Schattenstunde – Die dunklen Mächte von Kelley Armstrong
Reihe: Die Dunklen Mächte, Bd. 1
Rezension von Christel Scheja
Bisher verfasste Kelley Armstrong eher Romane für erwachsene Leser. Auch in Deutschland erschienen ihre Serie um die Werwölfin Elena Michaels und die Hexe Paige Winterbourne und fanden viele begeisterte Leser. Nun hat sie mit „Die Dunklen Mächte“ eine weitere Reihe eröffnet, die sich allein schon durch die Heldin bewusst an Teenager richtet.
Cloe ist bisher eine relativ normale Schülerin gewesen, wenn auch eine Außenseiterin, da sie ohne Mutter aufgewachsen ist, ihr Vater ständig unterwegs und sie selbst auch mit ihren fünfzehn Jahren noch nicht die Tage hat.
Und da ist noch etwas anderes, was sie selbst verwirrt – denn sie sieht hin und wieder Leute, die für die anderen nicht da sind und zudem auch noch grässlich aussehen – als seien sie bereits tot.
Ein Tag verändert alles. Es fängt damit an, dass sie mit seltsamen Schmerzen auf die Schultoilette geht und feststellt, dass sie überraschend ihre Tage bekommen hat. Schon kurz danach dreht sie fast durch, weil sie wieder eine Gestalt sieht, die nicht da sein dürfte. In ihrer Panik greift sie einen Lehrer an und landet im Krankenhaus.
Da man nicht sicher ist, dass sie wirklich gesund ist, soll Cloe nachdem sie aus der Klinik entlassen wird, zur Beobachtung in ein Sanatorium geschickt. Das sogenannte „Lyle House“ ist eine besondere Einrichtung, die sich auf psychisch gestörte Jugendliche spezialisiert hat.
Freundlich aber bestimmt setzt man Cloe dort zu und versucht ihr klar zu machen, dass die Visionen von Toten nur Einbildungen ihres kranken Geistes sind und sie eigentlich unter Schizophrenie leide.
Doch es sind ausgerechnet die anderen Jugendlichen, die sie zunächst auch als seltsam und gestört empfunden hat, die sie darauf bringen, dass ihre Wahrnehmungen tatsächlich echt sind. Vor allem Simon zeigt ihr, dass sie nicht krank ist, sondern nur paranormal begabt, wie sie alle.
Und mit diesem Wissen nimmt Cloe immer mehr von dem wahr, was um sie herum geschieht und erkennt, dass das „Lyle House“ ebenso wie die Menschen, denen sie bisher vertraut hat, düstere Geheimnisse hüten...
Wie schon in ihren Erwachsenenromanen setzt Kelley Armstrong auch in ihrer neuen Reihe auf eine sehr lebensnahe und glaubwürdige Darstellung von Cloe und ihrer Umgebung. Auch wenn es natürlich ein amerikanisches Umfeld ist, so kann man sich das Setting doch sehr gut vorstellen und nachvollziehen. Die Figuren agieren sehr realistisch, da die Autorin Übertreibungen vermeidet. Auch Cloes Visionen kommen eher schleichend, als dass sie melodramatisch angekündigt werden. Interessant ist die Darstellung vieler „Visionen“ – manche der Toten sind froh, endlich jemanden gefunden zu haben. dem sie ihr Leid klagen können, andere begreifen noch gar nicht so recht, dass sie tot sind, andere wollen eigentlich nicht gestört werden und ganz wenige werden zu einer wahren Hilfe für Cloe und ihre Freunde.
Zusammen mit der Heldin entdeckt auch der Leser die Welt des Übersinnlichen in kleinen Schritten. Immer wieder gibt es keine Andeutungen, die neugierig machen und so konstant die Spannung aufrecht erhalten. Man fühlt und zweifelt mit der Heldin, auch wenn man ihrem Alter schon lange entwachsen ist, da sie sehr ernst und aufmerksam bleibt. Allein der fiese Cliffhanger am Ende macht wütend, hier hätte man sich doch einen etwas runderem Abschluss gewünscht.
Besonders angenehm ist, dass die Autorin eine sehr eigenständige Geschichte erzählt, die nicht nur wieder Klischees wiederkäut, sich dabei auch moderner Sprache, Technik und Bilder bedient und so eine sehr abwechslungsreiche Geschichte schafft. Was die Romantik angeht, so knistert es zwar etwas zwischen Cloe und den Jungs, aber noch haben die Figuren nichts Konkretes im Sinn.
Das macht „Schattenstunde“ zum gelungenen Auftakt der Serie „Die dunklen Mächte“. Der Roman bietet sympathische Figuren, eine abwechslungsreiche Handlung und sehr viel Spannung, auch wenn das Buch mit einem Cliffhanger endet und vermeidet sehr viele von den Klischees, die die Dark Fantasy derzeit durchziehen.
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