Pudel, Nerd & Nymphe – Games of Siggi von Dieter Wischnewski
Rezension von Ralf Steinberg
Verlagsinfo:
Wintersonnenwende irgendwo am Rhein. Eine Ente mit französischem Akzent. Eine Nymphe in der Gestalt eines Pornostars. Der Gott der Unterwelt gefangen im Körper eines Pudels. Ein kopfloser Daimon, der mit seiner Horde mordend durch die eisige Nacht zieht. Und ein abgebru?hter Kommissar, der glaubt, dass Siggi an allem Schuld ist. Dabei ist der nur ein kleiner, lüsterner Nerd mit zwei Doktortiteln, der leider den falschen Vater hat. Es ist Poseidon, der ein paar Schätze aus dem Olymp vermisst und Siggi deshalb in einen Krieg schickt, den der eigentlich gar nicht gewinnen kann.
Rezension:
Mühlenstedt ist ein kleines Provinzkaff und sollte einem Comic-Dozenten wie Doktor Doktor Siegfried Antiopus wenig Probleme bereiten. Doch es ist Wintersonnenwende – eine ziemlich energiereiche Zeit, zumindest für Spuke, Götter, Dämonen und dergleichen. Außerdem helfen auch die beste Normalo-Existenz und zwei Doktor-Titel recht wenig, wenn der Herr Vater der Wassergott Poseidon ist und mal schnell ein paar gestohlene Artefakte wiederbeschafft haben will. Mit sehr göttlich und nachdrücklich vorgetragenem Willen dazu.
Nun liegt Mühlenstedt am Rhein, der ja für ganz eigene Artefakte berühmt ist und deshalb geht bald auch um die Nibelungen, die Wilde Jagd mischt sich ein, da ihr Anführer gern seinen Kopf zurück haben möchte und die dabei massakrierten Menschen rufen die Spezialabteilung des BKAs auf den Plan. Doch Siggy ist nicht allein. Onkel Hades steht ihm hilfreich zur Seite. Nur dumm dass er ohne seine Hundemaske ein recht machtloser Pudel ist. Da ist die verlockende Nymphe Galateia schon von anderem Kaliber, immerhin ist sie auch Sängerin in einer dämonischen Metalband, deren Auftritt just auf dem berühmten Mühlstedter Festival stattfindet.
Eine ganze Menge Rabatz auf einmal also. Kein Wunder, dass die folgenden Stunden für Siggy alles andere als einfach werden …
Der Vergleich mit Percy Jackson von Rick Riordan ist geradezu zwingend. Der Sohn Poseidons lebt als Halbgott in der Gegenwart. Er kämpft für den Olymp gegen das Böse und zieht aus Wasser seine Kraft. Aber im Wesentlichen beließ Dieter Wischnewski es bei diesen Ähnlichkeiten. Pudel, Nerd & Nymphe – Games of Siggi ist kein Jugendbuch. Um dies zu verdeutlichen, gibt Dieter Wischnewski seinem Siggy eine recht umfangreiche Vita. Promotionen, Anstellung, wüste Abenteuer mit Göttern und anderen Wesen in der Vergangenheit, jede Menge Frauengeschichten und darüber hinaus ein umfangreiches Nerdtum.
Natürlich fließt auch jede Menge Blut, es gibt unappetitliche Tötungen, Folter, Anzüglichkeiten und Sex. Auch vermischt Dieter Wischnewski nicht allein die griechische Götterwelt mit dem Heute, er bedient sich auch der germanischen Mythologie und des Nibelungenliedes. Zum Teil etwas verschachtelt, meist aber sehr stringent, sodass man keine Mühe hat, dem Plot zu verfolgen, selbst wenn die Perspektive immer mal wieder zwischen Hades und Siggy wechselt.
Siggy darf während des Romans auch eine typische Figurenentwicklung durchleben. Bisher nutzte er seine Fähigkeiten hauptsächlich dazu, um Mädels aufzureißen und ansonsten ein sorgenfreies Leben zu führen. Doch als die Aufgabe sich als immer schwerer erweist, beginnt er nicht nur sein genetisches Erbe wirklich zu erfassen, er wird auch gezwungen, es anzunehmen, was ihn stärker als erwartet verändert. Physisch wie psychisch.
Hades hingegen wird nie so ganz rund in seiner Charakterisierung. Dieter Wischnewski trickst hier, indem er die Satire überhöht und seiner Figur ein starres Korsett an Klischees und Formeln anzieht. Dadurch erspart er sich eine göttlichere Darstellung und lässt Hades als Mensch mit Gotteskomplex auftreten. Das ist nicht ganz so witzig, wie etwa Siggys Auto, das mit einem französischen Spuk zu Charley verschmolz und Siggys Freund wurde. Eine echte Männerfreundschaft mit all ihren Tücken und Vorzügen.
Die Frauenfiguren stehen bei Dieter Wischnewski eher auf der Abschussliste. Die Nymphe Galateia, die Siggy als Ines Weiß nach Mühlstedt holte, strahlt dabei aber mehr als nur Sexappeal aus. Ihre Macht und ihr unbändiges Wesen stärken die gute Seite und füllen auch einige Ironieparts.
Der Ton des Romans ist auch fast durchgehend flapsig und auf skurrile Szenen hin geschrieben, ohne in Klamauk zu enden oder um Schenkelklopfer zu buhlen. Vielmehr entwickeln sich Witze aus Siggys Nerdtum, seiner Lebensart und dem Zusammenspiel der Figuren.
Siggy darf als Nerd auch jede Menge Anspielungen auf typische Filme und Serien ablassen, auch wenn sie nicht von allen Figuren verstanden werden, aber zu einer mentalen Verbrüderung mit der entsprechenden Leserschaft führen. Auch Satire darf alles und Dieter Wischnewski nutzt diesen Freibrief genüsslich aus, sehr zur Freude des entdeckungsfreudigen Genre-Fans.
Zum Schluss kommt es sogar zu einer epischen Schlacht und der blutige Weg führt direkt zu einem Fortsetzungstürchen. Man kann also gespannt sein, ob wir noch weitere Geschichten von Siggy zu Gesicht bekommen.
Das Cover stammt von Verlegerin Marion Alexa Müller und stellt Pdel-Hades und Galateia dar – eine passende Illustrierung.
Die Edition Drachenfliege beweist mit »Pudel, Nerd & Nymphe – Games of Siggi« von Dieter Wischnewski erneut Geschick in der Wahl ihrer Manuskripte.
Fazit:
»Pudel, Nerd & Nymphe – Games of Siggi« von Dieter Wischnewski ist eine rasante Actionfantasykomödie, die nicht nur frei in diversen Mythologien wildert, sondern sich auch hemmungslos und vor allem sehr lesbar bei diversen anderen Fantasy-Werken bedient.
Kein Buch für Zartbeseitete oder Spaßbremsen.
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