Oltre Mare (Brettspiel)
 
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Oltre Mare

Rezension von Matthias Oden

 

Im Gesellschaftsspiel Oltre Mare von Amigo schlüpft man in die Rolle eines venezianischen Händlers der Renaissance. Ziel: Am Spielende die meisten Ducati gesammelt zu haben. Der Weg dahin führt über das Kaufen der richtigen Waren, das Handeln mit Mitspielern und das geschickte Ablegen von Warenserien in den eigenen Frachtstapel. Denn nur, wer möglichst viele gleiche Warenkarten dort hintereinander am Spielende aufweisen kann, macht den größtmöglichsten Reibach.

Oltre Mare ist ein mittelkomplexes Spiel für bis zu 5 Spieler, doch ist der Ablauf des Spiels in der Theorie etwas kompliziert – jedenfalls komplizierter als er sich in der Praxis erweist.

Der aktive Spieler (der, der am Zug ist) überprüft zu Beginn jeder Runde sein Handkartenlimit, das durch die oberste Karte auf seinem Warenstapel gegeben ist; überzählige Karten müssen auf den eigenen Piratenstapel abgelegt werden und geben bei der Wertung Minuspunkte.

Ist dies erledigt, kann er mit seinen Mitspielern handeln: Entweder von diesen Warenkarten mittels Ducati kaufen oder gegen andere Warenkarten tauschen. Alternativ kann er diese auch vom großen Warenstapel kaufen, dies hat allerdings den Nachteil, dass er zu einem relativ hohen Preis nur Karten kaufen kann, von denen er nicht weiß, ob er sie gebrauchen kann (es wird verdeckt gezogen).

Anschließend beginnt seine Aktionsphase, in der der aktive Spieler eine bestimmte Kartenanzahl seiner Warenkarten ausspielen und auf seinen Warenstapel ablegen muss. Jede Warenkarte ist einer Warensorte zugehörig (Korn, Oliven, Tonwaren, Salz, Seide, Schriftrollen und Edelsteine) und besitzt eine zufällige Anzahl folgender Symbole: Ducati, Piratenflagge, Kartenstapel, Schiffe. Diese wirken sich beim Ablegen der Karten auf den Frachtstapel aus: Je mehr Ducati die Karten des Spielers aufweisen, desto mehr Ducati bekommt er in seine Kasse. Je mehr Piratenflaggen sie zeigen, desto mehr Karten bekommt er vom Frachtstapel auf seinen Piratenstapel. Je mehr Kartenstapel sie zeigen, desto mehr Karten bekommt er als neue Waren auf seine Hand. Für jedes gezeigte Schiff muss er seine Spielfigur um ein Feld auf der Mittelmeerkarte (dem Spielbrett) ziehen. Besitzt der Zielhafen einen Hafenmarker, nimmt er ihn an sich und spielt ihn in der nächsten Runde. Dies hat – je nach Hafenmarker – unterschiedliche Auswirkungen: Entweder darf er alle Piratenflaggen seiner ausgespielten Karten ignorieren, billiger Warenkarten einkaufen, bekommt mehr Ducati, darf mehr Felder segeln oder ähnliches.

Ist er damit durch, wird der nächste Spieler zum aktiven und durchläuft dieselben Phasen wie sein Vorgänger. Dies geschieht so lange, bis die letzte Warenkarte vom Frachtstapel genommen und die laufende Runde beendet ist.

 

Von Bedeutung beim Ausspielen der Warenkarten ist die Anzahl gleicher Waren hintereinander im eigenen Frachtstapel: 2 Oliven sind weniger Ducati wert als 4 usw. Dazu kommt, dass Edelsteine natürlich mehr wert sind als Tonwaren und man weniger Geld für Korn bekommt als für Schriftrollen. Jede Ware hat außerdem noch eine Maximumanzahl, über die hinaus keine weitere Wertsteigerung möglich ist – Bei Edelsteinen ist diese Grenze bereits bei 2 Warenkarten erreicht, bei Korn erst nach 5. D.h. hat man 6 Kornkarten hintereinander, bekommt man nur für die 5 die erhöhte Ducati-Summe, für die 6. gibt es nur den Preis einer einzelnen. Der Clou bei diesem System: Der eigene Frachtstapel ist unveränderbar – einmal abgelegte Karten können nicht wieder aufgenommen werden. Und da man jede Runde Karten abspielen muss, kann es vorkommen, dass man Warenkarten auf den Frachtstapel spielen muss, die einem eine Warenserie versauen. Und: Man darf den Warenstapel nicht an mehr anschauen, sieht stetst nur die oberste Karte. Wer also vergisst, welche Ware unter dieser liegt und wie viele gleiche Karten einander folgen, der hat mitunter ebensolches Pech, da er die falschen Waren abspielt.

Doch die Warenkarten sind nicht die einzige Möglichkeit, zu Geld zu kommen. Zusätzliche Ducati erhält man für das Einsammeln vieler Hafenmarker und für den Handel: Pro Handel bekommt der beteiligte passive Spieler (nie der aktive) ein Prestige-Plättchen. Und auch diese lassen sich versilbern.

Um herauszufinden, wer am meisten Ducati besitzt, gibt es bei Oltre Mare zwei Wertungen: Eine zufällige etwa in der Spielmitte (wenn eine bestimmte Karte vom Warenstapel gezogen wurde) und eine am Ende, die Schlusswertung.

 

Das alles hört sich komplizierter an, als es in Wirklichkeit ist. Die (optisch ansprechende) Spielanleitung ist zwar knapp, aber übersichtlich und lässt bezüglich des Spielablaufs keine Fragen offen.

Nun zum Wichtigen, zum Spielspaß: Von dem hat Oltre Mare eine ganze Menge. Es macht den großen Reiz des Spiels aus, im Großen und Ganzen selbst bestimmen zu können, welche Karten und wie viele man ablegt, ob und mit wem man handelt, welchen Hafenmarker man sich schnappt und so versucht, die Strategie für die nächste Runde zu bestimmen. Dabei müssen die Symbole auf den Warenkarten beachtet werden, will man nicht das Geld, das man später für die abgelegte Warenserie bekommen wird, nicht durch wahre Massen an Piratenkarten schon jetzt wieder verspielen! Durch das Handeln untereinander ist ausreichend Kommunikation zwischen den Mitspielern gegeben (aus diesem Grund macht Oltre Mare zu mehreren auch mehr Spaß als zu zwei), obwohl jeder Spieler für sich alleine zieht. Der unbekannte Zeitpunkt der Zwischenwertung sorgt für ein Unsicherheitsmoment, das irgendwie eingeplant werden will, und wenn man über Prestigeplättchen an Ducati kommen möchte, sollte man sich überlegen, ob man nicht vielleicht auch einmal einen an sich eher uninteressanten Handel abschließt.

 

Doch beim Handel liegt auch die größte Schwäche des Spiels: Die Feilschmöglichkeiten sind zu begrenzt. Wenn mir jede Tonware in einer Serie nur 3 Ducati einbringt, dann kann ich maximal 2 Ducati für eine ausgeben, um noch Gewinn zu machen. Korn und Oliven sind in der Wertung sogar nur 2 Ducati wert – hier dürfte man praktisch nur 1 Ducati für eine Karte zahlen, will man nicht ein Nullsummenhandel abschließen. Überlegt man sich dann noch, dass eine unbekannte Karte vom Frachtstapel 3 Ducati kostet, dann wird das Kaufen und/oder Handeln von Karten schnell zu einem finanziellen Drahtseilakt. Was oft dazu führt, dass Karten eher getauscht werden, als dass man für sie Geld hinlegt. Wären hier die Preise in der Wertung etwas höher, müsste man zwar mehr Geld in den Spielumlauf bringen, aber es gäbe mehr Möglichkeiten untereinander zu handeln und zu feilschen – und dies würde diese Spielphase dynamischer machen, da sich die passiven Spieler leichter unterbieten könnten, um das Prestige-Plättchen zu bekommen. Ein Chance auf Mitspieler-Gerangel, die leider nicht voll genutzt wurde.

Ansonsten aber funktioniert das Nebeneinander der verschiedenen Kreisläufe und Spielfaktoren schön flüssig. Oltre Mare ist eben nicht nur ein Spiel, in dem man möglichst viele der teuren Waren kaufen muss, um zu gewinnen. Man muss viel eher versuchen, möglichst homogene Warenserien auszuspielen, um letztlich höhere Punktzahlen zu kassieren. Durch den Piratenstapel, die eigenen Geldmittel, die Handelsgunst der Mitspieler und sicher auch durch Glück beim Kartenziehen wird das Spiel ungleich komplexer als beispielsweise Monopoly, bei dem das Ziel zwar das Gleiche ist (Geld machen), aber der Weg dorthin auf Dauer recht eintönig.

Der Spieleinstieg geht relativ flott: Spielbrett aufbauen, Karten mischen und verteilen. Fetig. Sind die Regeln nach ein, zwei Runden verinnerlicht, spielt sich Oltre Mare flüssig und ist gut innerhalb von 1 Stunde, anderthalb zu schaffen.

 

Übrigens: Durch die Hafenmarker hat es Amigo geschickt geschafft, aus einem eigentlichen Kartenspiel ein Brettspiel zu machen: Denn bis auf das Ziehen der Spielfigur, um Hafenmarker einzusammeln, läuft das Spiel komplett auf Kartenebene ab! Verzichtet man auf die Hafenmarker, ist zwar ein mitunter recht wichtiges Spielelement entfernt worden, aber Oltre Mare noch immer reibungslos spielbar! Das Spielbrett ist somit eigentlich „nur“ ein taktisches Schmankerl, das am eigentlichen Ablauf des Spiels nicht ändert!

 

Doch die Spielfiguren machen das mehr als wett, denn die Spielfiguren von Oltre Mare dürften wohl zu den hochwertigsten auf dem Spiele-Markt gehören. Keine Plastikhütchen oder ähnliches, nein, die Spielfiguren von Oltre Mare sind dreidimensionale Segelschiffe! Wer das TC-Spiel Pirates of the Spanish Main kennt, hat eine ziemliche genaue Vorstellung von der Machart der Spielfiguren von Oltre Mare: Die Segelschiffe sind nach dem gleichen Prinzip zusammenbaubar, nur bestehen sie aus hochwertigerem Kunststoff. Und auch der Rest des Spiels kann sich sehen lassen: Der farbige Spielplan (auf dem auch gleich die Geldsumme der Spieler angezeigt wird) ist zwar etwas schlicht, aber immer noch ansprechend. Dazu kommen 98 schön gestaltete Warenkarten, 1 Startspielerplättchen, 40 Prestige-Plättchen, 32 Hafenmarker, 5 Minus-Marker (für Schulden), 5 Holzwürfel (um den Vermögensstand auf der Geldleiste anzuzeigen) und 5 Übersichtskarten, die die Regeln in Kurzform beinhalten und über den Wert der Warenserien Auskunft geben. Für den Preis von um die 20 Euro bekommt man also einiges geboten.

 

Fazit: Oltre Mare macht Spaß. Mit seinem Schiffchen herumzuschippern, um Marker einzusammeln, mit den Mitspielern um benötigte Karten feilschen, sich merken, wie viele Warenkarten schon im Frachtstapel sind, und versuchen, den eigenen Piratenstapel klein zu halten – das alles zusammen ist spannend und kurzweilig. Taktik und Glück sind gut ausgewogen, die Aufmachung liebevoll und selten hochwertig. Wer ein unterhaltsames Gesellschaftsspiel sucht, das nicht zu komplex, aber auch nicht zu simpel gestrickt ist, kann ohne Reue oder Risiko zugreifen.

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024041917054702eb270b
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Oltre Mare

Verlag: Amigo Spiele

Spieldauer: ca. 60 Min

Spielerzahl: 2 bis 5

Altersempfehlung: 12 bis 99 Jahre

ASIN: B000BAN6VY

Erhältlich bei: Amazon

 


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Erstellt: 30.01.2006, zuletzt aktualisiert: 16.02.2018 17:50, 1815