Rezension von Christel Scheja
Belgische Krimiserien sind offensichtlich im Kommen, bieten sie doch neben der Aufklärung von Fällen auch jede Menge Drama, denn angepackt werden ebenso aktuelle wie brisante Themen. So basiert die zehn Folgen lange Serie „Public Enemy“ auf dem wahren Fall des Kindermörders Marc Dutroux. Die Serie lief offensichtlich nicht im Free TV aber auf Sky Atlantic und ist bei diversen Streamingdiensten zu finden. Und gibt es sie auch auf DVD von Polyband.
Zwanzig Jahre nach seiner Verurteilung wird der Mann, der fünf Kinder ermordet hat, wieder frei gelassen. Den Rest seiner Strafe soll er auf Bewährung in einem Kloster verbringen – ausgerechnet in der Nähe seiner Heimatstadt in den Ardennen, in der er auch die Morde begangen hat.
Natürlich regt sich Widerstand, denn keiner der Einheimischen ist begeistert davon, den „Killer“ wieder auf freiem Fuß und dann auch noch in der Nähe zu wissen.
Die Mönche, die ihn als Laienbruder bei sich aufnehmen sind ebenfalls gespalten und wissen nicht, was sie davon halten sollen, auch wenn Guy Béranger ruhig und freundlich auftritt. Aber man merkt schon, das etwas mit ihm nicht stimmt.
Mehr oder weniger zur Bewachung und Unterstützung wird dann auch noch die durch ihren letzten Fall traumatisierte Polizistin Chloé Muller an seine Seite gestellt, was zu weiteren Konflikten und Stress führt. Nur kurze Zeit nach seiner Ankunft verschwindet ein kleines Mädchen und wird Tage später tot aufgefunden. Alles deutet darauf hin, dass Béranger „es“ wieder getan hat.
Aber ist dem wirklich so? Chloé und Dorfpolizist Michael Charlier sind sich da nicht ganz so sicher und versuchen die Wahrheit herauszufinden. Doch wird ihnen das gelingen, ehe sich ein Lynchmob zusammenrottet?
Die Serie wartet nicht unbedingt mit brutalen Details und Action auf, aber sie ist dennoch spannend, denn die Macher konzentrieren sich bewusst auf die Menschen, die mit der Ankunft eines gefährlichen Verbrechers in ihrem Ort konfrontiert werden und entsprechend reagieren, sei es aus Furcht oder Wut, aber auch mit dem Kindermörder selbst, der geläutert zu sein scheint, so wie er auftritt, aber dennoch immer in Spuren das Verhalten besitzt, dass ihn erst zu einem Killer machte. Letztendlich bekommt der Zuschauer nach und nach auch, warum er so geworden sein könnte, und wie er selbst bei seinen Morden empfunden hat, auch wenn der Fokus natürlich auf seiner Umgebung liegt.
Interessant dabei ist, dass es keine Schwarz-Weiß-Zeichnung der Situation gibt. Auch die Bürger, die sich aufregen und etwas gegen den Mörder in ihrer Mitte unternehmen wollen, haben nachvollziehbare Argumente und Ängste, vor allem als wieder ein Kind stirbt. Genau so wie die Mönche, die bei aller Nächstenliebe – auch gegenüber schweren Sündern – durchaus menschliche Gefühle wie Ablehnung und Abneigung zeigen und nicht alle wie Heilige den Schuldigen offen in ihrer Mitte annehmen.
Um ein wenig Abwechslung zu bieten, bekommen natürlich auch die beiden Polizisten einen interessanten Hintergrund und Probleme, die sich ebenfalls mit ihrer Hauptsorge vermischen. Nach und nach entwickelt sich natürlich auch ein wenig zwischen den beiden, auch wenn das im Hintergrund bleibt.
Der Fokus liegt eindeutig woanders. Er wird sehr akribisch auseinander genommen, in welche Abgründe Menschen stürzen können, wenn sie von Angst und Abscheu beherrscht werden, wenn sie anfangen, den Mörder vielleicht sogar zu bewundern … auf jeden Fall wird genau das spannend umgesetzt und unterhaltsam beschrieben, auch wenn so gesehen nur selten etwas Aufregendes passiert.
Bild und Ton sind auch hier auf der Höhe der Zeit und geben die Atmosphäre der Serie sehr schön wieder. An Extras gibt es ein interessantes Making-of, das auch die Intention der Macher noch ein bisschen deutlicher heraus arbeitet.
Fazit:
Public Enemy ist keine Serie für den schnellen Genuss, die nur auf Action setzt, sondern das genaue Gegenteil davon. Die zumeist erstaunlich ruhigen Folgen arbeiten eine Situation auf, die Menschen gleichermaßen fasziniert wie auch polarisiert und fordert den Zuschauer auf, mit zu denken und zu urteilen. Denn sie spielt bewusst mit den Emotionen der Menschen, die mit einem „Monster“ in ihrer Mitte konfrontiert werden.
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