ort des Verbrechens. Die ID-Karte des Toten verweist auf einen »H. N.«, als nicht mein Sohn Adam Lazarski. Gottseidank!

Aber ich muss weitersuchen und herausfinden, was hier gespielt wird. Denn ich bin David Lazarski, ich bin ein staatlicher Observer …

 

Observer – System Redux ist die Neuauflage des 2017 erschienenen Spiels Observer und stammt von dem polnischen Entwickler Bloober Team. Das Spiel wurde in einigen Bereichen erweitert, gamemechanisch umgearbeitet und grafisch aufgehübscht. Wie gelungen das Ergebnis ist, soll nachfolgend aufgezeigt werden. Wer sich lediglich für die Neuerungen des Games interessiert, möge direkt zu dem betreffenden Bereich vorspringen.

 

Hintergrund:

Bloober-Team hat sich vor allem durch das hervorragende Horrorgame Layers of Fear einen Namen gemacht. »Observer« war das nächste Spiel von ihnen und dementsprechend hoch waren die Erwartungen.

 

Das Game »Observer – System Redux« spielt vor dem Hintergrund einer dystopischen Zukunft. Nach einem Krieg hat sich in Polen eine neue diktatorische Ordnung herausgebildet. Sie basiert auf dem Wissen rund um Cyberaugmentierungen der Firma Chiron, womit die Bevölkerung ausgestattet und überwacht wird. Die Agenten des Staates sind die Observer, denen es möglich ist, in die Gedankenwelt von Menschen einzudringen.

 

Auf Basis dieses Hintergrunds spielt man in »Observer – System Redux« den Observer-Agenten Daniel Lazarski, der nach seinem Sohn Adam sucht. Auf dieser Suche wird er in einem Wohnblock eingeschlossen und auf eine Schnitzeljagd geschickt. Das führt ihn kreuz und quer durch das Haus und durch die Gedankenwelten seiner Bewohner.

 

Die Story ist das große Plus des Spiels und verbindet geschickt Transhumanismus-Ideen mit Horror-Mechaniken. Damit kann sie als sehr gelungen gewertet werden.

 

Gameplay:

Auf der Gameplay-Seite ist man in Ego-Sicht unterwegs und untersucht Computerterminals, liest Memos und Emails. Weiterhin hackt man sich in die Gedankenwelt von Mietern und sucht nach Hinweisen in den Wohnungen. Dazu öffnet man Schubladen und Schränke, nimmt Gegenstände in die Hand und dreht sie auf der Suche nach Hinweisen. Dazu verwendet man zwei verschiedene Sicht-Systeme: die elektromagnetische Sicht und die biologische Sicht. Sie sind Augmentierungen, die unterschiedliche Hinweise liefern. Während die elektromagnetische Sicht Dinge hervorhebt, die einen technischen Hintergrund haben, wie Motherboards und ID-Mixer, untersucht die biologische Sicht Substanzen und Organe wie Blut, Wunden und dergleichen. Auf diese Weise untersucht man Crime-Scenes und gelangt an Informationen.

 

Die Schnitzeljagd führt auch immer wieder in das Innere von Gedankenwelten. Hier kommt eine Schleichmechanik zum Einsatz. Der Spieler wird von Wesen verfolgt, vor denen er sich verstecken muss. Waffen gibt es keine. Die Mechanik erinnert an den Horrorhit Outlast, ist aber nicht so langwierig ausgearbeitet. Diese Szenen sind relativ kurz gehalten und überzeugen durch ihre Abwechslung. Mal ist man in einem Kornfeld unterwegs, mal schleicht man über ein Schlachtfeld, dann schleicht man in einem Großraumbüro umher und anschließend durch einen verfallenen Keller und ist intensiv und gelungen.

 

Was dem Spiel fehlt, sind tatsächliche Detektiv-Mechaniken. Nirgends gibt es ein Inventar, das man nutzen oder analysieren müsste, wie in den Sherlock-Holmes-Spielen. Das Gefühl, ein Ermittler zu sein, wird dadurch nur wenig ausgelotet.

 

Grafik und Sound:

Die Grafik von »Observer – System Redux« ist sehr gelungen. Der Detailgrad der Objekte ist sehr hoch und auch die Texturen sind hoch aufgelöst. Die Darstellung von Licht und Schatten überzeugt auf ganzer Linie. Was nicht vollauf gelungen ist, sind die Partikeleffekte und die Details des Regens. Ab und an übertreibt es »Observer – System Redux« auf DirectX-12 mit der Darstellung der neuronalen Netzwerke, die das Wohngebäude durchdringen.

 

Der Sound ist recht gut gelungen. Der 2019 verstorbene Schauspieler Rutger Hauer, bekannt als Roy Batty in dem SF-Kultklassiker Blade Runner, verleiht mit seiner knarrigen Stimme dem Observer Daniel Lazarski Leben. Allerdings wirkt er ab und an etwas wenig engagiert, gerade in besonders emotionalen Szenen. Auch die anderen Sprecher können meist überzeugen und der Hintergrundscore hat viel »Blade Runner«-Vibe.

 

Was ist neu?

»Observer – System Redux« ist eine aufgebohrte Variante des Spiels »Observer« und das wird schon in der ersten Szene deutlich. Nach einem neuen Intro-Video startet das Game mit hübscherer Grafik. Vergleicht man beide Varianten fallen einem eine deutlich höhere Texturendichte und eine weitere Sichtweite auf. Zudem wurden mehr Polygonen für viele der Objekte im Spiel verwendet. Auf DirectX-12 ist zu Beginn die Darstellung weniger überzeugend, da überfrachtet mit neuronalem Netzwerk-Geblinke.

 

Ein Hacking-Spiel für Türen wurde implementiert. Dies erweist sich als recht mau und wenig spannungsreich. Man kann es auch deaktivieren.

 

Gelungen hingegen sind die zusätzlichen Nebenquests. Es gibt drei weitere Quests, die man auslösen kann und die die Spielerfahrung bereichern. Zudem existiert ein Tribute an Rutger Hauer, das neu eingefügt wurde.

 

Die anderen Verbesserungen betreffen die Grafik- und Spieloptionen und sind positiv zu bewerten.

 

Fazit:

»Observer – System Redux« erfindet das Originalspiel nicht neu, aber intensiviert und verbessert die Erfahrung. Wer »Observer« noch nicht gespielt hat, sollte das nun unbedingt nachholen. Einen besseren Zeitpunkt hierfür gibt es nicht. Wer das Spiel schon kennt, sollte abwägen, wie gern er das Spiel gespielt hat. Er wird bei einem Neudurchlauf keine grundlegend andere Spielerfahrung erhalten, aber sinnvolle Ergänzungen und Verbesserungen.

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PC-Spiel:

Observer – System Redux

Bloober Team, 10. November 2020

 

Erhältlich bei: steam


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Erstellt: 20.11.2020, zuletzt aktualisiert: 24.03.2024 10:38, 19184