Die komplette Cartoon-Serie auf DVD
Rezension von Christian Endres
Mit Marvels Silver Surfer ist das so eine Sache: Stan Lee und Jack Kirby – die üblichen Verdächtigen also – ließen ihn auf den Seiten der Fantastischen Vier-Comics zunächst als Mischling aus unbesiegbarem Schurke und tragischem Held debütieren, genauer gesagt als Herold des gigantischen Weltentöters und –verschlingers Galactus (in animierter Form s. DVD 2 der ersten Fantastic Four-Staffel). Bald schon war jedoch klar: Der vermeintlich übermächtige, da mit der Macht seines schrecklichen Herrn ausgestattete silberne Surfer aus dem Weltall ist nicht nur ein depressiver Bote eines dunklen, noch viel mächtigeren Tech-Gottes – er hat unter der silbernen Hülle auch ein gutes, gebrochenes Herz. Mit seinem Schicksal ist außerdem eine höllisch traurige Geschichte verknüpft – die von Norrin Radd nämlich, der nur deshalb zum Surfer und Herold Galactus’ wurde, um seine Liebe und seine Heimatwelt zu retten.
Natürlich möchte der ewig getriebene, ewig einsame Silver Surfer irgendwann wieder zurück nach Hause. Aber kann er nach all der Zeit als Galactus’ Ausrufer noch in sein altes Leben zurückkehren? Hat er sich von solchen Gefühlen nicht schon längst distanziert – und ist es nicht nur die Sehnsucht nach dem Verlorenen, die ihn triebt? Diese Frage kann sich der so mächtige Surfer nicht einmal selbst beantworten. Und diese Frage trägt viel zu seiner Zerrissenheit und seinem Kummer bei, während er fantastische Welten bereist, Freunde und Feinde (wie die Skurlls oder den fürchterlichen Thanatos und seine Lady) kennenlernt – und am Ende doch immer wieder einsam von dannen zieht, nachdenklich und in dem Wissen, was er verloren hat und was jeder Einzelne verlieren kann...
Genügen 13 Folgen, um eine solch komplexe, für den bunt-fröhlichen Superhelden-Zirkus ziemlich untypische Figur und ihre Geschichte einzufangen? Ja, das tun sie. Und wie. Mit dem im zweiten Kinofilm der F4 so ungeschickt verbratenen Surfer kann man andersartige, faszinierende Geschichten erzählen. Diverse Comics beweisen es – aber auch diese trotz ihrer Kürze extrem gute Trickserie von 1998.
Außerdem haben es die Macher der zwischendurch immer wieder ganz schön lyrischen und tiefsinnigen Trickserie verstanden, sich auf die zweite Stärke der Surfer-Comics (die u. a. vom großen John Buscema gestaltet wurden) zu konzentrieren: Atemberaubende Weltraum-Bilder. Und da hat man in der jetzt von Rough Trade auf den passenden Silberling gepressten Cartoon-Serie alles richtig gemacht und das Maximum der damaligen Tricktechnik ausgereizt. Gerne erinnert man sich zurück, wie man staunend vor dem Fernseher saß, als die Serie des Surfers das erste Mal auf RTL im deutschen TV lief (oder als Trance-Produzent Hardy Hard seinen gleichnamigen Song mit einem Video ausstattete, das sich am Cartoon bediente).
Der Surfer ist an schlechten Tagen eine echte Konkurrenz für Jammerlappen Peter Parker/Spider-Man – aber seine Trickserie aus den späten 1990ern ist immer noch richtig dufte.
Tolle Storys (für Science Fiction-Fans interessant: Altmeister Harlan Ellison scriptete eine der exzellenten Folgen!), für damalige Verhältnisse überragende Bilder – keine Frage, diese 13 Episoden bilden ist eine außergewöhnliche, manchmal fast schon erschreckend poetische Zeichentrickserie, die den Geist der Figur mit Bravour einfängt.