taverne:kurzgeschichten:das_glück_saramees
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====== Das Glück Saramees ====== | ====== Das Glück Saramees ====== | ||
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+ | Mel versprach seinem Vater auf dem Totenbett, in Saramee sein Glück zu finden. Doch dort findet er etwas ganz anderes … | ||
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+ | ===== Das Glück Saramees ===== | ||
»**I**n [[schauplätze: | »**I**n [[schauplätze: | ||
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Kapitän [[personen: | Kapitän [[personen: | ||
- | »Dies ist das wahre Leben, Junge!«, lachte er. »Du hast Dein Schicksal selbst in der Hand. Nur Du und die See!« | + | »Dies ist das wahre Leben, Junge!«, lachte er. »Hier |
»Ich versuche mein Glück lieber mit festem Boden unter den Füßen«, erwiderte ich. | »Ich versuche mein Glück lieber mit festem Boden unter den Füßen«, erwiderte ich. | ||
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Ich folgte der Richtung seines Armes und kniff die Augen zusammen. Saramee. Endlich. | Ich folgte der Richtung seines Armes und kniff die Augen zusammen. Saramee. Endlich. | ||
- | »Jeder macht sein Glück in Saramee«, hörte ich wiedermal die Worte meines Vaters. | + | »Jeder macht sein Glück in Saramee, Mel!«, hörte ich wiedermal die Worte meines Vaters. |
Schon die Einfahrt in Saramees gewaltigen Hafen raubte mir den Atem. Kriegsschiffe, | Schon die Einfahrt in Saramees gewaltigen Hafen raubte mir den Atem. Kriegsschiffe, | ||
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»Wäre nichtmal die schlechteste Wahl gewesen ... vorausgesetzt, | »Wäre nichtmal die schlechteste Wahl gewesen ... vorausgesetzt, | ||
- | »Ah, verzeih, ich kam ins Reden. Warte! Ich kann und will Dir helfen«, beginnt er von Neuem. »Sieh, meine Zeit ist knapp bemessen. Ich bin ein Bote im Dienste des [[organisationen: | + | »Ah, verzeih, ich kam ins Reden. Warte! Ich kann und will Dir helfen«, beginnt er von Neuem. »Sieh, meine Zeit ist knapp bemessen. Ich bin ein Bote im Dienste des [[organisationen: |
»Das freut mich für Euch«, erwiderte ich und wandte mich zum Gehen, doch er hielt mich zurück. | »Das freut mich für Euch«, erwiderte ich und wandte mich zum Gehen, doch er hielt mich zurück. | ||
- | »Nun, heute Abend habe ich aber die Möglichkeit ein gar wundervolles Mädchen zu treffen, deren Blüte sich gerade erst geöffnet hat. Wenn ich beide Bündel ausliefern muss, werde ich es aber nicht schaffen.«\\ | + | »Nun, heute Abend habe ich aber die Möglichkeit ein gar wundervolles Mädchen zu treffen, deren Blüte sich gerade erst geöffnet hat. Wenn ich beide Bündel ausliefern muss, werde ich es aber nicht schaffen.« |
- | »Das klingt nach einem harten Schicksal.« Ich bemühte mich um einen abweisenden Ton, doch er fuhr ungerührt fort: »Wenn du mir ein Bündel abnehmen würdest, könnte ich mein Mädchen sehen. Und wir würden den Lohn gerecht teilen, immerhin haben wir beide etwas davon.«\\ | + | |
- | »Und wer garantiert Euch, dass ich mich nicht mit dem Geld davonmache? | + | »Das klingt nach einem harten Schicksal.« Ich bemühte mich um einen abweisenden Ton, doch er fuhr ungerührt fort: »Wenn du mir ein Bündel abnehmen würdest, könnte ich mein Mädchen sehen. Und wir würden den Lohn gerecht teilen, immerhin haben wir beide etwas davon.« |
- | »Natürlich bräuchte ich eine Art Pfand von dir«, lachte er zurück. »Etwas, bei dem ich sicher gehen kann, dass es von großem Wert für dich ist.«\\ | + | |
- | »Ich habe nur diesen alten Kompass«, sagte ich und förderte ihn aus meiner Tasche. Eine kleine silberne Dose, in der ein Lilienförmiger | + | »Und wer garantiert Euch, dass ich mich nicht mit dem Geld davonmache? |
- | »Das klingt genau richtig!«, sagte der Fremde freudig.\\ | + | |
- | Ich zögerte noch einen Moment. Ich kannte den Mann kaum, sollte ich ihm tatsächlich meinen wertvollsten Schatz anvertrauen? | + | »Natürlich bräuchte ich eine Art Pfand von Dir«, lachte er zurück. »Etwas, bei dem ich sicher gehen kann, dass es von großem Wert für Dich ist.« |
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+ | »Ich habe nur diesen alten Kompass«, sagte ich und förderte ihn aus meiner Tasche. Eine kleine silberne Dose, in der ein lilienförmiger | ||
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+ | »Das klingt genau richtig!«, sagte der Fremde freudig. | ||
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+ | Ich zögerte noch einen Moment. Ich kannte den Mann kaum, sollte ich ihm tatsächlich meinen wertvollsten Schatz anvertrauen? | ||
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+ | »Einverstanden.« | ||
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- | »Gut, gut«, unterbricht mich der Richter. »Was geschah dann?«\\ | + | »Gut, gut«, unterbricht mich der Richter. »Was geschah dann?« |
- | Ich versuche mich gerade aufzurichten, | + | |
- | »Und Ihr hattet nicht einen Moment Zweifel an der Aufrichtigkeit dieses Fremden?«, unterbricht mich der Richter. »Nein«, antworte ich beschämt. »Ich war einfach nur überwältigt von seiner Freundlichkeit und dem Vertrauen, das er einem völlig Fremden entgegenbrachte.«\\ | + | Ich versuche mich gerade aufzurichten, |
- | Ein kehliges Lachen stiehlt sich aus dem Mund des Richters, das er mit einem vorgetäuschten Husten überspielen will. »Nun gut, Euer Geisteszustand steht hier nicht zur Verhandlung. Also, was geschah dann?«\\ | + | |
- | »Am Hafen wurde ich bereits von den Männern der Stadtwache erwartet«, berichte ich. »Die nahmen mich wegen Verdacht | + | »Und Ihr hattet nicht einen Moment Zweifel an der Aufrichtigkeit dieses Fremden?«, unterbricht mich der Richter. |
- | »Was ja auch zweifelsfrei bewiesen ist«, hakt der Richter ein. »In dem Bündel befanden sich gefälschte Zolldokumente, | + | |
- | »Das wusste ich aber nicht«, versuche ich zu erklären, doch der Richter wedelt nur aufgeregt mit der Hand.\\ | + | »Nein«, antworte ich beschämt. »Ich war einfach nur überwältigt von seiner Freundlichkeit und dem Vertrauen, das er einem völlig Fremden entgegenbrachte.« |
- | »Wenn ich diese Ausrede immer glauben würde, wären unsere Gesetze allesamt unnötig!«\\ | + | |
- | »Aber Ihr müsst mir glauben! Ich war erst an jenem Morgen in Saramee angekommen, ohne Geld oder Arbeit...«\\ | + | Ein kehliges Lachen stiehlt sich aus dem Mund des Richters, das er mit einem vorgetäuschten Husten überspielen will. »Nun gut, Euer Geisteszustand steht hier nicht zur Verhandlung. Also, was geschah dann?« |
- | »Das ist ein ganz anderes Problem, dazu kommen wir noch!«, unterbricht mich der Richter schon wieder.\\ | + | |
- | Ich spüre wie die Verzweiflung meine Füße umklammert, anwächst und mir langsam, eiskalt den Rücken empor kriecht. Man glaubt mir nicht – besser noch, man interessiert sich nicht für mich. Saramee ist gewaltig, riesig, ein schillernder Stern am Nachthimmel und ein sumpfiger Morast zugleich, begreife ich.\\ | + | »Am Hafen wurde ich bereits von den Männern der [[organisationen: |
- | Die Stimme des Richters reißt mich in die Gegenwart zurück: »Ich bekenne Euch schuldig dem Schmuggel Vorschub leisten zu wollen. Ihr seid kein Bürger Saramees. Ich kann nicht feststellen, | + | |
- | »Nein«, sage ich und versuche dem Richter in die Augen zu blicken. »Ich habe die Dokumente auch nicht gekauft.«\\ | + | »Was ja auch zweifelsfrei bewiesen ist«, hakt der Richter ein. »In dem Bündel befanden sich gefälschte Zolldokumente, |
- | »Ach, habt Ihr nicht? Und was ist mit diesem alten Kompass?«, erklärt der Richter. »Wer auch immer Euch dies Bündel gab, er hat sicherlich ein gutes Geschäft mit ihm gemacht.«\\ | + | |
- | »Aber kann man dann nicht herausfinden, | + | »Das wusste ich aber nicht«, versuche ich zu erklären, doch der Richter wedelt nur aufgeregt mit der Hand. »Wenn ich diese Ausrede immer glauben würde, wären unsere Gesetze allesamt unnötig!« |
- | Wieder dieses kehlige Lachen: »Wie? Aufgrund eines anonymen Hinweises? Oder weil er den Kompass unter der Hand an einen Sammler verkauft? Der Aufwand wäre einfach ungerechtfertigt.« Er macht eine lange Pause und schüttelt langsam den Kopf. »Und all das für einen Mann, der mittellos hier hausen würde? Einen Mann, den ich vermutlich zweimal pro Woche vor mir hätte, weil er beim Betteln aufgegriffen wurde? Ich spreche Euch schuldig. Und zur Strafe werdet Ihr als Sklave verkauft, auf ein Schiff oder an einen Händler, das ist mir gleichgültig. Auf diese Weise könnt Ihr der Stadt noch einen Dienst tun und etwas von den Kosten, die dieser ganze Prozess verursacht begleichen.«\\ | + | |
- | Ich will protestieren, | + | »Aber Ihr müsst mir glauben! Ich war erst an jenem Morgen in Saramee angekommen, ohne Geld oder Arbeit ...« |
- | »Den nehm’ ich«, ertönt eine vertraute Stimme und mein Herz macht – gegen meinen Willen – einen freudigen Sprung.\\ | + | |
- | »Zwölf Bai«, sagt einer der Wachmänner.\\ | + | »Das ist ein ganz anderes Problem, dazu kommen wir noch!«, unterbricht mich der Richter schon wieder. |
- | Ich werde aus dem Karren gezogen und vor dem Mann auf den Boden gestoßen. Man drückt ihm das Ende der um meinen Hals geschlungenen Kette in die Hand. »Gehen wir.«\\ | + | |
- | Ich folge mit gesenktem Blick, fühle mich aber so glücklich, wie schon lange Zeit nicht mehr.\\ | + | Ich spüre wie die Verzweiflung meine Füße umklammert, anwächst und mir langsam, eiskalt den Rücken empor kriecht. Man glaubt mir nicht – besser noch, man interessiert sich nicht für mich. Saramee ist gewaltig, riesig, ein schillernder Stern am Nachthimmel und ein sumpfiger Morast zugleich, begreife ich. |
- | An Bord des Schiffes nimmt er mir die Kette ab und bedenkt mich mit jenem unverwüstlichen Lachen, das mir seit meiner Ankunft in Saramee nicht mehr aus dem Kopf ging. »Du bist ganz schön auf die Schnauze gefallen, was, Junge?«\\ | + | |
- | Ich kann Rejan nicht in die Augen blicken, bringe aber ein Nicken zustande.\\ | + | Die Stimme des Richters reißt mich in die Gegenwart zurück: »Ich bekenne Euch schuldig, dem Schmuggel Vorschub leisten zu wollen. Ihr seid kein Bürger Saramees. Ich kann nicht feststellen, |
- | »Fein. Von heute an arbeitest | + | |
- | »In Saramee kann jeder sein Glück finden«, pflegte mein Vater stets zu sagen. Lange Zeit habe ich ihm nicht geglaubt. Vier Monate fahre ich nun unter Kapitän Rejan zur See.\\ | + | »Nein«, sage ich und versuche dem Richter in die Augen zu blicken. »Ich habe die Dokumente auch nicht gekauft.« |
- | Ich stehe vorn hinter der Bugspitze. Wasser und Gischt peitschen mir ins Gesicht, rauben mir den Atem.\\ | + | |
- | Rejan steht am Steuerrad und lacht dem Sturm verächtlich entgegen. Ich fühle mich frei.\\ | + | »Ach, habt Ihr nicht? Und was ist mit diesem alten Kompass?«, erklärt der Richter. »Wer auch immer Euch dies Bündel gab, er hat sicherlich ein gutes Geschäft mit ihm gemacht.« |
- | Und glücklich.\\ | + | |
- | Der mächtige Bug der Yolanta zertrümmert die Wellen in seinem Weg und wir trotzen dem Sturm.\\ | + | »Aber kann man dann nicht herausfinden, |
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+ | Wieder dieses kehlige Lachen: »Wie? Aufgrund eines anonymen Hinweises? Oder weil er den Kompass unter der Hand an einen Sammler verkauft? Der Aufwand wäre einfach ungerechtfertigt.« Er macht eine lange Pause und schüttelt langsam den Kopf. »Und all das für einen Mann, der mittellos hier hausen würde? Einen Mann, den ich vermutlich zweimal pro Woche vor mir hätte, weil er beim Betteln aufgegriffen wurde? Ich spreche Euch schuldig. Und zur Strafe werdet Ihr als Sklave verkauft, auf ein Schiff oder an einen Händler, das ist mir gleichgültig. Auf diese Weise könnt Ihr der Stadt noch einen Dienst tun und etwas von den Kosten, die dieser ganze Prozess verursacht, begleichen.« | ||
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+ | Ich will protestieren, | ||
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+ | »Den nehm ich«, ertönt eine vertraute Stimme und mein Herz macht – gegen meinen Willen – einen freudigen Sprung. | ||
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+ | »Zwölf Bai«, sagt einer der Wachmänner. | ||
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+ | Ich werde aus dem Karren gezogen und vor dem Mann auf den Boden gestoßen. Man drückt ihm das Ende der um meinen Hals geschlungenen Kette in die Hand. »Gehen wir.« | ||
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+ | Ich folge mit gesenktem Blick, fühle mich aber so glücklich, wie schon lange Zeit nicht mehr. | ||
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+ | An Bord des Schiffes nimmt er mir die Kette ab und bedenkt mich mit jenem unverwüstlichen Lachen, das mir seit meiner Ankunft in Saramee nicht mehr aus dem Kopf ging. »Du bist ganz schön auf die Schnauze gefallen, was, Junge?« | ||
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+ | Ich kann Rejan nicht in die Augen blicken, bringe aber ein Nicken zustande. | ||
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+ | »In Saramee kann jeder sein Glück finden«, pflegte mein Vater stets zu sagen. Lange Zeit habe ich ihm nicht geglaubt. Vier Monate fahre ich nun unter Kapitän Rejan zur See. | ||
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+ | Ich stehe vorn hinter der Bugspitze. Wasser und Gischt peitschen mir ins Gesicht, rauben mir den Atem. | ||
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+ | Rejan steht am Steuerrad und lacht dem Sturm verächtlich entgegen. Ich fühle mich frei. | ||
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+ | Und glücklich. | ||
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+ | Der mächtige Bug der Yolanta zertrümmert die Wellen in seinem Weg und wir trotzen dem Sturm. | ||
»Danke, Saramee«, flüstere ich aufs Meer hinaus, »dass du mir gezeigt hast, woran mein Herz hängt.« | »Danke, Saramee«, flüstere ich aufs Meer hinaus, »dass du mir gezeigt hast, woran mein Herz hängt.« | ||
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