Peter Simpel von Frederick Marryat
Rezension von Ralf Steinberg
Rezension:
Frederick Marryat gehörte Mitte des 19. Jahrhunderts zu den erfolgreichen englischen Romanautoren, die mit unterhaltsamen Abenteuergeschichten nicht nur im Vereinigten Königreich begeisterte Leser fanden.
Der 1834 erschienene Roman Peter Simpel zählt zu seinen erfolgreichsten. Der Protagonist und Ich-Erzähler Peter Simpel wächst als jüngster Sohn eines Priesters auf. Sein Vater musste diesen Beruf gegen seine Neigung als jüngster Spross einer Adelsfamilie ergreifen. Peters Großvater ist Lord Privilege, Mitglied des Oberhauses und fest in die Strukturen der englischen Gesellschaft verwachsen. Das bedeutet, dass er sich um die Familie fernab von realen Chancen seinen Titel zu erben, nur gerade so im notwendigen Rahmen kümmert.
Und so wird der unbekümmerte und linkische Peter mit Vierzehn zur See geschickt. Seinem Stand entsprechend als Seekadett in die Offizierslaufbahn. Zwar bekommt er viele Ratschläge mit auf dem Weg, doch der gutgläubige Junge wird recht schnell zum Ziel derber Scherze und gemeinen Gaunereien, ohne jedoch ernsthaft zu Schaden zu kommen. So tritt er seinen Dienst auf der Diomede an. Auch hier wird seine Gutmütigkeit zunächst ausgenutzt, jedoch hat er das Glück, damit auch Wohlwollen zu erringen. Sein Freund wird der Bootsmaat O’Brien, der ihm zwar einige Lektionen einprügelt, aber letztlich dafür sorgt, dass Peter sich besser an Bord und im Leben zurecht findet.
Als Seekadett auf einem englischen Kriegsschiff erleben die beiden etliche Abenteuer. Peter wird verwundet und gerät mit O’Brien zusammen in französische Kriegsgefangenschaft, wobei sie nicht nur einen Namensvetter des Bootsmaates kennenlernen, sondern auch dessen Tochter Celeste. Bis zum erwartbaren Happyend durchleben wir mit Peter Familienintrigen, Seeschlachten, zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit, aber ebenso Freundschaft, Ehre und Liebe.
Frederick Marryat fuhr selbst zur See und etliche der Lebensstationen in Peters Lebensbericht finden sich auch in der Biographie Marryats. Daher wirken viele Details des Lebens an Bord eines englischen Kriegsschiffes sehr lebensecht, wenn auch an sehr vielen Stellen deutlich wird, das der Autor hier eigentlich ernsthafte Situationen durch das Beimengen von Klamauk und Humor deutlich zu entschärfen suchte. Vom brutalen Pressen in den Dienst, über blutige Bestrafungen bis hin zum Schlachten auf See, den Qualen der Kriegsgefangenschaft und den Zuständen in einer Heilanstalt für Geisteskranke, wird zwar alles erwähnt und zumeist auch genau beschrieben, durch Peters Gutmütigkeit und Naivität geraten sie nie zu einer unappetitlichen Sezierung finsterster Zustände. In vielen Szenen überspielt feiner Humor die Schrecken. Die Leserschaft sollte ja weiterhin frohen Mutes an die Marine und die Ordnung im Empire glauben.So überraschen denn auch immer wieder das perfekte Funktionieren von Verwaltung und Justiz, allerdings unter Berücksichtigung von Peters Stand, über den man als adelsloser Deutscher auch noch einiges lernen kann.
Als faszinierend stellt sich auch das Hohelied auf die Ehre dar, das in »Peter Simpel« gesungen wird. Die Regeln von Anstand und das Vertrauen in das Wort eines Ehrenmannes bilden wesentliche Handlungselemente, besonders im Umgang mit dem Kriegsgegner Frankreich. Die schlimmste Schlacht erscheint eher als ein sportliches Ereignis, bei dem man sich an allgemeine Regeln hält und sich hinterher bei einem Tee über das Geschehen freundschaftlich unterhält. Man hasst den Gegner nicht, sondern ehrt ihn in der Gewissheit, dass auch er nur seinen Treueeid einem Reich und König gegenüber erfüllt.
Damit verbunden ist die Erkenntnis, dass ehrenhaftes Verhalten sich irgendwann immer auszahlt. So baut Frederick Marryat diverse Figuren und Ereignisse ein, die zunächst für Peter wenig erfreulich sind und die ihn dann doch letztlich dafür belohnen, seinem Herz und seiner Ehre gefolgt zu sein. Diese positive und letztlich auch lebensbejahende Einstellung, die sich auch gegen Kleingeistigkeit und Gier wendet, macht »Peter Simpel« zu einem Abenteuerroman, der einem romantischen Heldenbild fest verbunden ist. Vielleicht deshalb erfreute er sich zu seiner Zeit auch unter deutschen Autoren größerer Beliebtheit.
Fazit
»Peter Simpel« von Frederick Marryat erzählt mit etlichen romantischen Verklärungen ein munteres Seefahrerabenteuer. Eine Reise in eine Zeit, da Ehre, Freundschaft und Mut zumindest im Roman noch reich belohnt wurden. Darüber hinaus ist »Peter Simpel« immer noch ein vergnüglicher Roman für alle, die beim Anblick eines Segelschiffes klopfende Herzen bekommen.
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