Ravencroft: Das Grauen hinter Gittern
Rezension von Ingo Gatzer
Rezension:
Bösewichte mit Superkräften sind offensichtlich mental ziemlich anfällig. Da deren zuverlässige Unterbringung nur an ausgewählten Orten gewährleistet ist, wurde das Ravencroft-Institut für geisteskranke Superschurken gegründet, das im Mittelpunkt des Sammelbandes Ravencroft: Das Grauen hinter Gittern steht. Nach der Zerstörung der Anstalt steht nun der Wiederaufbau an. Als Bürgermeister dafür verantwortlich ist ausgerechnet der berüchtigte Wilson Fisk alias Kingpin, der auch noch als vorläufiger Direktor fungiert. Angesichts dessen, was unter den Ruinen des alten Institutes immer noch lauert, und der von Fisk angeheuerten Mitarbeiter droht Schlimmes.
Während im DC-Universum die geistig gestörten Schurken im Arkham Asylum landen, ist bei Marvel die Anstalt Ravencroft deren bevorzugte Destination. Beide Einrichtungen umgibt dabei eine Aura des übernatürlichen Horrors, auf die bereits ihr jeweiliger Name verweist. So erinnert Ravencroft vom Klang an den Horror-Schriftsteller H. P. Lovecraft – wobei noch zusätzlich Edgar Allan Poes berühmtes Werk The Raven mitschwingt. Autor Frank Tieri benutzt Ravencroft nicht nur als Szenario für seine Geschichte, sondern stellt im Sammelband auch ausführlich die mehrere Jahrhunderte umfassende Historie des Ortes da. Genau dieser Blick mit zahlreichen Verweisen und seiner mystischen Grundierung macht einen besonderen Reiz des Sammelbandes, der insgesamt acht Geschichten umfasst, aus. So kreiert der – vor allem durch seine Arbeit an Venom bekannt gewordene – Autor durch die Schilderung der zahlreichen düsteren Katastrophen, die bereits auf dem Boden von Ravencroft stattgefunden haben, eine passende unheimliche Atmosphäre. Die Haupthandlung in der Gegenwart wirkt dagegen jedoch etwas unplaubsibel. Das beginnt beim ungewöhnlichen Personal sowie der mangelhaften Aufsicht über solch eine brisante Anstalt und reicht bis zu fehlenden Konsequenzen bezüglich bisheriger Entdeckungen. Zudem wirkt die endgültige Auflösung teilweise konstruiert.
Für die Bebilderung der einzelnen Geschichten sind gleich mehrere Künstler verantwortlich. Da sich deren Stil zum größten Teil ähnelt, entsteht ein harmonisches Gesamtbild. Besonderes Lob verdient sich Guiu Vilanova. Seine Zeichnungen sind nicht nur von einem stimmungsvollen Spiel von hellem Licht und düsteren Schatten geprägt. Auch die Mimik seiner Figuren – beispielsweise bei Cortland, dessen Gesichtsausdrücke plastisch seine innere Verfasstheit von Wut über Schock bis hin zum Wahnsinn widerspiegeln – weiß zu gefallen. Zudem beweist Vilanova ein Gespür für eindrucksvollen Perspektiven in seinen Panels. Bei dem Covern kann vor allem die Arbeit von Kyle Hotz für die Geschichte Ravencroft 1 überzeugen. Kein Wunder, dass sein Bild des aus Bodennebel emporragenden Ravencroft-Institutes, das vor einem blutroten Himmel förmlich auf Besucher zu lauern scheint, es auch auf das Titelbild des Sammelbandes geschafft hat. Etwas ärgerlich ist hingegen das Cover von Gerardo Sandoval für die Story Die Ruinen von Ravencroft: Sabretooth. Denn die Art der Darstellung ist nicht nur wenig innovativ, sondern hat auch mit der eigentlichen Handlung nur wenig zu tun.
Fazit:
»Ravencroft: Das Grauen hinter Gittern« bietet einen sehr stimmungsvollen – wenngleich nicht immer ganz plausiblen – Blick hinter die Mauern des Ravencroft-Institutes. Dabei ist besonders die Darstellung der Historie des Ortes gelungen. Eine stimmige Ergänzung zu der vorherrschenden düsteren Atmosphäre bilden dabei die fast durchweg guten bis hervorragenden Zeichnungen.
Nach oben
