Reihe: Der Schimpansenkomplex , Bd. 1
Rezension von Christel Scheja
Bei francobelgischen Science Fiction Comics hat man oft das Gefühl, das sowohl die Künstler als auch die Themen oftmals in den 1960ger Jahren stehen geblieben sind. Denn nicht wenige von ihnen erweisen sich als surreale Traumwelten voller abgedrehter Ideen, die aus einem Drogenrausch entnommen sein könnten und eher die zukünftige Seele der Menschen oder gehörige Gesellschaftskritik in Szene setzten, als eine handfeste Abenteuer-Geschichte zu erzählen.
Deshalb ist man um so erstaunter, wenn man Comics aus der Feder unserer westlichen Nachbarn in den Händen hält, die viele der Vorurteile Lügen strafen. Dazu gehört „Der Schimpansenkomplex“ von Richard Marazano und Jean-Michel Ponzio.
Im ersten Band „Paradoxon“ bergen die Taucher amerikanischen Kriegsschiffes, das im indischen Ozean kreuzt, im Jahr 2035 auf Befehl des Pentagons, eine seltsame Kapsel aus dem Meer. Diese sieht nicht nur so aus, als stamme sie aus den 60ger Jahren des vorigen Jahrhunderts, in ihm gibt es auch noch Leben.
Diejenigen, die sie öffnen, staunen nicht schlecht, denn die Männer behaupten keine anderen als Buzz Aldrin und Neil Armstrong zu sein, die ersten Menschen, die den Mond betraten. Doch kann man ihnen glauben? Schließlich sind die Männer dieser Mission sicher nach Hause zurück gekommen und wurden als Helden gefeiert.
So lässt man sie nicht frei, sondern bringt sie in eine streng geheime militärische Einrichtung, um sie und ihr Schiff genauer zu untersuchen. Denn etwas stimmt hier ganz und gar nicht.
Zu den Wissenschaftlern und Offizieren, die mit in die Untersuchung einbezogen werden gehört auch Helen Freeman. Eigentlich hatte sie die erste Marsmission betreuen sollen, diese wurde aber aus Kostengründen zurück gestellt. Und so hat sie die letzten Monate zusammen mit ihrer Tochter Sofia verbracht, trägt sich auch mit dem Gedanken, den Job bei der Nasa ganz an den Nagel zu hängen.
Doch nun kommt alles anders. Helen musst feststellen, dass die Männer die Wahrheit sagen und auch ihr Raumfahrzeug das selbe ist wie das, was 1969 in den Weltraum geschickt wurde. Als dann noch unvorhergesehene Dinge geschehen, gibt es kein Halten mehr. Das Geheimnis könnte die Erde bedrohen und muss ergründet werden. Nach einer Stippvisite auf dem Mond, die weitere Überraschungen bereit hält, ist klar – nun hat die Mars-Mission oberste Priorität.
Und Helen Freeman muss sich entscheiden – will sie sich diese Chance und damit den Traum ihres Lebens entgehen lassen, oder statt dessen die Liebe ihrer Tochter verlieren. Ist sie mehr Wissenschaftlerin oder mehr Mutter...
Ohne in mysteriösen Sphären abzudriften, erzählen Richard Marazano und Jean-Michel Ponzio eine geradlinige aber sehr spannende Geschichte, um ein Geheimnis, dass die Welt erschüttern könnte. Treffsicher hauchen sie der Paranoia der Regierungsstellen Atem ein, die einfach nicht glauben wollen, was sie sehen und dementsprechend misstrauisch und Skeptisch agieren.
Die Künstler vergessen darüber aber auch nicht die menschliche Seite ihrer Helden. Sie verfallen nicht in den üblichen Gefühlskitsch, sondern bleiben eher nüchtern und realistisch, wie man an den Szenen um Helens Tochter Sofia merkt, die sich die Aufmerksamkeit ihrer Mutter regelrecht erkämpfen muss und immer wieder auf ihr Recht pocht. Doch letztendlich ist sie die Verliererin.
Der Widerstreit von Helen Freemans Gefühlen als Mutter und Wissenschaftlerin ist gelungen und stimmig dargestellt. Letztendlich entscheidet sie sich für ihren Beruf, doch der Preis, den sie dafür zahlen wird ist jetzt noch nicht abzusehen. Statt dessen stürzt sie sich in ein Abenteuer, das im ersten Band mehr Fragen aufwirft als beantwortet und so neugierig auf die kommenden Bände macht.
Was steckt hinter den wieder aufgetauchten Astronauten und den Funden auf dem Mont. Und warum ist es nun so wichtig, sich den Mars genauer anzusehen?
Am Ende jedenfalls kann man die Fortsetzung gar nicht mehr erwarten. Das ganze ist in angemessen detailreiche und sehr realistisch wirkende Bilder mit natürlichen Farben umgesetzt.
Inhalt und Umsetzung sprechen für sich. „Paradoxon“, der erste Band der Reihe „Der Schimpansenkomplex“ straft sein Vorwort keine Lügen. Der Band weiß vor allem durch seine abwechslungsreiche und spannende Geschichte zu überzeugen, die unter die Haut geht und in den Bann schlägt.
Wenn man so neugierig auf eine Fortsetzung wird, dann sollte man sich diese auch nicht entgehen lassen, denn der Comic ist ein mehr als gelungener Science Fiction Thriller.