Rezension von Ingo Gatzer
„Providence 3“ bildet den Abschluss von Alan Moores spielerischer Streifzug durch das Werk H. P. Lovecrafts und dessen kreative Neuinterpretation. Der Sammelband, den ein weiteres Mal Jacen Burrows zeichnerisch in Szene gesetzt hat, enthält die Einzelausgaben Providence 9 bis 12, die erstmals zwischen Mai 2016 und März 2017 erschienen. Im Zentrum der Geschichte steht zunächst wiederum der Zeitungsreporter Robert Black, der bei Recherchen für sein Buch in den 1920er Jahren mit dem von Lovecraft beschriebenen kosmischen Grauen konfrontiert wird, das in Neuengland lauert. Doch immer weniger kann Black seine Erlebnisse rational erklären oder auf seinen angespannten Zustand schieben. In der zweiten Hälfte des Bandes verschiebt sich der Fokus und es wird deutlich, dass das kosmische Grauen nicht auf die Vergangenheit beschränkt ist.
Zu Beginn entwickelt sich die Erzählung relativ gemächlich. Wieder einmal nimmt Black das Übernatürliche in seiner Umgebung nicht wahr oder relativiert es. Nach dem engeren Kontakt mit Lovecraft in Person nimmt die Story richtig fahrt auf und der Horror bricht herein. Doch nach der ersten Hälfte des Bandes verlässt Moore seine Hauptfigur und konzentriert sich auf die Folgen von Blacks Erlebnissen und den Werken von H. P. Lovecraft. Das hat eine zwiespältige Wirkung. Einerseits gibt es hier zahlreiche deutlichere und versteckte Referenzen zu den Werken des Einsiedlers von Providence zu entdecken. Moore beweist, dass er seine Vorlagen exzellent kennt, spielt gekonnt mit Versatzstücken und stellt teilweise interessante neue Bezüge her. Durch die Ausdehnung des Grauens auf die Gegenwart wirkt es zudem bedrohrlicher. Andererseits ändert sich die Tonalität so deutlich, dass ein regelrechter Bruch entsteht. Beginnt die Sammelband-Trilogie im Genre des kosmischen, phantastischen Horrors, so endet sie eher im Surrealen. Das wirkt nicht ganz stimmig, auch wenn man Moore für seinen Ideen- und Assoziationsreichtum loben muss. Dosiert setzt er zudem Szenen des Grauens ein. Wegen dieser und einiger sexueller Darstellungen erklärt sich auch die Altersempfehlung ab achtzehn Jahren. Bei Moores bekannter Technik, die Comic-Darstellung durch Tagebucheinträge von Robert Black zu ergänzen, zeigen sich ebenfalls Höhen und Tiefen. Während einige Passagen den Blickwinkel des Lesers erweitern und interessante Einblicke ermöglichen, sind andere leider nicht mehr als die Rekapitulation des zuvor Dargestellten und so redundant.
Der Zeichner Jacen Burrows bildet mit Comic-Legende Alan Moores wiederum ein eingespieltes Team. Vor allem bei dem Teil der Geschichte, die in den 1920er Jahren spielt, schafft er mit seinen Illustrationen eine passende Atmosphäre, durch die der Plot eine besonders Wirkung erhält. Sehr schön setzt er etwa in der ersten Geschichte die „Parallelwelt“ um. Auch das später kurz einbrechende Grauen gestaltet er sehr effektvoll. Zudem gestaltet er die meisten der phantastischen Wesen ansprechend. Jedoch ist ausgerechnet die Kreatur, der in der letzten Geschichte eigentlich die Hauptrolle zukommt, nur teilweise zu sehen und nicht in der Panelgröße zu bestaunen, die ihr eigentlich zukommt. Vielleicht möchte Burrows hier die Einzelheiten der Phantasie des Lesers überlassen. Ein Quäntchen Enttäuschung bleibt dennoch.
Fazit:
Providence 3 hinterlässt einen etwas zwiespältigen Eindruck, bei dem allerdings die positiven Momente überwiegen. Lovecraft-Fans, die bereit sind, für einige grandiose Sequenzen gewisse Längen in Kauf zu nehmen und keine Probleme mit Moores etwas surrealistischer Auflösung haben, erhalten – auch wegen der stimmigen Optik – ein gutes, aber kein meisterhaftes Werk, das zur Spurensuche in Lovecrafts Oeuvre einlädt.
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