Interview
 
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Interview

Tanja Kinkel hat mit ihren historischen Erfolgsromanen die Bestsellerlisten erobert, aber dieses ist nur eine Seite der erfolgreichen Schriftstellerin. Ihre besondere Liebe gehört auch den FanFiction und sie zeigt in diesem Bereich ihre wunderbare Vielseitigkeit als Autorin.

 

Hier nun ein paar Antworten von Tanja Kinkel auf unsere Fragen:

 

Chris Weidler: Eine erfolgreiche Autorin historischer Romane schreibt FanFiction, eigentlich eine ungewöhnliche Zusammenstellung, oder?

 

Tanja Kinkel: Nicht unbedingt. Es ist zwar nicht die Regel, aber ich bin nicht die einzige erfolgreiche Autorin, die ab und zu in anderen Universen "spielt", wie ich festgestellt habe. Roxanne Longstreet Conrad schreibt Pretender- und Buffy-Fanfiction, Neil Gaiman schrieb u.a. eine "Matrix"-Geschichte, und Tad Williams machte in seinem "Otherland"-Zyklus aus der FanFiction eine Kunst, da besagter Zyklus ja von Gormenghast bis zum Mars a la Edgar Rice Burroughs alle möglichen "klassischen" phantastischen Erzählungen einbindet.

 

 

Chris Weidler: Wie reagiert Ihr persönliches Umfeld und Ihre Autorenkollegen, allgemein auf FanFiction und die Tatsache, dass Sie neben historischen Romanen auch FanFiction schreiben?

 

Tanja Kinkel: Die Autoren, die ich persönlich kenne, gestatten sich gelegentlich ähnliche Ausflüge. Meine Freunde sind, je nachdem, ob sie die betreffende Fandom kennen, und wie sie dazu stehen, fasziniert, belustigt oder achselzuckend irritiert. Meine Eltern sind entsetzt und halten es für eine Verschwendung von Talent und Zeit.

 

 

Chris Weidler: Was fasziniert Sie so sehr an FanFiction und hat Sie dazu gebracht auch dergleichen zu schreiben, wo Sie doch an sich eher bodenständige Themen behandeln?

 

Tanja Kinkel: Um die Frage von hinten aufzurollen: ich halte historische Romane und FanFiction für eng miteinander verwandt. Wenn ich einen historischen Roman schreibe, dann liefere ich zwar meine persönliche Interpretation von historischen Ereignissen und Personen, aber ich bin doch an bestimmte Grundvoraussetzungen gebunden. Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Ich kann eine Persönlichkeit wie Richelieu negativ, positiv oder zwiespältig schildern (oder alles drei, je nachdem, aus wessen Perspektive), aber ich kann ihn nicht als jungen Mann sterben lassen, oder ihn als frühen Bannerträger des Pazifismus schildern, oder ihn als Umstürzler mit Ambitionen auf den französischen Thron schildern. (Obwohl gewisse absolut hirnrissige Filme das tun.)

Bei der FanFiction läuft die Sache ähnlich. Man hat eine gewisse Freiheit der eigenen Interpretation, aber sie sollte plausibel sein und für die Leser erkennbar die Charaktere und die Welt der Vorlage schildern. FanFiction, die das nicht tut, ist schlicht und einfach schlampig geschrieben, genauso wie historische Romane, bei denen man merkt, daß der Autor/die Autorin seine Hausaufgaben nicht gemacht hat.

Damit bin ich bei dem Grund meiner Faszination angelangt: im Prinzip handelt es sich um den gleichen Impuls, der mich zum Romanschreiben drängt. Ich finde Charaktere und Themen, die mich fesseln, ansprechen und anregen.

 

 

Chris Weidler: Einige stoßen durch Zufall auf FanFiction, andere durch Freunde. Wie sind Sie dazu gekommen?

 

Tanja Kinkel: Zuerst durch Freunde, dann durch gezielte Suche.

 

 

Chris Weidler: Was bewegt Ihrer Meinung nach jemanden FanFiction zu schreiben? Ist es die Unzufriedenheit mit den vorhandenen Abläufen der Staffeln oder eher ein Spiel mit dem "was wäre wenn"?

 

Tanja Kinkel: Für einige Fans gelten sicher beide Motive, aber ehrlich gesagt, FanFiction, die aus der Unzufriedenheit mit dem Kanon entstanden ist, läßt mich in der Regel kalt, weil es sich nur allzu oft um ein schriftliches "Schmollen" handelt. Nach dem Motto: "Ich will aber nicht, daß X dies tut und Y jenes, und deswegen mache ich das jetzt anders." Langweilig. Vor allem, wenn die betreffenden Geschichten gleich mit dem Disclaimer anfangen, "In meiner Welt ist das und das nie passiert, und blablablah..." Mich interessiert die Welt des Autors nicht, mich interessiert die Welt der Vorlage, und Geschichten, die sich in ihr abgespielt haben könnten, im Einklang mit dem Kanon.

Es gibt natürlich auch Ausnahmen, AUs, bei denen man sofort merkt, daß die entsprechenden Autoren sich die Mühe gegeben haben, das "was wäre, wenn..." Spiel wirklich zu durchdenken, und es mit einer Welt beantworten, in der es ebenfalls keine leichten Lösungen gibt, und kein garantiertes Happy-End.

(Übrigens, damit keine Mißverständnisse aufkommen: für mich als Zuschauerin gab es durchaus gelegentlich Serien oder Filme, mit deren Handlungsverlauf ich nicht einverstanden war. Zum Beispiel werde ich nie verstehen, warum Dukat in der letzten Staffel von DS9 zum eindimensionalen Schurken verflacht werden mußte. Aber das ruft in mir kein Bedürfnis nach alternativer FanFiction wach.)

Die FanFiction, die mich interessiert, scheint sich größtenteils aus zwei Impulsen zu speisen:

a) dem Wunsch, Lücken, die durch die Erzählstruktur der Quelle nun einmal da sind, zu schließen. Wieder ein Beispiel: meiner Meinung nach einer der interessantesten Charaktere der Serie Babylon 5 ist der Psicop Bester. Da es sich nun aber um eine Nebenfigur handelt, und noch dazu um eine, die nicht zum regulären Personal gehört, sondern nur ein, zweimal pro Staffel auftaucht, gibt es jede Menge Fragen über ihn und seine Motive, die in der Serie nicht geklärt werden können.

b) die Begeisterung über eine bestimmte Szene oder Folge, oder einen bestimmten Handlungsbogen, den Wunsch, das visuell Erlebte noch einmal oder eventuell aus einer anderen Perspektive zu interpretieren.

 

 

Chris Weidler: Wer ist Ihr persönlicher Lieblingsdarsteller in einer Serie?

 

Tanja Kinkel: Ich darf nur einen wählen? Das ist schwer... also schön: Peter Jurasik als Londo Mollari in "Babylon 5".

 

 

Chris Weidler: Buffy, AkteX, Highlander, Mission Erde...um nur einige Bereiche Ihrer FanFiction zu nennen. Haben Sie einen Lieblingsbereich oder genießen Sie einfach die Abwechslung und die Vielfalt?

 

Tanja Kinkel: Letzteres, außerdem kommt es darauf an, was mich im Moment besonders anspricht.

 

 

Chris Weidler: In "Folter für Anfänger" spielen Sie sehr humorvoll mit den verschiedenen Bereichen des FanFiction. Gab es einen bestimmten Hintergrund, welcher Sie auf die Idee zu dieser Story brachte?

 

Tanja Kinkel: Einfach eine Foltergeschichte zuviel. Ich glaube, es war eine Methos-Foltergeschichte.

 

 

Chris Weidler: In "Was ist Slash" lassen Sie Scully und Mulder sehr humorvoll den Bereich Slash definieren. Wie ist Ihre Meinung zu Slash und was wäre für Sie die reizvollste Slash-Verbindung?

 

Tanja Kinkel: Slash kann wie jede andere Spielart der FanFiction gut, mittelmäßig oder miserabel geschrieben auftauchen. Einige Slash-Kombinationen sind mir einsichtlich, weil ich den Subtext in der betreffenden Vorlage auch sehe, andere lösen nur ein Kopfschütteln aus, aber das ist Geschmacksfrage.

Die reizvollste Slash-Verbindung? Du meine Güte, da ist es schon wieder schwer, sich auf nur eine zu beschränken. Da ich zur Zeit meine düstere Phase habe: Blake und Avon, aus der britischen Serie "Blake's 7", was die Männer angeht, Darla/Drusilla (aus der Welt der Joss-Whedon-Serien) als Beispiel für die Frauen.

 

 

Chris Weidler: Welche FanFiction eines anderen Autoren zählt zu Ihren persönlichen Favoriten?

 

Tanja Kinkel: Ein paar wenige Einzelbeispiele, obwohl es sehr viel mehr gibt: "Father's Heart" von Fernwithy für Star Wars, Roz Kaveneys "Bed of Bones" für BTVS, Janeen Grohsmeyers "Just A Game" für Highlander.

 

 

Chris Weidler: Sie "gestehen" auf einer Seite Ihrer Homepage, dass Sie Harry-Potter "süchtig" sind. Was macht Ihrer Meinung nach, die Harry-Potter Bücher so erfolgreich?

 

Tanja Kinkel: Davon handelt eigentlich der Artikel, aus dem Sie gerade zitiert haben, und den man auf besagter Homepage nachlesen kann. Um es kurz zu fassen: sie sind witzig und intelligent geschrieben und werden von Buch zu Buch düsterer.

 

 

Chris Weidler: Könnten Sie sich vorstellen eine Harry-Potter-FanFiction zu schreiben?

 

Tanja Kinkel: Man soll nie nie sagen, aber ich glaube nicht. Den Ton eines bestimmten Schriststellers oder einer bestimmten Schriftstellerin zu treffen, ist noch etwas schwerer, als eine Geschichte in einer durch Film oder Serie definierten Welt anzusiedeln.

 

 

Chris Weidler: Vielfach wird in deutschen journalistischen Reportagen über FanFiction fast ausschließlich über die amerikanische Szene berichtet, und fast nie über die deutschsprachige. Liegt Ihrer Meinung nach der Grund hierfür in der Herkunft des FanFiction oder ist die deutsche Szene einfach noch zu unbekannt?

 

Tanja Kinkel: Sowohl als auch, würde ich sagen. Ich kann mich an die Zeit erinnern, als Bimos Archiv praktisch das einzige im Netz war, wo man deutschsprachige FanFiction zu den unterschiedlichsten Themen finden konnte. Da die englischsprachige Szene schon etwas länger schreibt und durch die riesige Anzahl der englischsprachigen Fans auch sehr viel größer sind, finden sich natürlich auch eine höhere Anzahl anspruchsvoller Geschichten. Aber die deutsche Szene holt auf, glaube ich.

 

 

Chris Weidler: Nachdem wir soviele Fragen zu FanFiction gestellt haben, möchten wir auch ein wenig über Tanja Kinkel den Menschen und über Tanja Kinkel die Autorin wissen.

Wie würden Sie in wenigen Worten Tanja Kinkel beschreiben?

 

Tanja Kinkel: Redet entweder zu wenig oder zu schnell und zu viel, schreibt gute Dialoge, aber sollte mehr an ihren Erzählpassagen arbeiten. Verbirgt die innere Sadistin hinter einer Vorliebe für sentimentale Balladen und Musicals.

 

 

Chris Weidler: Für einige bedeutet das Schreiben Entspannung. Was genau bedeutet es für Sie?

 

Tanja Kinkel: Es ist mein Versuch, etwas über die Welt und die Menschen zu sagen, auf eine Weise, die mich und andere bewegt.

 

 

Chris Weidler: Der gefürchteste Moment eines jeden Schriftstellers ist wohl die Schreibblockade. Wie gehen Sie mit solch einer Situation um?

 

Tanja Kinkel: Auf unterschiedliche Weise.

a) Ich schreibe über ein anderes Thema.

b) Ich versinke in tiefes Brüten und fühle mich immer wertloser.

c) Ich versuche, an mein Thema auf eine andere Weise heranzugehen.

 

 

Chris Weidler: Als erfolgreiche Autorin hat man auch immer einen recht gefüllten Terminplan. Lesungen, PR-Termine, ect. Wie schafft man es diesen ausfüllenden Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen?

 

Tanja Kinkel: Ich bin nicht verheiratet und habe keine Kinder. Was nicht heißt, daß ich nicht irgendwann welche haben möchte, aber wie es dann mit der Zeitplanung aussehen wird, weiß ich nicht.

 

 

Chris Weidler: Gibt es in Ihrem Freundes- oder Familienkreis einen Kritiker Ihrer Arbeiten, welchen Sie sehr schätzen?

 

Tanja Kinkel: Ja. Zwei, drei Freunde und meine Eltern, die meine ersten Leser sind.

 

 

Chris Weidler: Wie entspannen Sie vom Schreiben und finden neue Energie und Kraft?

 

Tanja Kinkel: Ich verreise und sammele neue Eindrücke, albere mit Freunden herum, lese anderer Leute Bücher, schaue Filme, gehe ins Theater oder höre Musik.

 

 

Chris Weidler: Wie muß man sich einen "typischen" Tag von Tanja Kinkel vorstellen?

 

Tanja Kinkel: Kommt darauf an, ob ich gerade an einem Roman schreibe oder nicht. Wenn ich schreibe, versuche ich tagsüber, nichts anderes zu tun, weil Ablenkung sich schlecht auf meine Konzentration auswirkt. Wenn nicht, dann finden Sie mich bei einigen der oben genannten Aktivitäten.

 

 

Chris Weidler: Letzte Frage, was ist Ihr größter Wunsch?

 

Tanja Kinkel: Frieden in der Welt, auch wenn es banal klingt.

 

 

Chris Weidler: Frau Kinkel, wir danken Ihnen für das überaus interessante Interview und Spezial. Es hat uns viel Vergnügen bereitet und wir wünschen Ihnen für die Zukunft weiterhin viel Erfolg mit Ihren Romanen.

 

Tanja Kinkel: Dankeschön!

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Erstellt: 16.04.2005, zuletzt aktualisiert: 17.02.2015 16:52, 55