Rezension von Cronn
Tief atme ich ein und aus. Dann halte ich den Atem an.
Der Lauf meines Scharfschützengewehrs ist bewegungslos, ich halte meinen Ellbogen auf dem Knie aufgestützt und schaue durch das Fernrohr. Im Zielgebiet patrouilliert ein deutscher Nazi-Wachsoldat. Als sein Stahlhelm im Fadenkreuz ist, lasse ich den Lauf ein wenig sinken, berechne den Wind und die Fallhöhe des Geschosses, warte auf die Glockenschläge, die das Schussgeräusch verdecken sollen. Und als sie dann ertönen ziehe ich den Abzug durch.
Das spindelförmige Geschoss verlässt den Lauf, fliegt durch die Luft und mehr als 200 Meter Luftweg weiter schlägt es ein. Der Wachsoldat geht in die Knie.
Und niemand hat es gehört.
Ich kann weiter vorrücken.
Sniper Elite: Resistance ist der inzwischen sechste Teil des Sniper-Elite-Franchises und wurde wiederum von dem britischen Softwarehaus Rebellion entwickelt. Der große Erfolg des Vorgängers brachte die Entwickler dazu, relativ zügig einen Nachfolger zu produzieren. Er trägt den Namen »Sniper Elite: Resistance« und ist nun erhältlich. Doch wie gelungen ist er geworden?
Wie schon in den Vorgängern entwickelt, bietet »Sniper Elite: Resistance« eine Sniper-Fantasie im Setting des Zweiten Weltkriegs auf Seiten der Alliierten. Dabei hat Rebellion die Qualitäten der Vorgänger beibehalten, die bereits von Spiel zu Spiel neue Ideen eingebracht haben. Das wird von »Sniper Elite: Resistance« geschätzt und aufrecht erhalten. Doch etwas Neues wird nicht gewagt.
Erneut spielt man möglichst geschickt als Scharfschütze mit Zielfernrohr, Geschossfallhöhe und Windrichtung und freut sich, wenn einem der perfekte Schuss gelingt. Das wird mit einer Animation des Geschossflugs und einer Röntgenaufnahme des Einschlags begleitet. Das ist sehr befriedigend, wenngleich auch die Zeitlupeneinstellungen von zerplatzenden Köpfen nicht für junge Zuschauer geeignet sind. Aber wer »Sniper Elite: Resistance« spielt, kennt sicher die Vorgänger und weiß das.
Auch kann gefallen, dass man wiederum nicht zwangsweise die Mission neu laden muss, wenn man entdeckt wurde. Es gibt genügend Maschinengewehre und Granaten, um auch actionbetont zum Erfolg zu kommen. Dabei unterstützt der Schwierigkeitsgrad, der mit fünf Einstellungen sehr lobenswert umgesetzt wurde. Wer bereits ein Sniper-Elite-Game gespielt hat, sollte übrigens gleich in einem schwereren Grad starten, da die anderen doch wirklich sehr leicht sind und wenig Ansprüche an Schleichen, Geduld und Zielgenauigkeit aufweisen.
Die neun Levels sind umfangreich und ähneln Open-World-Maps, sind aber dann doch mit unsichtbaren Levelgrenzen versehen. Aber ein Level schlägt mit mindestens einer Stunde Spielzeit zu Buche, sodass man rund 10 Stunden beschäftigt ist. Die Maps sind detailreich gestaltet, bieten auch Vertikalität und mehrere Laufwege, so dass man nicht in einem Levelschlauch gefangen ist, sondern unterschiedliche Wege ausprobieren kann.
Sehr schön ist es, dass man wieder im Koop unterwegs sein kann. Auch ein kompetitiver Modus ist erneut dabei und auch der Modus »Invasion«, wo man als Gegner·in in das Spiel anderer Spieler·innen eindringen und als sie Sniper·in hintergehen kann. Sehr spannend, kann aber auch frustrierend sein. Gottlob ist der Modus aber jederzeit optional.
»Sniper Elite: Resistance« ist von der Grafik her gut gelungen, spielt aber nicht in der obersten Liga mit. Die Texturen sind hoch aufgelöst, die Effekte recht gut umgesetzt. Im Soundbereich ist es wichtig, gerade im Sniper-Spiel, dass alle Gegner·innen gut zu orten sind. Das ist tatsächlich bei »Sniper Elite: Resistance« der Fall.
»Sniper Elite: Resistance« fühlt sich mehr wie ein eigenständig lauffähiges Addon zu »Sniper Elite 5« als ein Nachfolger an. Das wird aber diejenigen Spieler·innen nicht stören, die schon mit dem Vorgänger viel Spaß hatten. »Sniper Elite: Resistance« bietet neue Maps, einen (blassen) neuen Hauptcharakter und ein solides Gameplay, das sich bewährt hat. Damit kann man durchaus Spaß haben.
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