Interview mit Martin Scott
 
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Interview mit Martin Scott

Martin Scott wurde in Glasgow geboren und lebt seit über zwanzig Jahren in London. Unter seinem Namen Martin Millar veröffentlichte er bereits mehrere Romane im weiteren Spektrum der fantastischen Literatur. Inspiration findet er nach eigenem Bekunden in den Kneipen von South London. Er wurde mit seinem ersten Thraxas Roman der Gewinner des "World Fantasy Award" für den besten Roman im Jahr 2000.

 

Hier nun ein paar Antworten von Martin Millar auf unsere Fragen:

 

Chris Weidler: Herr Millar, es würde uns freuen wenn Sie sich unseren Lesern einmal kurz vorstellen würden.

 

Martin Millar : Ich stamme aus Glasgow in Schottland. Nun lebe ich in London seit mehr als 20 Jahren. Ich führe ein selbständiges Leben, ohne Frau und ohne Kinder. Mein ganzes Leben lang schreibe ich schon, und mein erstes Buch wurde vor etwa fünfzehn Jahren veröffentlicht.

 

 

Chris Weidler: Unter Ihrem Namen Martin Millar haben Sie erfolgreich Bücher wie "Die Elfen von New York" (The Good Fairies of New York) veröffentlicht, wie kam es zu dem Wechsel zu dem Namen Martin Scott?

 

Martin Millar : Es schien eine gute Idee zu sein, da die Thraxas-Bücher in einem anderen Genre spielten, also auch auf eine andere Leserschaft abzielten. Sowohl ich selbst als auch mein Herausgeber dachten, dass ein anderer Name eine andere Leserschaft eher anziehen würde. Allerdings war es nie ein Geheimnis, dass Martin Millar auch Martin Scott ist. Heute bin ich nicht sicher, ob es eine gute Idee war oder nicht.

 

 

Chris Weidler: Wie kamen Sie auf die Idee zu den Thraxas Romanen?

 

Martin Millar : Ich mag Detektivgeschichten und habe sie mein ganzes Leben lang gelesen. Insbesondere mag ich Raymond Chandler. Auch gefällt mir Sword And Sorcery, obwohl das meiste, das ich aus diesem Genre gelesen habe, schon älter war, als ich jung war. Ich hielt es für eine gute Idee, die beiden Genres zu kombinieren. Natürlich, zwei Genres zu kombinieren ist keine neue Idee.

 

Als ich das erste Buch von Thraxas schrieb, wusste ich nicht, dass es weitere Fantasy/Detektiv-Kreuzungen gab (wie Glenn Cook), ich hatte niemals so etwas gelesen.

 

Meine ursprüngliche Idee war es, eine Detektivgeschichte in Tolkiens Welt zu plazieren, Mittelerde, so wie er sie beschrieb. Natürlich wäre das unmöglich, da Tolkiens Familie es nicht erlauben würde. Also entwarf ich einfach eine eigene Welt ähnlich der seine für meinen Detektiv.

 

Auch beabsichtige ich, die Thraxas-Bücher sehr düster, oder "noirish", zu halten. Aber das ist nicht passiert, hauptsächlich weil Thraxas und seine Freundin Makri zu sehr komödianten Charakter haben, als dass die Bücher wirklich "noirish" sein könnten. Somit wurden sie lustiger, als ich ursprünglich geplant hatte. Das gefällt mir, ich mag es, wenn meine Schreiberei lustig ist.

 

Und natürlich sollte man nicht den anderen wichtigen Grund fürs Schreiben vergessen: Um Geld zu verdienen.

 

 

Chris Weidler: Mit Thraxas lassen Sie einen abgehalfterten Magier als Detektiv agieren und verbinden Fantasy und Krimi in einen Spektrum. Was ist Ihrer Meinung nach das Besondere an Thraxas?

 

Martin Millar : Er ist unglaublich fett und hat ein schlechtes Temperament. Er musste einiges Unglück in seinem Leben erdulden und könnte auch als eine Art von Verlierer betrachtet werden. Thraxas glaubt, dass sein Unglück der Fehler anderer Leute ist. Andere Leute meinen vielleicht, dass es sein eigener Fehler ist. Trotzdem, er hat einige gute Talente, um des Lesers Sympathie zu gewinnen. Er ist loyal zu seinen Freunden, und er ist mutig.

 

 

Chris Weidler: Thraxas ist ein Protogonist der dem Leser schnell ans Herz wächst. Ein Kämpfer und Verlierer im Strudel der Gesellschaft, welcher doch immer wieder auf die Füße fällt. Wie entstand die Figur von Thraxas und wie sehen Sie ihn selber?

 

Martin Millar : Ich wollte Thraxas ganz anders gestalten als die meisten meiner Charaktere. Ebenso, da ich das Buch in der ersten Person als Thraxas schreibe, wollte ich sicherstellen, dass Thraxas ganz anders ist als ich es bin. Folglich ist Thraxas sehr fett mit einem riesigen Appetit. Das ist völlig untypisch für die meisten meiner anderen Charaktere. Keiner von ihnen ist begeisterter Essensfan (wahrscheinlich, weil ich es selbst nicht bin). Charaktere aus Martin Millar Büchern tendieren dazu, dünn und neurotisch zu sein. Thraxas ist das Gegenteil. Er trinkt gerne riesige Mengen Bier. Ich mag selbst Bier, aber ich kann nur kleine Mengen trinken. Auch ist er, im Gegensatz zu mir, ein mutiger Kämpfer, immer vorbereitet, seine Gegner anzugreifen. Also ist Thraxas ganz anders als ich. Mir gefällt das.

 

Außerdem: Thraxas hat sein Interesse an Frauen verloren. Er denkt nie an irgendeine Form einer Romanze. Würde er jemals über eine Romanze nachdenken, würde er vermutlich glauben, er sei nicht im Ansatz attraktiv. Aber vermutlich ist Thraxas attraktiver als er sich selbst bewusst ist. Und er fühlt sich vielleicht stärker von seiner jungen Freundin Makri angezogen als er sich bewusst ist.

 

 

Chris Weidler: Was können wir von Thraxas noch erwarten?

 

Martin Millar : Krieg mit den Orks und ein Besuch bei dem großen Schwertkampf-Wettbewerb im weit entfernten Westen, an dem Makri teilnehmen wird (Thraxas behauptet, diesen Wettbewerb einmal gewonnen zu haben). Vielleicht ein Fortschritt in der sozialen Stellung. Thraxas hat Einiges für die Stadt getan. Er verdient etwas Besseres als in einer schäbigen Taverne in den Slums zu leben. Leider ziehen ihn seine schlechten Angewohnheiten immer wieder nach unten.

 

 

Chris Weidler: Mit der Stadt Thurai haben Sie eine eigene Welt um den Detektiven und Magier Thraxas erschaffen, wie entstand diese Welt? War es entsprechende Vorarbeit oder entwickelte sie sich im Laufe der Romane?

 

Martin Millar : Da gibt es verschiedene Elemente. Das Grundgerüst ist wie Tolkiens Welt, mit Menschen, Elfen, Orks und Drachen. Es war notwendig, dass meine Welt dem Leser bereits vertraut sein würde. Wenn die Welt zu seltsam gewesen wäre, hätte die Mixtur aus Detektiv und Fantasy nicht funktioniert. Die Stadt stellte ich mir anfänglich in etwa wie das Alte Athen für (ich bin begeisterter Leser klassischer Geschichte). Aber, auch wenn das Alte Athen ein faszinierender Ort war, hatte es nicht die große soziale Struktur, die für die Welt von Thraxas notwendig war. Daher entwickelte sich die Stadt mehr zu einer Art von frühmittelalterlichem Rom.

 

 

Chris Weidler: Von vielen Kritikern werden Ihre Thraxas Romane mit "Die Rätsel von Karenta" (P.I. Garrett) von Glen Cook verglichen. Sehe Sie selber hier auch eine Ähnlichkeit?

 

Martin Millar : Siehe Antwort 3. Ich wusste nichts von Glenn Cook. Aber es überraschte mich nicht zu erfahren, dass seine Bücher in der gleichen Art von Welt spielten. Ich würde nie behaupten, dass die Idee hinter Thraxas absolut originell wäre.

 

 

Chris Weidler: Als Sie für Ihren ersten Thraxas Roman den World Fantasy Award beim World Fantasy Convention in Texas, October 2000 überreicht bekommen haben, was waren Ihre Gedanken dabei?

 

Martin Millar : Ich war sehr überrascht. Ich habe nie vorher einen Literaturpreis gewonnen. Ich war sehr erfreut, ihn zu erhalten. Im übrigen glaube ich, ich hatte ihn verdient. Thraxas ist nicht wie die meisten anderen Fantasy-Bücher (zum einen sind sie kurz. Mir wird bei sehr langen Büchern langweilig. Meine Aufmerksamkeitsspanne ist zu kurz in diesen Tagen, vermutlich weil ich zuviel amerikanisches Fernsehen schaue).

 

 

Chris Weidler: Die Elfen von New York gingen auch schon in den lockeren, bissigen und humoristischen Fantasybereich. Liegt Ihnen persönlich dieser Fantasybereich am meisten oder wird es in Zukunft auch andere Varianten Ihrer Werke geben?

 

Martin Millar : Ich war kein Fantasy-Autor, als ich anfing. Meine Bücher handelten von realen Personen, hauptsächlich armen Menschen im südlichen London. Mein letztes Buch unter dem Namen Martin Millar, "Suzy, Led Zeppelin and Me", war kein Fantasy-Roman. Also schreibe ich auch realistische Bücher. Allerdings macht es wohl mehr Spaß, Fantasy zu schreiben. Im Moment schreibe ich, neben Thraxas, ein Werwolf-Buch, das meiner Vernarrtheit in "Buffy the Vampire Slayer" entsprungen ist.

 

 

Chris Weidler: Herr Millar, Sie sind auch bekannt für Ihre Kurzgeschichten. Was mögen Sie persönlich lieber, einen Roman schreiben oder eine Kurzgeschichte?

 

Martin Millar : Romane. Ich bin nicht dafür bekannt, Kurzgeschichten zu schreiben.

 

 

Chris Weidler: Welche Motivation haben Sie beim Schreiben, überwiegt der Anspruch oder die Unterhaltung, ist es eine Gratwanderung?

 

Martin Millar: Mein Hauptziel ist die Unterhaltung. Ich möchte Bücher schrieben, die die Leute gerne lesen. Ich arbeite an meinem Schreibstil mit dem Ziel, dass meine Bücher einfacher und genussvoller gelesen werden können.

 

 

Chris Weidler: Was "treibt" Sie zum Schreiben und woher nehmen Sie die Ideen und Anregungen zu Ihren Romanen und Geschichten?

 

Martin Millar : Ich weiß es nicht. Aber ich schreibe jeden Tag. Ich fühle mich nicht gut, wenn ich nicht jeden Tag etwas geschrieben habe. Auch mag ich es, die Leute zu unterhalten. Außerdem muß ich Geld verdienen.

 

 

Chris Weidler: Literatur, Theater, Film. Drei Punkte in denen Sie Zuhause sind. Was macht Ihnen als Autor davon am meisten Spaß?

 

Martin Millar: Ich habe nur wenig Erfahrung in Theater und Film. Nichtsdestotrotz hat es mir viel Spaß gemacht, ein Theaterstück zu schreiben. Es entstand in Zusammenarbeit mit Doon MacKichan, einer gut bekannten britischen Schauspielerin. Das Schauspiel war eine Fassung von Jane Austens "Emma" und es war recht erfolgreich in den Theatern. Es wurde von sechs verschiedenen Theatergruppen auf drei Kontinenten aufgeführt. Es war sehr erfreulich, zur Abwechslung mit anderen Leuten zu arbeiten. Normalerweise ist das Leben eines Schriftstellers recht einsam.

 

Der Bereich des Films war bisher eher bedrückend. Ich habe bei mehreren Gelegenheiten Optionen verkauft, aber bisher führte keine davon zu einer Verfilmung. In den UK ist es schwierig, die Mittel für eine Filmproduktion aufzutreiben. Dennoch habe ich ein Drehbuch verkaufen können. Es war alles soweit, als die Produktionfirma dicht machte, was mich um eine Stange Geld gebracht hat.

 

 

Chris Weidler: Wie muß man sich einen "typischen" Tag von Martin Millar vorstellen?

 

Martin Millar: Ich bleibe lange auf, schreibe, und wache gegen Mittag auf. Ich habe kein genau festgelegtes Muster beim Schreiben, aber wenn ein Buch gut läuft, bleibe ich den ganzen Tag dabei und schreibe in kurzen Schüben, unterbrochen von Pausen, um fernzusehen, Tee zu machen und grübelnd in meiner Wohnung umherzugehen. Wenn ein Buch schlecht läuft, lese ich, schaue fern, gehe spazieren und warte, bis mich die Inspiration packt. Normalerweise passiert das, aber falls nicht, schreibe ich trotzdem irgend etwas. Oft werden die Dinge, die man schreibt, ohne sich inspiriert zu fühlen, trotzdem gut.

 

 

Chris Weidler: Gibt es Autoren und Bücher, welche Sie für sich als Vorbilder sehen?

 

Martin Millar: Nein. Ich war anfänglich durch Kurt Vonnegut inspiriert, aber heutzutage versuche ich, mich nicht beeinflussen zu lassen.

 

 

Chris Weidler: Was fasziniert Sie selber an Fantasy?

 

Martin Millar: Drachen, Magie, all die Dinge, die interessant sind, wenn man jung ist. So wie es aussieht, habe ich nie aufgehört, daran interessiert zu sein. Wie auch immer, ich mag es, über die Beziehungen zwischen Leuten zu schreiben, und das ist in der Fantasy genau wie in anderen Bereichen des Schreibens. Die Beziehung zwischen Thraxas und Makri ist, jedenfalls für mich, interessanter als alle Abenteuer, die sie erleben mögen.

 

 

Chris Weidler: Was ist momentan Ihr persönliches Lieblingsbuch?

 

Martin Millar: Ich kann mich auf keinen Favoriten besinnen. Für gewöhnlich lese ich Bücher der antiken Geschichte, zur Zeit einen der Briefe Ciceros. Ich bin gerade jetzt sehr auf "Buffy" fixiert, weil es damit zuende geht. Ich habe Videos der neuen Serie aus den USA geschickt bekommen, aber es sind nun nur noch sechs Episoden, und dann ist es für immer vorbei. Das ist sehr bedrückend.

 

 

Chris Weidler: Herr Millar, eine letzte Frage. Ihr größter Traum für die Zukunft?

 

Martin Millar : Angelina Jolie ruft mich an und fragt nach einer Verabredung. Weltweiter Erfolg für Thraxas.

 

 

Chris Weidler: Herr Millar, wir danken Ihnen sehr für dieses Interview und für den guten und sehr netten Kontakt mit Ihnen. Auf diesem Wege möchten wir Ihnen auch alles Gute auf Ihren weiteren Werdegang und viel Erfolg wünschen.

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Erstellt: 19.05.2005, zuletzt aktualisiert: 02.02.2015 05:20, 322