Interview mit den Autoren
 
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Das Interview

Was bewegte die Autoren sich auf diese abenteuerliche Reise zu begeben?

 

Die beteiligten Autoren haben alle schon lange ein Standbein in der deutschen Literatur und tragen erfolgreich mit ihren Werken auf ihre ganz eigene Weise dazu bei, Gedanken und Phantasien neu zu bewegen. Da drängten sich mir regelrecht zwei Fragen auf, die ewigen Fragen des „Warum?“ und „Wie war die Reise durch Phantásien?“ und ich habe diese Fragen den Autoren direkt gestellt.

 

Christoph Weidler: Was hat Sie an Roman Hocke`s Idee zu "Die Legenden von Phantásien" begeistert und animiert sich als Autor daran zu beteiligen?

 

Tanja Kinkel: Neben der Liebe zur "Unendlichen Gesichte" - einer der großen Leseindrücke meiner Kindheit - die Mischung aus Integrität und künstlerischer Freiheit, die seine Idee bot. Eine Fortsetzung zu schreiben, hätte ich abgelehnt. Aber einen Roman, der Phantásien angesiedelt sein sollte, und bei Berücksichtung der von Ende aufgestellten Regeln - was auch sehr wichtig war - freie Hand in bezug auf Handlung und Personengestaltung ließ? Das war unwiderstehlich.

 

Peter Freund: Als Roman Hocke bei mir angefragt hat, ob ich bei den "Legenden von Phantásien" mitarbeiten wolle, war ich erfreut und erschreckt zugleich.

Erfreut - weil ich es als große Auszeichnung empfand, Michael Endes Phantásien wiederbeleben und fortschreiben zu dürfen.

Erschreckt - weil das gleichzeitig bedeutete, in die Fußstapfen eines meisterhaften Erzählers zu treten, der bis heute unübertroffen ist. Michael Endes Fußstapfen sind also gewaltig groß, und sie ausfüllen zu wollen, kommt einem schier unmöglichen Unterfangen gleich.

Nach langem Überlegen habe ich dann doch zugesagt. Aus zwei Gründen: Weil Michael Ende selbst in der "Unendlichen Geschichte" ausdrücklich schreibt, dass Phantásien uns allen gehört. Jedem von uns. Und weil ich zweitens glaube, dass seine Sicht auf unsere Welt meiner eigenen wohl sehr ähnlich war. Auch ich bin davon überzeugt, dass die Phantasie ebenso real ist wie die Wirklichkeit und dass die eine ohne die andere nicht existieren kann.

 

Ulrike Schweikert: Menschen nach Phantásien zu entführen, das ist als Schriftstellerin mein Beruf und meine Leidenschaft. Es sollen möglichst viele sein, und sie sollen immer wieder in dieses Land reisen. Dabei ist es egal, ob sie mir ins Mittelalter, die Zeit der Bauernkriege oder ein ganz von mir erdachtes Reich folgen. Michael Ende hat unseren Phantasiereisen einen Namen und einen Ort gegeben. In seinem Land laufen die Fäden zusammen. An sein Phantásien noch ein eigenes Stück hinzuzufügen war ein verlockendes Angebot, das mir viel Spaß gemacht hat.

 

Wolfram Fleischhauer: eine Beteiligung am Projekt war eher Zufall. Als es konkret wurde, habe ich mir einen Stoff vorgenommen, den ich schon immer mal bearbeiten wollte: Engel. Und so wurde die Erzählung konzipiert, ausgehend von einer einfachen Frage: wohnen Engel in Phantasien (d.h.: wie ist das Verhältnis von Fantasie und Religion?) - wie immer bei mir also eine romanhafte Erörterung einer philosophische Frage.

 

Ralf Isau: Vor Jahren habe ich Michael Ende ein selbst verfasstes Märchen geschenkt. Er gab es an seinen Verlag und so half er meinem "Drachen Gertrud" zum Fliegen. Ohne ihn wäre ich wohl immer noch der Vater, der ausschließlich für seine Tochter Bücher schreibt. Mein erster Kontakt im Thienemann-Verlag war damals Roman Hocke, der heute mein Literaturagent ist. Außerdem habe ich natürlich schon als Jugendlicher und junger Erwachsener mit Begeisterung Michael Endes Geschichten gelesen, auch die "Unendliche Geschichte". Das alles waren genug Gründe für mich aufzuhorchen, als Roman Hocke mich fragte, ob ich an den "Legenden von Phantásien" mitwirken wolle. Für mich war es ein Vergnügen eine der anderen Geschichten zu schreiben, von denen Michael Ende immer sagte, sie würden ein andermal erzählt werden.

 

Christoph Weidler: Was nehmen sie persönlich aus ihrer Reise nach Phantásien mit?

 

Tanja Kinkel: Das Gefühl, eine streckenweise sehr düstere Geschichte mit einer spielerischen Ader verbinden zu können, deren Stärke mir vorher gar nicht so bewusst war.

 

Peter Freund: Beim Schreiben habe ich gemerkt, was ich eigentlich schon vorher geahnt habe: Phantásien ist unermesslich, ja unendlich groß! Und deshalb gibt es dort noch so viele Geschichten, Gestalten und Landschaften, die es zu entdecken gilt. Wozu jeder von uns aufgefordert ist - denn nur wenn wir unseren eigenen Phantasien und Träumen nachgehen und uns nicht mit den vorgefertigten, banalen und seelenlosen Pseudoprodukten und – träumen zufrieden geben, mit denen wir tagtäglich aus leicht durchschaubaren Gründen gefüttert werden, können wir dieses grenzenlose Reich von Phantásien auch am Leben erhalten. Und das sollten wir tun, wenn wir nicht eines Tages doch noch vom gefräßigen Nichts verschlungen werden wollen!

 

Ulrike Schweikert: Den Wunsch wieder öfters dort zu sein. Ich habe als Kind und Jugendliche sehr viel gelesen. Ein Sonntag im Bett mit einem Buch war das Größte! Leider komme ich, seit ich beruflich Romane schreibe, nicht mehr so häufig dazu andere Romane zu lesen. Es gibt immer so viel Recherchematerial zu bewältigen - und wenn ich an einem eigenen Buch schreibe, dann will ich mich auch nicht ablenken lassen. Da werde ich zum Arbeitstier und sitze den ganzen Tag am Computer bis ich völlig erschöpft und ausgelaugt bin. - Aber ich weiß, wie sehr es sich lohnt, ein bisschen Kraft für eine Phantásienreise aufzusparen. Und ich habe mir fest vorgenommen, mir mehr Zeit dafür zu nehmen.

 

Wolfram Fleischhauer: Was ich persönlich aus Phantasien mitnehme? Eben das, was ich aus allen Romanexpeditionen mit nach Hause bringe: Pläne für eine neue Reise. Romane schreiben ähnelt dem Bergsteigen: wenn man einen Gipfel geschafft hat, dann sieht man die vielen anderen, die man noch machen will. Ich bin also bereits wieder unterwegs...

 

Ralf Isau: "Die geheime Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz" ist für mich ein ganz besonderes Buch, weil es weniger aus Recherchen in der Außenwelt besteht, sondern mich dazu zwang, eine Reise in meine eigene Innenwelt anzutreten. Eine zwar nicht neue, aber – wenn sie in aller Konsequenz durchgedacht wird – wichtige Erkenntnis, die ich beim Schreiben aufgefrischt habe, liegt im Wesen unserer Erwartungen. Mein Held, Karl Konrad Koreander, erlebt es buchstäblich im "Haus der Erwartungen": Ihm widerfahren einige ziemlich unangenehme Dinge, die er sich gewiss nicht gewünscht, die er in seiner pessimistischen Grundhaltung aber erwartet hat. In Neudeutsch spricht man von "Self-fulfilling Prophecy". Was aus einem Menschen wird, ist oft das, was er und andere aufgrund seiner sozialen Herkunft erwarten. Aber diese Vorprogrammierung unserer persönlichen Vita muss nicht unbedingt unserem wahren Wesen entsprechen, unseren Talenten und Möglichkeiten. Karl erkennt dies, als er in einem Spiegelkabinett seine zukünftigen Persönlichkeiten sieht, die als Anlage bereits in ihm verborgen sind und eine davon wählen muss, damit er in seiner Quest weiterkommt. Wir alle stehen hin und wieder vor solchen Gabelungen in unserem Leben und müssen uns für einen, den hoffentlich richtigen, Weg entscheiden.

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Erstellt: 29.04.2005, zuletzt aktualisiert: 22.02.2015 15:20, 157