Rezension von Bine Endruteit
Marc Lucas überlegt, ob er an einem Experiment teilnehmen soll, bei dem es darum geht, das Vergessen zu lernen. Vor einigen Wochen hat er bei einem Autounfall seine Frau und ihr ungeborenes Kind verloren, was ihn in ein tiefes Trauma gestürzt hat. Er hat die gemeinsame Wohnung verlassen und geht nur noch mechanisch seiner Arbeit nach. Als dann plötzlich ein Auto neben ihm hält, in dem ein Mann sitzt, der erstaunlich viele Informationen über ihn hat, kann er gar nicht anders, als dem nachzugehen. Marc wird in eine Klinik gebracht, in der man ihm anbietet, eine künstliche Amnesie herbeizuführen, die ihn all die schlimmen Ereignisse aus seiner Vergangenheit vergessen lassen soll. Doch auch wenn das erst reizvoll geklungen haben mag, entscheidet der psychisch angegriffene Marc sich letztendlich gegen den Eingriff. Jedenfalls glaubt er das, doch trotzdem scheint in seinem Leben nichts mehr so zu sein, wie zuvor.
Marc Lucas scheint seine gesamte Vergangenheit verloren zu haben. Die Schlüssel für seine eigene Wohnung passen nicht mehr und er sieht plötzlich seine verstorbene Frau. Auch sein Handy enthält keine Informationen mehr und bei dem Versuch, seine eigene Nummer zu wählen, behauptet sogar jemand am anderen Ende Leitung, er zu sein. Marc sieht keine andere Chance, dem auf den Grund zu gehen, als die Klinik wieder aufzusuchen, in der alles begonnen hat, doch wo die sein sollte, befindet sich nicht das, was er erwartet hätte. Allerdings trifft er auf eine geheimnisvolle Frau, die mehr über ihn zu wissen scheint, als er selbst. Doch kann sie ihm auch dabei helfen, sich selbst und seine Realität wiederzufinden?
Rezension:
Sebastians Fitzeks Roman "Splitter" ist von der ersten Seite an unglaublich spannend und fesselt seine Leser bis zu letzten Minute. Man geht gemeinsam mit dem Protagonisten auf die Suche nach der Realität und ist ebenso verwirrt über all die merkwürdigen Geschehnisse wie Marc Lucas selbst. Immer wieder glaubt man zu ahnen, worauf alles hinauslaufen könnte, doch immer wenn man der Lösung besonders nahe scheint, bringt der Autor eine neue Wendung ins Spiel, die wieder alles verwirft und neue Möglichkeiten eröffnet. Das Spiel mit der Psyche des Menschen ist ebenso verwirrend wie erschreckend, denn man fragt sich durchaus an manchen Stellen, wie man selbst reagieren würde, wenn einem etwas ähnliches passieren würde.
Leider ist die Geschichte so verschachtelt und enthält so viele "Splitter" eines Ganzen, dass es dem Autor zum Ende hin nicht gelingt, sie alle zur völligen Zufriedenheit zu einem Ganzen zusammenzufügen. Es bleiben durchaus einige Fragen offen oder man mag sich einfach nicht so recht vorstellen, warum die vermeintliche Lösung ein so kompliziertes Vorgehen gerechtfertigt hätte. Doch auch wenn man am Ende ein wenig enttäuscht von der Auflösung sein mag, nimmt das nicht die Spannung aus dem Roman. So lange man ihn liest, ist es definitiv eine extrem spannende und intensive Geschichte.
Die Charaktere entwickeln im Laufe der Zeit ein faszinierendes Eigenleben und wirken absolut real. Die Geschichte spielt in Berlin und wer hier lebt oder die Stadt kennt, bekommt dadurch ein zusätzlich reales Gefühl für die Geschichte, da man selbst vielleicht gerade erst an genau der Stelle war, von der man im Buch liest. Zusätzlich gibt es eine Webseite, die im Roman genannt wird. Ruft man sie auf, entdeckt man einen Teil des Romans, der sich plötzlich absolut real im eigenen Leben wiederfindet, so verschwimmen die Grenzen zwischen Fiktion und Realität ein weiteres Mal.
Fazit:
Wer einen unterhaltsamen Mystery-Psychothriller zu schätzen weiß, wir an "Splitter" sicherlich seine Freude haben. Nur von der Auflösung sollte man sich nicht zu viel erwarten, die bleibt leider definitiv hinter dem genialen Storytelling zurück.