Sternensturm (Autor: Adam Roberts)
 
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Sternensturm von Adam Roberts

Rezension von Ralf Steinberg

 

Verlagsinfo:

Stellen Sie sich ein Universum vor, das nach ganz anderen physikalischen Regeln funktioniert. In dem die Planeten so eng aneinander liegen, dass man mit Flugzeugen und Zeppelinen zwischen ihnen hin- und herfliegen kann. In dem sich die menschliche Zivilisation wie Nomaden von einer Welt zur nächsten bewegt. Und in dem es ein wohlgehütetes Geheimnis gibt. Denn dieses Universum ist eine perfide Illusion …

 

Rezension:

Adam Roberts macht es seinen Lesern nicht leicht. Sein Polystom, dessen deutscher Titel „Sternensturm“ mehr als sinnfrei ist, beginnt zunächst mit der ausführlichen Vorstellung des Protagonisten Polystom. Dieser ist ein Spross der herrschenden Klasse, innerhalb eines Systems, dass dem englischen Empire des 19.Jahrhunderts gleicht. Jeder hat seine feste Position darin, Abweichungen werden nicht geduldet, lediglich der Adel hat gewisse Freiheiten und auch hier nur die Männer.

Polystom ist jung und eigentlich ein Feingeist, liebt Lyrik und verschließt sich instinktiv gegen eine Welt, die recht wenig Poesie enthält.

Der im Klappentext beworbene physikalische Hintergrund von einem Sonnensystem, dessen Planeten dicht genug beieinander stehen um in einer Art gemeinsamer Atmosphäre zu liegen, führt Roberts sehr gründlich und dabei doch recht locker ein, indem er Polystom einen Flug zu seinem Onkel Kleonikles unternehmen lässt, der auf dem Mond wohnt. Dabei wird nicht nur die erstaunliche Reiseart genauer untersucht, inklusive des Austausches der Drehflügel seines Propellers, um in der dünneren Luft besser fliegen zu können. Das alles öffnet uns in wenigen Sätzen den ganzen Horizont voll Möglichkeiten, die diese Welt bietet.

Dennoch bleibt Roberts in erster Linie zunächst an der Figur des verträumten Adligen dran und dringt immer tiefer in sie ein. Verstörend zunächst ist die Erzählweise in Form von Blättern aus einer art Tagebuch Polystoms, die immer wieder durch Hinweise auf fehlende Sätze oder ungenaue Übersetzungen eine bewusste Betrachtungsebene außerhalb Polystoms Welt offenbart. Jedoch bleibt der Leser lange Zeit darüber im Unklaren, was es mit dieser nachträglichen Betrachtung der Ereignisse auf sich hat.

Polystom, der durch den Tod seines Vaters und dessen Lebensgefährten zum Verwalter des Planeten oder eines Teiles davon wurde, leidet unter dieser weltlichen Verantwortung. Doch da er seine Stellung ausfüllen muss, wird er zur Heirat gedrängt, in der Hoffnung, ihn dadurch mehr mit der Wirklichkeit zu verbinden.

In einer Art romantischer Verklärtheit wählt er dabei eine Frau aus, die wie eine Seelenverwandte für ihn zu sein scheint, Beeswing (schade, dass Usch Kiausch hier keine treffende Übersetzung einfiel). Jedoch ist Polystom bereits so zwischen gesellschaftlicher Verpflichtung und ideologischen Druck gefangen, dass er es nicht schafft, mit seiner Frau auf jener Weise zu kommunizieren, die ihnen beiden liegt. Stattdessen reagiert er immer stärker mit Unverständnis und traditionellen Verhaltensmustern, an denen letztendlich Beeswing zerbricht, aber auch Polystoms Psyche erhält eine Wunde, die nicht mehr zu heilen ist.

An dieser Stelle beginnt der zweite Teil des Romans, der nun weg vom Drama hin zur SF führt.

Polystoms Reaktion auf die starken Einbrüche der Wirklichkeit in seine Gedankenwelt ist ein immer stärkerer Wunsch nach gesellschaftlicher Anerkennung. So zieht er in den Krieg auf die Schlammwelt, um seinen Anteil für das Reich zu leisten, einer hehren Idee der Armee und der Ehre auf dem Schlachtfeld folgend. Doch sein empfindsames Gemüt ist dem nicht einmal ansatzweise gewachsen. Polystom zerbricht im Schlamm und Elend des Krieges, der den Schlammschlachten des ersten Weltkrieges gleicht, verbunden mit einem Gegner, der in der Art der Nordvietnamesen einen Kampf aus dem Dunkel heraus führt und dabei die Unterstützung der Natur zu haben scheint.

Polystom wird in seiner zerrütteten Psyche immer labiler, zunehmend verschiebt sich, was real und was Illusion ist. Er beginnt den Geist seiner Frau zu sehen und über sie gerät er an die Grenzen seiner Existenz, oder die der ganzen Welt.

Besonders zum Schluss hin wird deutlich, wie weit Roberts in seinem Roman die Idee der Realitätsdefinition treiben möchte. Er liefert damit einen interessanten erkenntnistheoretischen Beitrag, der im besten Sinne das ist, was SF sein soll. Ein Überdenken der Realität.

 

Heyne versah den dritten Roberts-Roman in seinem Programm mit einem Titel, der den Eindruck erweckt, es handle sich um den dritten Teil einer Trilogie, dem ist aber nicht so. Auch das Titelbild führt den Leser in die Irre. Sternensturm ist weder eine Space Opera, noch ein Kriegsgemälde. In erster Linie ist der Roman ein erstaunliches Drama und ein gelungenes Spiel mit einer alternativen Welt.

 

Fazit:

Im Gegensatz zu Sternenstaub gelingt Robets mit Sternensturm eine beachtliche Leistung. Das tragische Zerbrechen seiner Figuren an gesellschaftlicher Realität verbindet er mit einem erstaunlichen Kosmosentwurf und einer durchdachten Beschäftigung mit dem Wesen von Sein und Schein. Keine leichte Kost, aber lohnend für alle, die mehr als pure Unterhaltung in einem SF-Roman suchen.

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240424191336588a1a49
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Buch:

Sternensturm

Autor: Adam Roberts

Original:Polystom, 2003

Übersetzerin: Ursula Kiausch

Heyne, Juli 2007

Paperback, 448 Seiten

Titelbild: Stephan Martinière

ISBN-10: 3453522907

ISBN-13: 978-3453522909

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 07.08.2007, zuletzt aktualisiert: 18.02.2024 09:28, 4639