Sag Onkel (Autor: Greg F. Gifune)
 
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Sag Onkel von Greg F. Gifune

Rezension von Torsten Scheib

 

Rezension:

Herausgeber Frank Festa gibt es unumwunden zu: er hat einen Narren an den Büchern des US-Autoren Greg F. Gifune gefressen. Wer die beiden Vorgänger, Blutiges Frühjahr und Die Einsamkeit des Todbringers gelesen hat, der weiß auch warum.

Gifunes einzigartiger Stil balanciert vollendet zwischen morbider Faszination und abgrundtiefen Geheimnissen und Innenleben. Mit der Präzision eines Chirurgen und von einer unheimlichen Abenteuerlust angetrieben, dringt er in die schwärzesten Regionen der menschlichen Seele vor und analysiert mitunter Dinge, welche dem Leser auf verstörende Art und Weise vertraut vorkommen. Gleichwohl war es bislang nahezu unmöglich, den Blick abzuwenden; zu faszinierend, zu eindrucksvoll und zu wunderschön waren Gifunes bisherige Ausflüge in die Dunkelheit. Dabei verzichtet der Mann nahezu vollkommen auf den mitunter sehr blutigen Budenzauber der Konkurrenz sondern bezieht die ihn auszeichnende, packende Intensität praktisch ausnahmslos durch die Irrungen und Wirrungen seiner tragischen Protagonisten, welche sich durchweg aus dem Kosmos des „kleinen Mannes“ rekrutieren und eben aus diesem Grund so verdammt glaubwürdig erscheinen.

 

Sag Onkel besitzt ebenfalls diese nüchterne Working Class-Mentalität. Genau dort trifft der Leser auf die beiden Geschwister Andy und Angela DeMarco. Auch sie sind gebrochene Gestalten. Dabei war alles so verheißungsvoll gewesen – vor langer, sehr langer Zeit. Damals, als sie zu dem, zu ihrem Onkel aufblickten. Onkel, der stets für sie da war. Onkel, der jedes Unheil von ihnen abwendete. Onkel, der stets Geheimnisse mit sich trug.

Doch nun ist Onkel tot. Ermordet. Kopfschuss. Der Mörder? Unbekannt.

Aber Andy will sich damit nicht abspeisen lassen. Auch nach 20 Jahren weiß er nicht, wer sein Onkel in Wirklichkeit war. Also begibt er sich auf Spurensuche. Durchforstet Onkels Habseligkeiten und redet mit Onkels Freunden und Bekannten. Ohne es zu realisieren, hat Andy jedoch ein Portal in die Finsternis geöffnet. Nach und nach steigt er immer weiter in die Tiefe hinab, welche neben seiner auch die Vergangenheit seiner Schwester beinhaltet. Die Erinnerung an jenen Sommer, der alles für immer veränderte. Die Erinnerung an jene unaussprechliche Tat, welche Angela widerfahren war. Die Erinnerung an das vielleicht größte Geheimnis ihres Onkels …

 

Schonungslos beleuchtet Gifune in seiner dritten deutschsprachigen Übersetzung, unter welchen Umständen eine ganz normale Familie zerrissen werden kann – inklusive der unter die Haut gehenden Konsequenzen. Wenngleich der Erzähler Andy stets einen Schritt zurück ins Damals geht, so liegt sein Augenmerk klar in der Gegenwart. Seine Suche nach Antworten artet nämlich in eine persönliche Odyssee aus, an deren Ziel letztlich nicht unbedingt die ganze Wahrheit, aber das Verständnis für das eigene Dasein liegen kann. »Sag Onkel« mag sich wie ein Thriller lesen und ebenso anfühlen, allerdings ist es keiner. Erneut seziert Gifune dass zerrissene, hoffnungslose, ernüchternde Innenleben seiner durchwegs glaubwürdigen Darsteller. Ganz gleich ob es sich dabei um moralische Entscheidungen, Familienwerte, Liebe, Zorn oder Vertrauen handelt – Gifune setzt sich damit auseinander. Schonungslos und ohne Hemmungen. Somit ist »Sag Onkel« definitiv kein Roman, den man mal eben so nebenher lesen kann. Nach und nach wird ein faszinierendes, packendes und komplexes Geflecht gesponnen, welches dem Roman eine unglaubliche Stärke und anmutig tragische Note verpasst; steigt »Sag Onkel« in die Sphäre eines düsteren Kunstwerks empor, dessen Geist noch sehr lange vor dem geistigen Auge des Lesers schweben wird.

 

Fazit:

Auch Gifunes dritter Roman geht unter die Haut. Auf Zehenspitzen schleicht sich das, nur allzu reale Grauen von hinten an und hinterlässt eisiges Schaudern. Jede Seite dieses Romans kommt einem Schlag in die Magenregion gleich; besitzt aber dennoch eine melancholische Anmut, welche das Geschehen umso intensiver werden lässt. Ein packendes Meisterwerk von einem wahrlich einzigartigen Autor.

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240329162727c765e369
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Buch:

Sag Onkel

Orginaltitel: Saying Uncle

Autor: Greg F. Gifune

Übersetzerin: Sigrid Langhaeuser

Taschenbuch, 220 Seiten

Festa-Verlag, 1. November 2011

 

ISBN-10: 386552124X

ISBN-13: 978-3865521248

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 21.01.2012, zuletzt aktualisiert: 28.04.2022 15:14, 12348