Physik der Superhelden (Autor: James Kakalios)
 
Zurück zur Startseite


  Platzhalter

Physik der Superhelden von James Kakalios

Rezension von Christian Endres

 

Wenn ich mich – mit Grauen, nostalgischen Anwandlungen und summa summarum ziemlich ambivalenten Gefühlen – an meine Schulzeit zurück erinnere, dann gab es vor allem drei Fächer, mit denen man mich jagen konnte: Mathematik, Chemie und Physik. »Physik der Superhelden« nun verbindet auf über 400 Seiten (445, um genau zu sein) diese drei für mich eher unangenehmen Dinge und vereint sie zu einem »hochphysikalischen« Ganzen. Zu Recht stellt sich manch einer nun also die Frage, was mich an so einem Buch reizt. Nun, die Antwort ist recht einfach: den Reiz machen die auf dem quietschgelben Titel versprochenen Männer und Frauen mit ihren bunten, engen Strumpfhosen aus, die von James Kakalios zum Anschauungsunterricht in Sachen Naturwissenschaften herangezogen werden und die Lektüre deutlich auflockern ...

 

Ein Professor der Physik als leidenschaftlicher Comicsammler ist in unserer heutigen Welt des Schubladendenkens ein kleines Kuriosum. Dass er seinem Hobby dann aber nicht nur im stillen Kämmerlein frönt, sondern die Superhelden-Universen von Marvel und DC auch noch in seinen Physik-Unterricht an der Universität einfließen lässt bzw. zu allem Überfluss auch noch ein Buch über seine Comic-Leidenschaft und deren Bezug zur Welt der Wissenschaft schreibt, ist wahrlich die Krone des Ganzen. Doch James Kakalios macht das alles ziemlich geschickt, indem er sowohl den wissenschaftlich Interessierten, als auch den Comic-Fanboy anspricht, sodass beide Seiten die andere tolerieren und hinnehmen, ohne pikiert die Nase zu rümpfen.

 

Das liegt nicht zuletzt an der gesunden Mischung aus Lehrbuch der Physik und Lehrstunde über Comics und deren Geschichte. Die Comichelden sind nämlich deutlich mehr als ein peppiger Aufhänger für diesen Titel. Sie sind – bis zu einem gewissen Grad – ein wichtiger Bestandteil vieler Lektionen, und so haben neben Superman, Spider-Man oder Flash auch Superboy, Magneto, Elektro, Ant-Man, Atom, Doktor Doom und andere große (und kleine) Helden und Schurken der beiden großen amerikanischen Superheldencomic-Verlage ihren Auftritt, um dem Leser die komplexen Gesetze der Atomphysik, das spannungsgeladene Verhalten der Elektronen oder das gegenseitige Wirken von Kräften näher zu bringen. Und spätestens wenn Flash, der rote Blitz, direkt auf den Leser zurennt und damit zugleich Einsteins berühmte Relativitätstheorie erklärt wird, dürfte zweierlei fest stehen:

 

a) Naturwissenschaften sind nur halb so uninteressant, wie uns die Physiklehrer das mit ihrem Katzenfell und ihrem Plastikstab Glauben machen wollen

 

b) Stan Lee, Jack Kirby, Joe Shuster und all die anderen Ikonen des Goldenen und Silbernen Zeitalters der Comicgeschichte waren – meistens zumindest – wahre Meisters ihres Faches und hatten, sei es nun aus Glück oder Wissen heraus, deutlich mehr Ahnung von den gültigen Gesetzen der Physik, als mein auf den ersten Blick meinen möchte.

 

Kakalios verspricht zu Beginn seines Buches, dass er sich, was Formeln und Abstecher in die Mathematik anbelangt, auf das Nötigste beschränken wird – und dankenswerterweise hält Professor K größtenteils Wort. Zwar sind manche Ausflüge in die Welt der kryptischen Gleichungen und Formeln nicht vermeidbar, wenn man sich ernsthaft mit dem physikalischen Hintergrund oder der naturwissenschaftlichen Plausibilität von Supermans Sprungkraft, Flashs Kalorienverbrauch (der natürlich in Hamburgern gemessen wird ...) oder der Frage, ob Ant-Man, geschrumpft auf Ameisengröße, einen Staubsaugerbeutel zerschlagen kann, beschäftigt.

 

So empfand ich es während des Lesens immer als Belohnung und Entspannung, wenn Kakalios im Laufe einer harten Physik-Lektion über Quantenmechanik und Paralleluniversen immer wieder die Pfade der Naturwissenschaften verließ und sich mehr den Superhelden, deren Geschichte, Autoren und natürlich physikalischen Merkmalen beschäftigte. Wie überall macht es auch hier die Mischung - und Kakalios hat seine Karten vorzüglich gemischt und auf dem Tisch ausgespielt.

 

Die Aufmachung des Hardcovers aus dem Hause Rogner & Bernhard, das es einmal mehr exklusiv im Vertrieb bei Zweitausendeins gibt, lässt keine Wünsche offen: eine wunderschöne typographische Gestaltung und Aufteilung, Original-Comicseiten (49 an der Zahl), ein sehr schöner Schutzumschlag, am dem Da Vinci seine Freude gehabt hätte, Lesebändchen – da bleibt nicht mehr viel offen. Ausführliche Anhänge (welche unter anderem die Übersetzungen der Originalcomicseite, eine Formelsammlung, Anmerkungen des Autors und Literaturhinweise aufführen) runden die Lektüre stimmig ab, sodass man gerne auch über den kleinen Schönheitsfehler auf dem Schutzumschlag hinwegsieht, wo unter dem Photo des Autors, der hinter einer Armee Comic-Action-Figuren steht, als Copyright-Hinweis Marvel angegeben ist, obwohl ein Teil der Figuren – z. B. Wonderwoman – klar aus dem DC-Lager entstammen (und bevor man mich nun als Erbsenzähler in der Luft zerreißt: Ich wollte wenigstens einmal das Gefühl haben, in Zusammenhang mit diesem außergewöhnlichen Buch oben auf zu sein und das letzte Wort zu haben ...)

 

Fazit: Ein Buch, dem man auf jeder Seite anmerkt, dass es mit viel Freude und Leidenschaft geschrieben worden ist und zwei Passionen des Autors zusammenführt. »Die Physik der Superhelden« ist ein hervorragendes Beispiel für die nicht weniger hervorragende Symbiose zwischen Hobby und Beruf. Ein populärwissenschaftlicher Ausflug in die Welt von Spider-Man, Superman, Flash, Iceman und Doktor Doom, aber eben auch Newton, Einstein und Schrödinger.

 

Zugegeben: Nicht alle physikalischen Zusammenhänge oder Formeln sind für den Physik-Laien, wie ich ihn verkörpere, auf Anhieb verständlich oder mit Leichtigkeit zu Lesen, doch entschädigen spätestens Kakalios’ Ausflüge in die Geschichte seiner – und unserer Comic-Helden – für diese manchmal etwas komplizierten, zähen Stellen.

 

Freunde der Comicliteratur (insbesondere natürlich der amerikanischen Superhelden-Kultur) sollten sich diesen Band auf keinen Fall entgehen lassen. Er macht Spaß, er schafft Wissen und er schafft Verständnis für die physikalischen Grundgesetze unserer Welt. Außerdem bietet er unterhaltsame, aber eben auch anspruchsvolle Lektüre in toller Verpackung.

 

Zugreifen!

 

 

Nach oben

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404231746103b98411c
Platzhalter

Physik der Superhelden

Autor: James Kakalios

Verlag: Rogner und Bernhard

Seitenzahl: 445

ISBN: 3807710183

Erhältlich bei: Zweitausendeins


Platzhalter
Platzhalter
Erstellt: 20.07.2006, zuletzt aktualisiert: 18.06.2022 17:35, 2573