Druckversion: Interview: Ulrike Jonack

Interview mit Ulrike Jonack

Hier nun ein paar Antworten von Ulrike Jonack auf unsere Fragen:

 

Michael Schmidt: Hallo Ulrike, stell Dich doch unseren Lesern kurz vor. Wer ist der Mensch hinter dem Namen Ulrike Jonack? Welches seine besonderen Merkmale?

 

Ulrike Jonack: In Kurzform lässt es sich so sagen: Jahrgang 1966, DDR-Weg bis zum Diplomchemiker, dann die Wende – auch die berufliche. Die Umschulung zu Redakteur, die ich eher zufällig angeboten bekam, war das Beste, was mir je passiert ist: Ich habe Schreiben als Handwerk erfahren und bin in einen Text-Beruf geraten. Dieses Jahr hat mir – neben dem Gefühl, etwas zu machen, was man tatsächlich kann – vor allem den Eindruck vermittelt, kein Exot zu sein, nur weil man schreibt. Das machte es beruhigend normal.

Das Besondere an mir? Ausgesprochen un-besonders zu sein. Ich liebe es, unauffällig zu sein, zu beobachten. Nicht agieren zu müssen. Ich liebe aber auch, wenn – wenn ich schon mal agiere – diese Aktion dann auch Wirkung zeigt.

 

 

Michael Schmidt: Du bist eingefleischte SF-Leserin und Autorin. Welche Form von Science Fiction gefällt Dir persönlich am Besten? Und wie war der Weg vom SF-Fan zum Autor? Wo liegen die Unterschiede?

 

Ulrike Jonack: Am besten gefällt mit gute Science Fiction – was immer das ist. Nein im Ernst: Ich lese am liebsten Geschichten über Menschen. Am besten erkennt man die, wenn man sie in einen ungewohnten Rahmen stellt. Das macht SF. Als eher nüchtern veranlagter Mensch kann ich dabei auf allzu Fantastisches, Fantasynahes und auf ausgesprochene Action-Plots gut verzichten. Aber ich nehm es auch mit, wenn es passt. Nur wenn außer Phantastik und/oder Action nichts geboten wird, dann langweilt es mich schnell.

Es gibt bei mir keinen Weg vom Leser zum Autor, das lief vom ersten Tag an parallel. Ich erinnere mich jedenfalls nicht, dass ich aus einem bestimmten Anlass oder zu einer bestimmten Zeit angefangen hätte, zu schreiben. Es war immer Teil von mir. Nicht immer SF – das ist es auch heute nicht – aber immer Text.

Der Unterschied zwischen SF-Fan und SF-Autor… Ich bin nicht sicher, ob es den bei mir gibt. Ich könnte ohne SF zu konsumieren keine SF produzieren, umgekehrt ginge es schon.

 

 

Michael Schmidt: Erzähle uns doch einmal von deinem Buch ”Waren”. Wovon handelt es? Wie kamst du zu dieser Idee? Worin liegt die Schwierigkeit, ein Buch zu schreiben? Und worauf hast du besonderen Wert gelegt?

 

Ulrike Jonack: Warén handelt von Vorurteilen, von Trägheit, von Ängsten. Die Geschichte, der Plot ist sehr komplex: Auf einem Planeten gibt es ein einziges bewohntes Tal – darin gibt es eine gut versorgte Stadt und eine Siedlung von Leuten, die hart ums Überleben kämpfen müssen. Der relative Luxus der Stadt wird unter anderem mit Hilfe von Wesen erreicht, die man als in einer anderen Dimension existierend, als pure Bewusstseinsinhalte oder sonstwie als ”nichtstofflich” bezeichnen kann. Solche Wesen existieren auch außerhalb der Stadt. Nun gibt es Feindschaften zwischen Stadt und Siedlung, den Nichtstofflichen untereinander, innerhalb der Stadt, innerhalb der Siedlung… Dummerweise gibt es aber auch Unverträglichkeiten innerhalb der Crew des terranischen Raumschiffes, das nach Warén kommt, und die warénischen Parteien versuchen sofort – das ausnutzend – in den Menschen Verbündete für jeweils ihre Seite zu gewinnen. Es passiert auch ein Mord – was mich beim Schreiben selbst überraschte, sich im Nachhinein aber als glückliche Fügung erwies.

Es gab – natürlich – eine auslösende Idee für dieses Buch. Die bestand darin, der Figur Ines einen Partner zu vermitteln, einen ganz besonderen, mit dem sie auf direkten Weg in Kontakt sein kann: mittels Gedanken- und Gefühlsverschmelzung. Und ihre Identität zu klären. Am Ende ist das nur ein Splitterchen im Roman. Beim Überlegen, wer alles mit auf die Reise gehen könnte und wie es auf dem Planeten aussieht, kamen schnell neue Konflikte ins Spiel. Und beim Schreiben dann entfaltetete sich nach und nach eine Welt, in der Ines zwar wesentlicher Handlungsträger ist, ihr Problem aber so an den Rand (der Geschichte, nicht an den Rand der Emfindungen der Betroffenen!) rückt, dass mein Verleger mir sogar vorschlug, diesen Handlungsstrang einfach zu streichen.

Das Schwierige an einem Buch ist – für mich – mich nicht von den sich auftuenden Möglichkeiten einfangen zu lassen. Personen, die als Statist eingeführt werden, entwickeln manchmal ein so präsentes Eigenleben, dass der Plot zu kippen droht. Figuren haben Vorgeschichten, die hochinteressant sind, gehen – nach ihrem Auftritt im Buch – Wege, die zu verfolgen sich lohnen würden. Manchmal machen Figuren auch Dinge, die mir gar nicht ins Konzept passen. Kurz gesagt: Für mich ist am schwierigsten, die Kontrolle über das Geschehen zu behalten. Anderen Autoren geht es wahrscheinlich anders.

 

 

Michael Schmidt: Du bist von Beruf Redakteurin. Ist das ein Vor- oder ein Nachteil für dein Autorenleben? Ist es nicht ein Konflikt gegenüber dem Lektor Deines Werkes?

 

Ulrike Jonack: In erster Linie gibt mir mein Job Brot, Wohnung und Kleidung – ein sehr wichtiger Umstand für einen Sicherheitsfanatiker wie mich. Der Vorteil als Redakteur: Ich arbeite mit Text, werde mit Stilen und Wortschatz konfrontiert und muss – zumindest ist das mein Anspruch – sprachlich sauber über- oder erarbeitete Texte abliefern. Der Nachteil: Da ich in unserer Firma der einzige Redakteur bin, schmore ich ein wenig im eigenen Saft, so dass ich sehr konkrete Vorstellungen davon habe, was ein Lektor/Redakteur leisten muss. Alles in allem aber habe ich durch meine Arbeit, bei der ich auch oft auf Kundenwunsch Texte verschlimmbessern muss, einen gewissen Blick für das wirklich und unbedingt Nötige bekommen.

 

 

Michael Schmidt: Dein Buch erscheint im Web-Site-Verlag. Wie kam der Kontakt zu Stande? Wie kam es zu der Idee, dort dein Buch zu verlegen? Ist es ein Auftragsdruck oder kam der Verleger auf dich zu?

 

Ulrike Jonack: Begegnet bin ich Marc Albrecht auf Leselupe.de. Er verkündete dort, dass er eben einen Verlag gegründet habe – ich hatte Warén nach …zig Versuchen anderswo noch daliegen und bot es ihm an. So einfach war das.

 

 

Michael Schmidt: Dein Buch ”Waren” wurde von dem renommierten e-zine Alien Contact ausgezeichnet. Erzähl doch mal davon! Was bedeutet das für Dich und den Erfolg Deines Buches? Hast du noch weitere Reaktionen erhalten?

 

Ulrike Jonack: Ich freu mich wie verrückt, natürlich. Es ist zwar “nur” ein “Kuck-doch-mal-hin”-Award, aber es ist nicht irgendein Magazin, es ist Alien Contact! Andererseits fühlt es sich seltsam an. Es war schon seltsam, das erste Mal das Buch in der Hand zu halten, dann war es seltsam, Reaktionen von Leuten zu bekommen, die nicht zum ”üblichen Bekannten- und Verwandtenkreis” gehören. Aber das jetzt… Ich würde mir gern einreden, ich hätte es schließlich verdient, so viel Arbeit wie ich investiert habe. Tatsächlich aber hoffe ich, dass jemand kommt und sagt: “Das kann ich besser” und das dann auch macht. Dass viele kommen und sagen: “Das kann ich besser” und es auch machen. Dass so SF mehr Ansehen gewinnt – auch außerhalb des Marktsegmenets ”Thriller”. Ich hoffe eben immer noch auf DEN Eschbach-Folge-Boom.

Die Reaktionen auf Warén waren sehr weit gestreut. Von “hat mir sehr gut gefallen” bis “ich hab es auf dem Nachtisch liegen, aber mehr als zwei, drei Seiten pro Mal schaff ich nicht” ist alles dabei. Überrascht hat mich zum Beispiel die Bemerkung, das Buch sei aus einer sehr weiblichen Sicht geschrieben. Ich dachte nicht, dass es sowas bei so einem Stoff überhaupt geben kann…

 

 

Michael Schmidt: Du bist Moderator des Forum Science Fiction bei der Literaturplattform Leselupe. Was bedeutet Dir diese Tätigkeit? Bringt es Vorteile beim Verkauf des Buches? Und wie ist das Gefühl, immer wieder Neulingen mit den gleichen Schwächen, aber auch ganz eigenen Stärken, zusammezukommen?

 

Ulrike Jonack: Angefangen hatte ich bei der Leselupe ja als ”ganz normaler” User – und das ist nach wie vor mein Hauptvergnügen. Aber ich habe auch den Wunsch, etwas für SF, für Literatur, für die Sprachpflege an sich zu tun. Meine Möglichkeiten sind beschränkt, aber hier, in der Leselupe, kann ich ein klein wenig dafür tun. Mein Traum wäre, wenn in Klappentexten möglichst vieler Bücher steht, dass die Lupe den Autor wesentlich geformt hat – sowohl was Schreibkunst als auch was das Handwerk dieser Profession angeht. Oder ihm zumindest eine gutes Trainingsfeld war. Aber auch die, die nicht so weit kommen, sollen Sprache hier trainieren können – auch mittelbar, als Leser. Denn damit – mit Sprache – fängt das Menschsein an (, hört da aber natürlich nicht auf).

Auch auf die Gefahr hin, größenwahnsinnig zu klingen: Die Schwächen, die mir an den Leselupen-Texten auffallen sind nur selten meine. Meine größte Schwäche ist ohnehin die Kombination aus Arbeitswut und Ideen-Mangel – und vor allem Letzteres ist nun wirklich nicht lupentypisch. Manchmal, wenn mir jemand begegnet, der einen ganz eigenen Stil hat, der mit verblüffenden Ideen – sie müssen gar nicht wirklich spektakulär sein – überrascht, dann wünschte ich mir, ich hätte einen eigenen Verlag und könnte diese Sachen vervielfältigen und jedem auf den Nachtisch legen…

Ob sich das Buch besser verkauft, seit ich es in der Lupe als Signatur führe, musst du meinen Verleger fragen – ich hab noch nichts Derartiges von ihm gehört.

 

 

Michael Schmidt: Wie kann eine noch unbekannte Autorin wie Du auf sich aufmerksam machen?

 

Ulrike Jonack: An der Antwort wär ich auch interessiert…

 

 

Michael Schmidt: Gibt es für den interessierten Leser noch weitere Veröffentlichungen von Dir?

 

Ulrike Jonack: In alten Nummern von Solar X (dem Fanzine des Halleschen SF-Clubs) gibt es ein paar Texte – die allermeisten davon sind aber inzwischen auch auf Leselupe.de zu finden. Ich habe auch mal bei einem Druckkostenzuschussverlag etwas veröffentlicht – aber ich glaube kaum, dass davon irgendwas in den Handel gelangt ist.

 

 

Michael Schmidt: Was ist in Zukunf von der Autorin Ulrike Jonack zu erwarten? Ist ein neues Buch in Aussicht? Wenn ja, kannst du uns einen Ausblick geben, worüber es handelt?

 

Ulrike Jonack: Zur Zeit arbeite ich daran, die Vorgeschichte zu ”Warén” in eine zusammenhängende Form zu bringen – auf der Leselupe kann man das verfolgen. Nach “Warén” spielen ein paar weitere Sachen. Zwei davon liegen – mehr oder weniger veröffentlichungsreif – in Romanlänge in meiner Schublade. Sie sind thematisch und stilistisch ein wenig anders geartet, gehören aber in die Chronologie von jons Welt. Am dritten Buch, das erneut auf Warén spielt und das dem schon veröffentlichten wieder stärker ähnelt, schreibe ich seit einiger Zeit.

 

 

Michael Schmidt: Was würdest Du auf Grund deiner bisherigen Erfahrung bei deiner ersten Veröffentlichung im Nachhinein anders machen? Welchen Tipp kannst du jemanden geben, der dies noch vor sich hat? Und vor was kannst du ihn warnen?

 

Ulrike Jonack: Ich rate dringendst von Druckkostenzuschuss-Verlagen ab! Man kann auch anderswo auf misserable Lektorate stoßen und mies beworben werden – bei DKZ-Verkagen ist das aber fast gesetzmäßig. Vom Finanziellen mal abgesehen hat man hier noch den Nachteil, dass jeder weiß, dass so eine Veröffentlichung gar nichts über die Qualität aussagt: Für genug Geld kann man alles drucken lassen.

Was ich anders machen würde? Ich würde mir mehr Zeit nehmen, wenn ich könnte. Was sich als böse Falle herausstellte, war die Zeitverzögerung: Das Buch hatte ich etwa 10 Jahre vor der Veröffentlichung abgeschlossen. Es war unglaublich schwierig, Passagen, die eingefügt oder gravierend geändert werden mussten, im Tonfall halbwegs stimmig hinzukriegen. Wenn es einigermaßen geht (und nicht wie hier eine gewisse Chronololgie zu beachten ist), sollte man lieber mit “frischen Werken” rausgehen.

 

 

Michael Schmidt: Als letzte Frage, was wünschst du Dir als Mensch und als Autor für die Zukunft?

 

Ulrike Jonack: Abgesehen davon, dass es noch diesen und jenen unerfüllten Traum gibt, bin ich als Mensch recht zufrieden. Manchmal möchte ich weniger Angst vor der Zukunft der Menschheit haben müssen, aber das geht wohl jedem so. Als Autor hoffe ich auf einen riesigen Lottogewinn. Damit ich meinen Brotjob aufgeben und ganz ins Büchermachen eintauchen kann.

 

 

Michael Schmidt: Ulrike, wir bedanken uns für das informative Interview und wünschen dir in Zukunft Gesundheit und Erfolg!

 

 

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, zuletzt aktualisiert: 23.10.2018 22:08