Rohypnol (Autor: Andrew Hutchinson)
 
Zurück zur Startseite


  Platzhalter

Rohypnol von Andrew Hutchinson

Reihe: Heyne Hardcore

Rezension von Christian Endres

 

»Rohypnol ist der Versuch, einen Sachverhalt zu verstehen, den niemand näher untersuchen möchte«, schreibt Andrew Hutchinson im Nachwort zu seinem Roman. Dort bringt er auch die Story auf den Punkt: »Es ist die Geschichte eines gewöhnlichen Menschen, und wie er an und in [solch] eine Clique gerät und sich in der Rudelmentalität verfängt.« Sogar die Einschätzung der Wirkung seines Romandebüts auf den Leser gelingt Hutchinson ziemlich gut: »Der Roman ist grausam, drastisch und stößt den Leser vor den Kopf – doch beängstigender als alles ist, dass Rohypnol erschreckend real ist.«

 

Was Hutchinson nicht wissen kann, ist, dass sein Roman auch vorzüglich in Heynes Hardcore-Schiene passt. Hier ist nicht jeder neue Roman ein Treffer – aber mit Ketchum, Lansdale und Co. ist man doch auf der sicheren Seite, was gute, intensive Lektüren angeht. Andrew Hutchinsons Werk ist allerdings kein Splatterpunk und auch kein Horror, und auch wenn die Sprache drastisch und explizit ist und Vergewaltigungen vorkommen, sucht man Erotik oder wenigstens Porno ›vergebens‹. Dafür wirkt sein Rohypnol tatsächlich umso realer – erst Recht in Zeiten, da u. a. sinnlose Gewalt in der Öffentlichkeit und brutale Gewaltattacken von Jugendlichen gewissermaßen allgegenwärtig sind. Ein Thema, über das unermüdlich gesprochen wird, für das man aber keine schnelle und erst recht keine pauschale Lösung sieht (abgesehen von der Verdammung der üblichen Verdächtigen).

 

Ein aktuelles, brisantes Topic also, das Hutchinsons in einem wirklich schonungslosen – und, in seiner Konsequenz, wirklich traurigen - Roman verarbeitet hat. Sicher, gegen Ende hätte es der Geschichte gut getan, wenn Hutchinson nicht wie ein Derwisch in der Zeit wirbeln würde (wenn Hugh Jackmans Produktionsfirma, die sich die Rechte am Buch gesichert hat, sich wirklich an eine Verfilmung macht, wird hier Handlungsbedarf bestehen) – aber das nimmt dem Buch nichts von seiner Eindringlichkeit.

 

Wir blicken hinter die Fassade von Party und Drogen-Abschleppern, von vermeintlich anonymen Gruppenzwang, Opfern und verwöhnter Mitteklasse-Langeweile, der zunehmenden Enthemmung und, wie schon der im April verstorbene J. H. Ballard schrieb, Entfremdung und Entseelung der modernen Gesellschaft. Was wir sehen, gefällt uns nicht - vielleicht verstehen wir es nicht einmal auf rationaler Ebene. Aber wir blicken weiter und fragen uns, wie gefährlich die Welt, in der wir leben, wirklich ist. Hutchinson hat sich das nicht alles ausgedacht, und die Drogen/Abschlepp/Vergewaltigungs-Geschichte war vor ein paar Jahren lange genug in den Medien.

 

»Schlechte Menschen tun böse Dinge«, heißt es im recht flott durchzulesenden Roman und auf dessen Backcover. Dürfen gute Menschen dann böse Bücher über schlechte Menschen lesen?

 

Natürlich.

 

 

Nach oben

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240419202537bf5a23e0
Platzhalter

Rohypnol

von Andrew Hutchinson

Taschenbuch, 287 Seiten

Heyne, Juli 2009

ISBN: 3453675673

Erhältlich bei: Amazon


Platzhalter
Platzhalter
Erstellt: 26.07.2009, zuletzt aktualisiert: 27.02.2023 19:05, 9002