Rage against the Nähmaschine von Timo Mrazek
Reihe: GorillaDelphia® Band 1
Rezension von Ralf Steinberg
Verlagsinfo:
Auf der unwirtlichen Insel »MurrHardt« nahe den Untiefen von ZeraanKooch wird die entsetzlich zugerichtete Leiche eines Gasuhrenablesers gefunden.
Maloo Rulez, Oberhaupt des geheimen Pappinger-Ordens, setzt ihren besten Pappinger auf den Fall an.
Dieser wird jedoch auf dem Weg zur Arbeit vom Bus überfahren, und so übernimmt der unerfahrene Pappinger-Lehrling Ray Moron den Job.
Schon bald entwickelt sich der Fall zu einer atemberaubend gefährlichen Mission, die einige Nummern zu groß ist für Ray, denn er kommt einer Verschwörung auf die Schliche, die die völlige und absolute Vernichtung der menschlichen Rasse zum Ziel hat.
Rezension:
Im Bereich lustiger Fantasy ist Deutschland schon lange keine Wüste mehr. Die mediale Aufmerksamkeit mag sich zwar auf Walter Moers und im Fokus der Leser könnte die Scheibenwelt deutsche Phantastik weitgehend überdecken, aber dennoch ist sie da. Bunt und lebendig, man denke nur an Meuchelsänger - Das Auge des Chaos von Achim Hildebrand oder Kopfloser, Herzlose von Michael Erle
Eher unverhofft stieß ich dank Horst Illmer in der phantastisch! 48 auf Rage against the Nähmaschine von Timo Mrazek. Das im extra hierfür gegründeten Kleinverlag herausgebrachte Buch erschien bereits 2002 in einer ersten Fassung und bildet den Auftakt einer inzwischen auf fünf Bände geplanten Reihe mit dem epischen Namen GorillaDelphia®.
Dieser Kleinverlag gehört zwar dem Autor und wurde nur deswegen gegründet, es handelt sich bei den Büchern, insbesondere den Hardcover-Ausgaben jedoch um sehr hochwertige Bücher mit partiellem Drucklack und Prägungen, die sich von den in Times New Roman gesetzten, Microsoft-Word-designten Digitaldruck-Taschenbuch-Exemplaren eines herkömmlichen Selbstverlages doch stark unterscheiden, so Timo selbst über seine verlegerische Intention.
»Das mag jetzt ein wenig angeberisch rüberkommen, ist aber keinesfalls so gemeint. Aber auf die Qualität der Bücher an sich habe ich sehr viel Wert gelegt, was sich zwar auf einen überaus enormen Herstellungspreis niedergeschlagen hat, aber dennoch optisch und haptisch zu überzeugen weiß, wie ich finde. Der Leser soll ja auch was Anständiges bekommen für sein Geld.«
Und das bekommt er auch.
Die Welt von GorillaDelphia® ist schräg und haarscharf an unserer Realität vorbei getrudelt. Diverse Verfremdungen stürmen beständig auf den Leser ein. So zapft man sich Streichwurst anstelle eines Bieres und Styropor ist eher ein gefährliches Tier als willfähriges Verpackungsmaterial. Im Zusammenspiel mit unzähligen Sprachspielereien und Kalauern entwickelt sich ein irrwitziger Weltenbau, der das Lesen teilweise sehr anstrengend gestaltet.
Im Gegenzug bekommt man dafür aber auch eine abgefahrene Geschichte voller skurriler Einfälle. Die Humorbandbreite dürfte für jeden etwas bieten, wenn man bereit ist, jedem Scherz sein Plätzchen zu lassen. Für Sprachpuristen gibt es sogar eine Reihe kreativer Wortbildungen, die man entweder genießt oder verdammt. Aber wenn die Hauptfigur Moron heißt, muss man mit allem rechnen.
Die Handlung gestaltet sich eher konservativ. Ein fehlerbehafteter Agentenlehrling schlittert beim Lösen eines Standardfalles in seltsame Geschehnisse, die auf einen gigantischen Showdown hinauslaufen. Die verschiedenen Handlungsstränge sind fest miteinander verknüpft, wenn auch die Zusammenhänge erst nach und nach offenbart werden. Größere Überraschungen dürften dem erfahrenen Leser erspart bleiben, zumal der allwissende Erzähler mit dezenten Hinweisen nur so um sich wirft. Er tritt in Fußnoten sogar selbst in Erscheinung und rettet mit einem geschickt platzierten Skizzchen auch das Finale.
Klar, so etwas bieten andere Genre-Werke ebenfalls, aber Timo Mrazek serviert diese Gimicks mit Freude am Herumalbern und mit Geschick. Dazu gehören im Übrigen auch Datenblätter zu absonderlichen Geschöpfen und ein Zeitungsausschnitt, selbst eine Doppelseite mit Geräusch ist vorhanden.
Die mir vorliegende Taschenbuch-Ausgabe ist leider nicht perfekt. So ist der innere Rand so schmal, dass man dem Buch den Rücken brechen müsste, um es leichter lesen zu können. Auch fehlen hin und wieder Wörter, die in einer Nachauflage unbedingt wieder hineingeschlonzt werden sollten.
Jedoch trübt das den Spaß nur unwesentlich, man sollte also lieber zur gebundenen Ausgabe greifen, die zudem mit zusätzlichen Gimicks aufwartet.
Fazit
»Rage against the Nähmaschine« ist eine spaßige Lektüre für alle die schrägen Humor und Sprachwitz mögen und bereit sind, in eine Fantasywelt einzusteigen, die mit Mittelalter oder anderen langweiligen Settings nichts am Hut hat. So abgedreht kann deutsche Phantastik sein!
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