taverne:kurzgeschichten:das_glück_saramees
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taverne:kurzgeschichten:das_glück_saramees [15.12.2011 00:55] – wanderer | taverne:kurzgeschichten:das_glück_saramees [25.06.2014 15:35] – [Das Glück Saramees] lapismont | ||
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====== Das Glück Saramees ====== | ====== Das Glück Saramees ====== | ||
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Autor: [[taverne: | Autor: [[taverne: | ||
- | **»I**n Saramee kann jeder sein Glück finden«, pflegte mein Vater stets zu sagen. Lange Zeit habe ich ihm nicht geglaubt, bis ich die Stadt mit meinen eigenen Augen sah... | + | sowie in der eBook-Reihe [[taverne: |
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+ | ===== Inhalt ===== | ||
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+ | Mel versprach seinem Vater auf dem Totenbett, in Saramee sein Glück zu finden. Doch dort findet er etwas ganz anderes … | ||
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+ | ===== Protagonisten ===== | ||
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+ | ===== Das Glück Saramees ===== | ||
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+ | »**I**n [[schauplätze: | ||
~~~ | ~~~ | ||
- | Sturm. Wellenschlag. Regen. Die Reise in die Stadt glich einem schier endlosen Albtraum. Ich glaube es war der dritte Tag, als ich mich endlich nicht mehr übergeben musste. Ich hatte einfach nichts mehr, dass ich hätte auskotzen können. Regen.\\ | + | Sturm. Wellenschlag. Regen. Die Reise in die Stadt glich einem schier endlosen Albtraum. Ich glaube es war der dritte Tag, als ich mich endlich nicht mehr übergeben musste. Ich hatte einfach nichts mehr, dass ich hätte auskotzen können. Regen. |
- | Endloser Regen. Und Sturm.\\ | + | |
- | Ich hasse Schiffe. Wenn ich gewusst hätte, was mich erwartete, hätte ich meinem Vater niemals geschworen, die Reise anzutreten. Doch auf dem Totenbett konnte ich ihm diesen Wunsch nicht abschlagen.\\ | + | Endloser Regen. Und Sturm. |
- | »Wann erreichen wir Saramee?«, fragte ich den Kapitän des Schiffes, wann immer ich ihn sah.\\ | + | |
- | Er schenkte mir dann jedes Mal nur sein unbezwingbares Grinsen, das er selbst im Angesicht des heftigsten Sturmes nicht ablegte. Vermutlich war er bereits auf dem kleinen Zweimaster, der Yolanta, geboren worden. Einen Vorsprung, den ich in den wenigen Tagen niemals aufholen würde.\\ | + | Ich hasse Schiffe. Wenn ich gewusst hätte, was mich erwartete, hätte ich meinem Vater niemals geschworen, die Reise anzutreten. Doch auf dem Totenbett konnte ich ihm diesen Wunsch nicht abschlagen. |
- | Kapitän Rejan erwies sich als tüchtiger Mann. Immer wieder hörte ich die Schauergeschichten von Piraten, die Schiffe versenkten und Besatzung sowie Passagiere über die Planke schickten. Doch Rejan schienen die Götter hold zu sein. Oder kein Pirat dieser Welt war verrückt genug im Herzen eines Sturms nach Beute zu suchen...\\ | + | |
- | »Dies ist das wahre Leben, Junge!«, lachte er. »Dein | + | »Wann erreichen wir Saramee?«, fragte ich den Kapitän des Schiffes, wann immer ich ihn sah. |
- | »Ich versuche mein Glück lieber mit festem Boden unter den Füßen«, erwiderte ich.\\ | + | |
- | Wieder dieses donnernde Lachen, das beinah lauter war als ein Sturm. »Nur hier erfährst | + | Er schenkte mir dann jedes Mal nur sein unbezwingbares Grinsen, das er selbst im Angesicht des heftigsten Sturmes nicht ablegte. Vermutlich war er bereits auf dem kleinen Zweimaster, der [[schauplätze: |
- | Ich mied den Schlafraum unter Deck so oft ich konnte, denn die stickige Luft, gemischt mit den Körperausdünstungen der übrigen Passagiere und Besatzung, | + | |
- | Eines Morgens beeilte ich mich an Deck zu kommen und erblickte Rejan wie üblich seitlich des Steuermanns. Der Kapitän begrüßte mich mit seinem breiten Grinsen und deutete mit der Linken in die Ferne. »Die Bucht von Saramee!«, rief er mir lachend entgegen.\\ | + | Kapitän |
- | Ich folgte der Richtung seines Armes und kniff die Augen zusammen. Saramee. Endlich.\\ | + | |
- | »Jeder macht sein Glück in Saramee«, hörte ich wiedermal die Worte meines Vaters.\\ | + | »Dies ist das wahre Leben, Junge!«, lachte er. »Hier hast du dein Schicksal selbst in der Hand. Nur Du und die See!« |
- | Schon die Einfahrt in Saramees gewaltigen Hafen raubte mir den Atem. Kriegsschiffe, | + | |
- | Ich blinzelte und eine einzelne Träne rann mir über die Wange – ob vor Freude, oder weil mir der Wind durchs Gesicht schnitt, ich weiß es nicht.\\ | + | »Ich versuche mein Glück lieber mit festem Boden unter den Füßen«, erwiderte ich. |
- | Rejan hatte die Segel einholen lassen und nun stakten sechs Matrosen das Boot durch das flache Hafenbecken auf einen freien Anleger zu.\\ | + | |
- | Der Kapitän kam auf mich zu und reichte mir Eimer und etwas, das wohl früher ein Besen war, heute aber mehr an ein kleines Holzbrett an einem Stiel erinnerte. »Deckschrubben«, | + | Wieder dieses donnernde Lachen, das beinah lauter war als ein Sturm. »Nur hier erfährst |
- | »Aber ich habe doch für die Überfahrt bezahlt?«, wunderte ich mich.\\ | + | |
- | »Sicher«, sagte er mit einem Nicken. »Aber für den Moment sollte es wenigstens so aussehen, als wärst | + | Ich mied den Schlafraum unter Deck so oft ich konnte, denn die stickige Luft, gemischt mit den Körperausdünstungen der übrigen Passagiere und Besatzung, |
- | »Oh, ich verstehe.« Bereitwillig nahm ich Eimer und Schrubber entgegen.\\ | + | |
- | »Das heißt: Ay, Kapitän!«, | + | Eines Morgens beeilte ich mich an Deck zu kommen und erblickte Rejan wie üblich seitlich des Steuermanns. Der Kapitän begrüßte mich mit seinem breiten Grinsen und deutete mit der Linken in die Ferne. »Die Bucht von Saramee!«, rief er mir lachend entgegen. |
- | »Ay, Kapitän«, entgegnete ich zögerlich. »Ein bisschen mehr Mumm würde dir nicht schaden, Junge«, lachte Rejan und ging zurück ans Steuerrad.\\ | + | |
- | Halbherzig schrubbte ich den Boden, ein Auge immer auf die Stadt gerichtet, den Ort, den mein Vater mir als Paradies auf Erden schilderte, und mein Herz hüpft | + | Ich folgte der Richtung seines Armes und kniff die Augen zusammen. Saramee. Endlich. |
- | »Saramee«, | + | |
- | Rejan beobachtete, | + | »Jeder macht sein Glück in Saramee, Mel!«, hörte ich wiedermal die Worte meines Vaters. |
- | Regenzeit.\\ | + | |
- | Der Kapitän hatte mir bereits während der Überfahrt mitgeteilt, dass wir zum Beginn der Regenzeit in Saramee einträfen. Die Sonne würde bald ihren Zenith erreichen und somit die neunte Stunde einläuten. Bald darauf, versicherte mir Rejan, würde es regnen.\\ | + | Schon die Einfahrt in Saramees gewaltigen Hafen raubte mir den Atem. Kriegsschiffe, |
- | Schon wieder.\\ | + | |
- | Eine gefühlte Ewigkeit später lag das Boot fest vertäut am Kai und ich verließ mit der Mannschaft das Schiff. Rejan blieb an Bord, er hatte keine Liebe im Herzen für Städte, oder Menschenmassen. Im Herzen jenes Mannes, mit dem unbezwingbaren Grinsen, dem unrasierten, | + | Ich blinzelte und eine einzelne Träne rann mir über die Wange – ob vor Freude, oder weil mir der Wind durchs Gesicht schnitt, ich weiß es nicht. |
- | »Jeder findet sein Glück«, verdrängte ich meine Zweifel und setzte einfach einen Fuß vor den anderen.\\ | + | |
- | Die breiten Straßen und die schmalen Gassen versetzen mich in bloßes Staunen. Niemals im Leben habe ich so viel Geschäftigkeit, | + | Rejan hatte die Segel einholen lassen und nun stakten sechs Matrosen das Boot durch das flache Hafenbecken auf einen freien Anleger zu. |
- | Hatte mich die Stadt noch durch ihre Schönheit in ihren Bann gezogen, so stieß mich der Laden durch seine Hässlichkeit ab. Eine kleine Kaschemme, vielmehr war es nicht. Der Schankraum ein einziges Halbdunkel aus dicken Holzpfeilern und verhangenen Fenstern. Es stank nach einer wilden Mischung aus Bier und Pisse, unmöglich zu sagen, was genau in den einzelnen Krügen verdunstete. Rußige Fettlampen tauchten den Raum in schwummriges Licht, das beinah so schmierig wirkte wie der Rest dieser Schänke.\\ | + | |
- | Die Hälfte der Anwesenden – Gäste wäre eine Übertreibung – klammerten | + | Der Kapitän kam auf mich zu und reichte mir Eimer und etwas, das wohl früher ein Besen war, heute aber mehr an ein kleines Holzbrett an einem Stiel erinnerte. »Deckschrubben«, |
- | Das Bild der Yolanta durchzuckte mich und seltsamerweise wünschte ich mich zurück an jenen Ort, wo Rejan mir ein wildes Grinsen schenkte und das Leben ein einziges Abenteuer schien.\\ | + | |
- | »Bestell’ was, oder verschwinde«, | + | »Aber ich habe doch für die Überfahrt bezahlt?«, wunderte ich mich. |
- | Draußen prasselte der Regen auf die Pflastersteine und die Luft des engen Raumes wurde von Minute zu Minute feuchter.\\ | + | |
- | Ich wollte mich gerade zum Gehen umwenden, als mein Magen mich lautstark zum Bleiben überredete. Vorsichtig wankte ich zur Theke – einer langen Schiffsplanke, | + | »Sicher«, sagte er mit einem Nicken. »Aber für den Moment sollte es wenigstens so aussehen, als wärst |
- | »Also, was willst’e?«, brummte mir der Wirt ein wenig freundlicher entgegen.\\ | + | |
- | »Essen«, sagte ich knapp, denn meine Aufmerksamkeit wurde von einer fetten Schabe angezogen, die gemütlich über die Theke spazierte.\\ | + | »Oh, ich verstehe.« Bereitwillig nahm ich Eimer und Schrubber entgegen. |
- | »Bist nich’ von hier, was?«, fragte der Mann und musterte mich aus seinen keinen Schweinsäuglein.\\ | + | |
- | »Nein«, antwortete ich geistesabwesend.\\ | + | »Das heißt: Ay, Kapitän!«, |
- | »Macht zwei Cil.«\\ | + | |
- | Erst jetzt wurde mir mein Fehler bewusst, aber es spielte keine Rolle, denn er wollte das Geld im Voraus sehen. Geld, das ich nicht besaß.\\ | + | »Ay, Kapitän«, entgegnete ich zögerlich. |
- | »Bist’n Bettler?«\\ | + | |
- | »Nein«, erwiderte ich bestimmt. »Ich bin bloß etwas knapp bei Kasse. Hier wird nicht zufällig ein Kammerjäger gesucht?«\\ | + | »Ein bisschen mehr Mumm würde dir nicht schaden, Junge«, lachte Rejan und ging zurück ans Steuerrad. |
- | Sein Gesichtsausdruck | + | |
- | Einige der Gäste blickten kurz über die Ränder ihrer Krüge zu uns herüber, rührten sich aber nicht. Dennoch, mich beschlich ein beklemmendes Gefühl, als würden die dreckigen Wände noch enger zusammenrücken. Der prasselnde Regen schien mir auf einmal sehr einladend.\\ | + | Halbherzig schrubbte ich den Boden, ein Auge immer auf die Stadt gerichtet, den Ort, den mein Vater mir als Paradies auf Erden schilderte, und mein Herz hüpfte |
- | »Jeder findet sein Glück in Saramee«, hallten die Worte meines Vaters erneut in meinen Ohren, doch es klang vielmehr wie ein Hohngelächter. Erst einen Tag hatte ich in der Stadt verbracht. Ich war bis auf die Knochen durchnässt, | + | |
- | In einer engen Seitengasse erblickte ich einen Stapel mit zersplitterten Brettern und löchrigen Kisten. Sollte dies meine erste Schlafstätte in einer Stadt werden, die ich als das Paradies wähnte?\\ | + | Rejan beobachtete, |
- | »Ich hatte es mir einfacher vorgestellt«, | + | |
- | »Ah, der Glanz der Träume«, sagte eine tiefe Stimme. Ich zuckte zusammen und sprang einen Satz nach vorn. Unbemerkt hatte sich jemand an mich herangeschlichen. Ein langer Mantel umhüllte den Mann und eine große Kapuze, die sein Gesicht verdeckte, schützte ihn zusätzlich vor dem Regen, der in langen Bindfäden vom Himmel fiel. In kleinen Rinnsalen bahnte er sich einen Weg über den gewachsten Mantel des Fremden, kristallinen Adern gleich, die über der Haut verliefen. »Verzeihung, | + | Regenzeit. |
- | »Ja ... nein ... es macht nichts«, stammelte ich vor mich hin.\\ | + | |
- | »Ich wurde auf deine Misere aufmerksam, junger Freund.« Die Vertrautheit, | + | Der Kapitän hatte mir bereits während der Überfahrt mitgeteilt, dass wir zum Beginn der Regenzeit in Saramee einträfen. Die Sonne würde bald ihren Zenith erreichen und somit die neunte Stunde einläuten. Bald darauf, versicherte mir Rejan, würde es regnen. |
- | Ich musterte ihn stirnrunzelnd und schwieg.\\ | + | |
- | »Ich war einst genau wie du«, fuhr der Fremde ungerührt fort. »Jung, fremd und völlig mittellos in Saramee gestrandet. Und dein jämmerlicher Anblick hat mich wieder daran erinnert.« Er deutete auf die Seitengasse: | + | Schon wieder. |
- | »Ja.«\\ | + | |
- | »Wäre nichtmal die schlechteste Wahl gewesen ... vorausgesetzt, | + | Eine gefühlte Ewigkeit später lag das Boot fest vertäut am Kai und ich verließ mit der Mannschaft das Schiff. Rejan blieb an Bord, er hatte keine Liebe im Herzen für Städte, oder Menschenmassen. Im Herzen jenes Mannes, mit dem unbezwingbaren Grinsen, dem unrasierten, |
- | »Ah, verzeih, ich kam ins Reden. Warte! Ich kann und will dir helfen«, beginnt er von Neuem. »Sieh, meine Zeit ist knapp bemessen. Ich bin ein Bote im Dienste des Stadtmeisters. Und er gab mir zwei Bündel, die ich ausliefern muss. Für den Lohn von zehn Bai.«\\ | + | |
- | »Das freut mich für Euch«, erwiderte ich und wandte mich zum Gehen, doch er hielt mich zurück.\\ | + | »Jeder findet sein Glück«, verdrängte ich meine Zweifel und setzte einfach einen Fuß vor den anderen. |
- | »Nun, heute Abend habe ich aber die Möglichkeit ein gar wundervolles Mädchen zu treffen, deren Blüte sich gerade erst geöffnet hat. Wenn ich beide Bündel ausliefern muss, werde ich es aber nicht schaffen.«\\ | + | |
- | »Das klingt nach einem harten Schicksal.« Ich bemühte mich um einen abweisenden Ton, doch er fuhr ungerührt fort: »Wenn du mir ein Bündel abnehmen würdest, könnte ich mein Mädchen sehen. Und wir würden den Lohn gerecht teilen, immerhin haben wir beide etwas davon.«\\ | + | Die breiten Straßen und die schmalen Gassen versetzen mich in bloßes Staunen. Niemals im Leben habe ich so viel Geschäftigkeit, |
- | »Und wer garantiert Euch, dass ich mich nicht mit dem Geld davonmache? | + | |
- | »Natürlich bräuchte ich eine Art Pfand von dir«, lachte er zurück. »Etwas, bei dem ich sicher gehen kann, dass es von großem Wert für dich ist.«\\ | + | Hatte mich die Stadt noch durch ihre Schönheit in ihren Bann gezogen, so stieß mich der Laden durch seine Hässlichkeit ab. Eine kleine Kaschemme, vielmehr war es nicht. Der Schankraum ein einziges Halbdunkel aus dicken Holzpfeilern und verhangenen Fenstern. Es stank nach einer wilden Mischung aus Bier und Pisse, unmöglich zu sagen, was genau in den einzelnen Krügen verdunstete. Rußige Fettlampen tauchten den Raum in schwummriges Licht, das beinah so schmierig wirkte wie der Rest dieser Schänke. |
- | »Ich habe nur diesen alten Kompass«, sagte ich und förderte ihn aus meiner Tasche. Eine kleine silberne Dose, in der ein Lilienförmiger | + | |
- | »Das klingt genau richtig!«, sagte der Fremde freudig.\\ | + | Die Hälfte der Anwesenden – Gäste wäre eine Übertreibung – klammerte |
- | Ich zögerte noch einen Moment. Ich kannte den Mann kaum, sollte ich ihm tatsächlich meinen wertvollsten Schatz anvertrauen? | + | |
+ | Das Bild der Yolanta durchzuckte mich und seltsamerweise wünschte ich mich zurück an jenen Ort, wo Rejan mir ein wildes Grinsen schenkte und das Leben ein einziges Abenteuer schien. | ||
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+ | In einer engen Seitengasse erblickte ich einen Stapel mit zersplitterten Brettern und löchrigen Kisten. Sollte dies meine erste Schlafstätte in einer Stadt werden, die ich als das Paradies wähnte? | ||
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+ | »Das klingt genau richtig!«, sagte der Fremde freudig. | ||
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+ | Ich zögerte noch einen Moment. Ich kannte den Mann kaum, sollte ich ihm tatsächlich meinen wertvollsten Schatz anvertrauen? | ||
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+ | »Einverstanden.« | ||
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- | »Gut, gut«, unterbricht mich der Richter. »Was geschah dann?«\\ | + | »Gut, gut«, unterbricht mich der Richter. »Was geschah dann?« |
- | Ich versuche mich gerade aufzurichten, | + | |
- | »Und Ihr hattet nicht einen Moment Zweifel an der Aufrichtigkeit dieses Fremden?«, unterbricht mich der Richter. »Nein«, antworte ich beschämt. »Ich war einfach nur überwältigt von seiner Freundlichkeit und dem Vertrauen, das er einem völlig Fremden entgegenbrachte.«\\ | + | Ich versuche mich gerade aufzurichten, |
- | Ein kehliges Lachen stiehlt sich aus dem Mund des Richters, das er mit einem vorgetäuschten Husten überspielen will. »Nun gut, Euer Geisteszustand steht hier nicht zur Verhandlung. Also, was geschah dann?«\\ | + | |
- | »Am Hafen wurde ich bereits von den Männern der Stadtwache erwartet«, berichte ich. »Die nahmen mich wegen Verdacht | + | »Und Ihr hattet nicht einen Moment Zweifel an der Aufrichtigkeit dieses Fremden?«, unterbricht mich der Richter. |
- | »Was ja auch zweifelsfrei bewiesen ist«, hakt der Richter ein. »In dem Bündel befanden sich gefälschte Zolldokumente, | + | |
- | »Das wusste ich aber nicht«, versuche ich zu erklären, doch der Richter wedelt nur aufgeregt mit der Hand.\\ | + | »Nein«, antworte ich beschämt. »Ich war einfach nur überwältigt von seiner Freundlichkeit und dem Vertrauen, das er einem völlig Fremden entgegenbrachte.« |
- | »Wenn ich diese Ausrede immer glauben würde, wären unsere Gesetze allesamt unnötig!«\\ | + | |
- | »Aber Ihr müsst mir glauben! Ich war erst an jenem Morgen in Saramee angekommen, ohne Geld oder Arbeit...«\\ | + | Ein kehliges Lachen stiehlt sich aus dem Mund des Richters, das er mit einem vorgetäuschten Husten überspielen will. »Nun gut, Euer Geisteszustand steht hier nicht zur Verhandlung. Also, was geschah dann?« |
- | »Das ist ein ganz anderes Problem, dazu kommen wir noch!«, unterbricht mich der Richter schon wieder.\\ | + | |
- | Ich spüre wie die Verzweiflung meine Füße umklammert, anwächst und mir langsam, eiskalt den Rücken empor kriecht. Man glaubt mir nicht – besser noch, man interessiert sich nicht für mich. Saramee ist gewaltig, riesig, ein schillernder Stern am Nachthimmel und ein sumpfiger Morast zugleich, begreife ich.\\ | + | »Am Hafen wurde ich bereits von den Männern der [[organisationen: |
- | Die Stimme des Richters reißt mich in die Gegenwart zurück: »Ich bekenne Euch schuldig dem Schmuggel Vorschub leisten zu wollen. Ihr seid kein Bürger Saramees. Ich kann nicht feststellen, | + | |
- | »Nein«, sage ich und versuche dem Richter in die Augen zu blicken. »Ich habe die Dokumente auch nicht gekauft.«\\ | + | »Was ja auch zweifelsfrei bewiesen ist«, hakt der Richter ein. »In dem Bündel befanden sich gefälschte Zolldokumente, |
- | »Ach, habt Ihr nicht? Und was ist mit diesem alten Kompass?«, erklärt der Richter. »Wer auch immer Euch dies Bündel gab, er hat sicherlich ein gutes Geschäft mit ihm gemacht.«\\ | + | |
- | »Aber kann man dann nicht herausfinden, | + | »Das wusste ich aber nicht«, versuche ich zu erklären, doch der Richter wedelt nur aufgeregt mit der Hand. »Wenn ich diese Ausrede immer glauben würde, wären unsere Gesetze allesamt unnötig!« |
- | Wieder dieses kehlige Lachen: »Wie? Aufgrund eines anonymen Hinweises? Oder weil er den Kompass unter der Hand an einen Sammler verkauft? Der Aufwand wäre einfach ungerechtfertigt.« Er macht eine lange Pause und schüttelt langsam den Kopf. »Und all das für einen Mann, der mittellos hier hausen würde? Einen Mann, den ich vermutlich zweimal pro Woche vor mir hätte, weil er beim Betteln aufgegriffen wurde? Ich spreche Euch schuldig. Und zur Strafe werdet Ihr als Sklave verkauft, auf ein Schiff oder an einen Händler, das ist mir gleichgültig. Auf diese Weise könnt Ihr der Stadt noch einen Dienst tun und etwas von den Kosten, die dieser ganze Prozess verursacht begleichen.«\\ | + | |
- | Ich will protestieren, | + | »Aber Ihr müsst mir glauben! Ich war erst an jenem Morgen in Saramee angekommen, ohne Geld oder Arbeit ...« |
- | »Den nehm’ ich«, ertönt eine vertraute Stimme und mein Herz macht – gegen meinen Willen – einen freudigen Sprung.\\ | + | |
- | »Zwölf Bai«, sagt einer der Wachmänner.\\ | + | »Das ist ein ganz anderes Problem, dazu kommen wir noch!«, unterbricht mich der Richter schon wieder. |
- | Ich werde aus dem Karren gezogen und vor dem Mann auf den Boden gestoßen. Man drückt ihm das Ende der um meinen Hals geschlungenen Kette in die Hand. »Gehen wir.«\\ | + | |
- | Ich folge mit gesenktem Blick, fühle mich aber so glücklich, wie schon lange Zeit nicht mehr.\\ | + | Ich spüre wie die Verzweiflung meine Füße umklammert, anwächst und mir langsam, eiskalt den Rücken empor kriecht. Man glaubt mir nicht – besser noch, man interessiert sich nicht für mich. Saramee ist gewaltig, riesig, ein schillernder Stern am Nachthimmel und ein sumpfiger Morast zugleich, begreife ich. |
- | An Bord des Schiffes nimmt er mir die Kette ab und bedenkt mich mit jenem unverwüstlichen Lachen, das mir seit meiner Ankunft in Saramee nicht mehr aus dem Kopf ging. »Du bist ganz schön auf die Schnauze gefallen, was, Junge?«\\ | + | |
- | Ich kann Rejan nicht in die Augen blicken, bringe aber ein Nicken zustande.\\ | + | Die Stimme des Richters reißt mich in die Gegenwart zurück: »Ich bekenne Euch schuldig, dem Schmuggel Vorschub leisten zu wollen. Ihr seid kein Bürger Saramees. Ich kann nicht feststellen, |
- | »Fein. Von heute an arbeitest | + | |
- | »In Saramee kann jeder sein Glück finden«, pflegte mein Vater stets zu sagen. Lange Zeit habe ich ihm nicht geglaubt. Vier Monate fahre ich nun unter Kapitän Rejan zur See.\\ | + | »Nein«, sage ich und versuche dem Richter in die Augen zu blicken. »Ich habe die Dokumente auch nicht gekauft.« |
- | Ich stehe vorn hinter der Bugspitze. Wasser und Gischt peitschen mir ins Gesicht, rauben mir den Atem.\\ | + | |
- | Rejan steht am Steuerrad und lacht dem Sturm verächtlich entgegen. Ich fühle mich frei.\\ | + | »Ach, habt Ihr nicht? Und was ist mit diesem alten Kompass?«, erklärt der Richter. »Wer auch immer Euch dies Bündel gab, er hat sicherlich ein gutes Geschäft mit ihm gemacht.« |
- | Und glücklich.\\ | + | |
- | Der mächtige Bug der Yolanta zertrümmert die Wellen in seinem Weg und wir trotzen dem Sturm.\\ | + | »Aber kann man dann nicht herausfinden, |
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+ | Wieder dieses kehlige Lachen: »Wie? Aufgrund eines anonymen Hinweises? Oder weil er den Kompass unter der Hand an einen Sammler verkauft? Der Aufwand wäre einfach ungerechtfertigt.« Er macht eine lange Pause und schüttelt langsam den Kopf. »Und all das für einen Mann, der mittellos hier hausen würde? Einen Mann, den ich vermutlich zweimal pro Woche vor mir hätte, weil er beim Betteln aufgegriffen wurde? Ich spreche Euch schuldig. Und zur Strafe werdet Ihr als Sklave verkauft, auf ein Schiff oder an einen Händler, das ist mir gleichgültig. Auf diese Weise könnt Ihr der Stadt noch einen Dienst tun und etwas von den Kosten, die dieser ganze Prozess verursacht, begleichen.« | ||
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+ | Ich will protestieren, | ||
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+ | »Den nehm ich«, ertönt eine vertraute Stimme und mein Herz macht – gegen meinen Willen – einen freudigen Sprung. | ||
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+ | »Zwölf Bai«, sagt einer der Wachmänner. | ||
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+ | Ich werde aus dem Karren gezogen und vor dem Mann auf den Boden gestoßen. Man drückt ihm das Ende der um meinen Hals geschlungenen Kette in die Hand. »Gehen wir.« | ||
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+ | Ich folge mit gesenktem Blick, fühle mich aber so glücklich, wie schon lange Zeit nicht mehr. | ||
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+ | An Bord des Schiffes nimmt er mir die Kette ab und bedenkt mich mit jenem unverwüstlichen Lachen, das mir seit meiner Ankunft in Saramee nicht mehr aus dem Kopf ging. »Du bist ganz schön auf die Schnauze gefallen, was, Junge?« | ||
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+ | Ich kann Rejan nicht in die Augen blicken, bringe aber ein Nicken zustande. | ||
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+ | »Fein. Von heute an arbeitest | ||
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+ | »In Saramee kann jeder sein Glück finden«, pflegte mein Vater stets zu sagen. Lange Zeit habe ich ihm nicht geglaubt. Vier Monate fahre ich nun unter Kapitän Rejan zur See. | ||
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+ | Ich stehe vorn hinter der Bugspitze. Wasser und Gischt peitschen mir ins Gesicht, rauben mir den Atem. | ||
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+ | Rejan steht am Steuerrad und lacht dem Sturm verächtlich entgegen. Ich fühle mich frei. | ||
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+ | Und glücklich. | ||
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+ | Der mächtige Bug der Yolanta zertrümmert die Wellen in seinem Weg und wir trotzen dem Sturm. | ||
»Danke, Saramee«, flüstere ich aufs Meer hinaus, »dass du mir gezeigt hast, woran mein Herz hängt.« | »Danke, Saramee«, flüstere ich aufs Meer hinaus, »dass du mir gezeigt hast, woran mein Herz hängt.« | ||
**- ENDE -** | **- ENDE -** |
taverne/kurzgeschichten/das_glück_saramees.txt · Zuletzt geändert: 05.03.2016 21:14 von 127.0.0.1