Sentient: Kinder der K.I.
Rezension von Ingo Gatzer
Zu Beginn des 22. Jahrhunderts hat sich die Situation auf der Erde so sehr zugespitzt, dass das Überleben der Menschheit akut gefährdet ist. Einen Ausweg bieten Kolonieraumschiffe, die Siedler auf weit entfernte Planeten bringen und ihnen hier einen Neuanfang ermöglichen sollen. Eines dieser Schiffe ist die U.S.S Montgomery, die im Jahr 2105 Familien zu ihrer neuen Heimat bringen soll. Doch dann kommt es zu einer Katastrophe, durch deren Folgen die Kinder an Bord bald fast ganz auf sich allein gestellt sind. Ihnen zur Seite steht nur VALARIE, die künstliche Intelligenz der U.S.S Montgomery. Doch können die Kinder ihr und sich selbst vertrauen? Zudem lauern im Weltall noch ganz andere Gefahren.
Der Autor von Sentient: Kinder der K.I. ist Jeff Lemire, der vor allem durch seine Arbeit an Descender und Sweet Tooth bekannt geworden ist und bereits einen Eisner Award gewinnen konnte. Der Kanadier erzählt eine ansprechende dystopische Story, die nicht nur spannend ist, sondern zudem emotional unter die Haut geht. Auch wenn Kinder zu den zentralen Protagonisten zählen, ist sie eher für ein älteres Publikum gedacht. Das es zu einer Katastrophe kommen wird, deutet bereits der Anfang der Geschichte an, auch wenn diese sich danach zunächst wieder der trügerischen Sicherheit an Bord der U.S.S Montgomery widmet. Unter der Handlungsoberfläche diskutiert Jeff Lemire gekonnt diverse Fragen – etwa bezüglich des Konzepts der Mutterschaft sowie der Grenzen und Menschlichkeit von künstlicher Intelligenz. Denn auch VALARIE wirkt letztlich wie ein Kind, das aber gleichzeitig Mutter sein muss und sich mitten in ihrer eigenen Entwicklung befindet.
Für die Bebilderung des Comics ist Garbiel Walta verantwortlich. Der in Spanien lebende Künstler hat bisher unter anderen an der mit dem Eisner Award ausgezeichneten Serie Vision gearbeitet. Für »Sentient: Kinder der K.I.« liefert er stimmungsvolle Bilder, die besonders dann überzeugen, wenn er die emotionalen Reaktionen seiner Figuren auf Ausnahmesituationen ausdrucksstark zeigt. Zudem variiert er gekonnt Einstellungen, Perspektiven und Panelgrößen um die Wirkungen seiner Bilder zu vergrößern. Ein besonderes Ausrufezeichen setzt er etwa mit einem einzigen Panel, das sich über zwei Seiten erstreckt und eine tragische Szene förmlich einfriert. Sein Zeichenstil ist allerdings insgesamt etwas gewöhnungsbedürftig, wobei vor allem die futuristische Technik – beispielsweise die etwas uninspiriert wirkende Darstellung der Raumschiffe des 22. Jahrhunderts – visuell nicht besonders beeindruckt.
Fazit:
Die völlig zurecht für den Eisner Award 2020 (»Best Limited Series«) nominierte Graphic Novel »Sentient: Kinder der K.I.« erzählt eine packende und vielschichtige Geschichte für ein eher erwachsendes Publikum. Auch die Panels dazu sind ansprechend und stimmungsvoll geraten, ihre Stilistik ist aber etwas gewöhnungsbedürftig.