The Hole – Wovor hast du Angst? (BR; Abenteuer; FSK 16)
Filmkritik von Torsten Scheib
Rezension:
Ah, Joe Dante! Ein Name, der Erinnerungen weckt – besonders, wenn man in den seligen 80ern aufwuchs: Gremlins (1984), Explorers – Ein fantastisches Abenteuer (1985), Die Reise ins Ich (1987) und – wenn man das Glück hatte, Carte Blanche fürs Spätprogramm zu ergattern – Piranha (1978) und Meine teuflischen Nachbarn. Mit untrüglich narrativen Gespür, irgendwo stets zwischen B-Movie-Vergangenheit und Blockbuster-Zukunft pendelnd, offerierte der Mann aus New Jersey herrlichen Kintopp der guten alten Zunft, die einen sowohl vor Schrecken zusammenfahren ließ als auch zum Lachen animierte. Ähnlich wie John Landis besaß Dante ein untrügliches Auge dafür, das Grauen durch humoristische Einlagen zu relativieren und umgekehrt. Gleichzeitig vergaß der Kult-Regisseur so gut wie niemals, den zumeist cineastischen Vorbildern von einst augenzwinkernd aber respektvoll seine Huldigung zu erweisen sowie gleichermaßen und mit sichtlicher Freude der biederen US-Vorstadtbevölkerung hämisch grinsend einen Spiegel unter die Nase zu halten. Schon »Gremlins« konterkarierte die heile Kleinstadtwelt der Reagan-Ära vortrefflich, ehe die Paranoia innerhalb der Vorgärten und frisch gestrichenen Einfamilienhäuser in »Meine teuflischen Nachbarn« perfekt auf die Spitze getrieben wurde. Ein ähnlicher Wahn findet sich auch in der, ein Jahr später gedrehten Fortsetzung seines größten Erfolgs, Gremlins II – Die Rückkehr der kleinen Monster (1990) wieder. Mit einem gewaltigen Unterschied: was sechs Jahre zuvor leicht, unbeschwert und vor allem harmonisch daherkam, wirkte im zweiten Teil entweder sehr platt, sehr erzwungen oder einfach nur sehr lächerlich. Selten gelang es einem Regisseur wohl, so leicht das selbst erschaffene Denkmal vom Sockel zu stoßen und binnen Rekordzeit praktisch jegliche Reputation von Seiten der Studios verspielt zu haben. Danach tingelte Dante mehr schlecht als Recht von einer Fernseh-Auftragsarbeit zur nächsten, bis man ihn 1998 für Small Soldiers erneut fürs Kino verpflichtete und Dante bewies, dass er auch noch in den 90ern vortrefflich die Kleinkariertheit seiner Mitbürger überspitzt wiedergeben konnte und synchron dazu ein vortreffliches Garn für die ganze Familie zu spinnen vermag.
Von so viel neuerlicher Höhenluft animiert, beschloss Dante daraufhin eine Mischung aus Real- und Zeichentrickfilm zu realisieren, in der bekannte Stars gemeinsam mit Bugs Bunny und Co. interagieren. Das Ergebnis: Looney Tunes – Back in Action (2003). Eine Box Office-Bombe, die nicht mal annähernd ihre 80 Millionen einspielen konnte. Seitdem ist es still geworden um Dante; sehr still sogar. Abgesehen von zwei soliden Beträgen innerhalb der Masters of Horror-Fernsehreihe entsagte sich Dante weitestgehend neuen Projekten. Umso überraschender daher auch die unvermittelte Rückkehr mit The Hole. Ein erfreuliches Comeback? Oder doch eher das Gegenteil?
Auf jeden Fall setzt Dante auf vertrautes Terrain, genauer gesagt auf die (fiktive) Kleinstadt Bensonville. Dorthin verschlägt es die gebürtige New Yorkerin Susan (Teri Polo) gemeinsam mit ihren beiden Söhnen Lucas (Nathan Gamble) und Dane (Chris Massoglia). Der nächste Neuanfang, irgendwo im Nirgendwo, weit entfernt von den Problemen ihrer früheren, von Gewalt geplagten Existenz …
Dennoch sind sich die beiden Brüder bereits nach kurzem einig: dieser Ort ist todlangweilig; kein Vergleich mit der pulsierenden Ostküsten-Metropole! Einzig die gleichaltrige Julie aus dem Nachbarhaus (Haley Bennett) bringt für den Teenager Dane ein wenig Abwechslung. Dumm nur, dass das hübsche Mädchen zumeist von Typen umgarnt wird, gegen den der leicht introvertierte Junge absolut chancenlos ist. Von der Last seines kleinen Bruders gar nicht erst zu reden, für den er praktisch nonstop den Babysitter spielen darf. Eine simple schwarze Luke im Keller sorgt aber schließlich dafür, dass die drei – mehr oder minder ungewollt – zusammenkommen. Denn was sich dahinter verbirgt, mag auf den ersten Blick banal erscheinen, entpuppt sich aber rasch als das Gegenteil. Das pechschwarze Loch, welches die ganze Zeit hinter der gut abgesicherten Barrikade verborgen war, scheint nämlich kein Ende nehmen zu wollen. Zumindest nicht, wenn man nach den Maßstäben von einer Handvoll Nägeln geht, die in der Finsternis verschwinden, ohne jemals das Klimpern des Aufpralls von sich zu geben. Und was ist mit der Taschenlampe, die scheinbar ohne Fremdeinwirkung verschwand, nachdem sie an einem Seil in die Tiefe herabgelassen wurde?
Nach derlei Erfahrungen ist dem Trio eine Sache klar: mit diesem Loch stimmt etwas nicht – und zwar gewaltig. Darum Klappe zu und vergessen, was vorgefallen war? Oder es lieber doch einer erwachsenen Bezugsperson beichten? Aber was, wenn sich der vermeintliche Schrecken als Mumpitz herausstellen sollte; als die Einbildung von überdrehten Kinder- und Teenagerphantasien?
Die, notgedrungen zur kleinen Gemeinschaft zusammengeschweißte Gruppe entschließt sich für die erste Option. Ein Fehler! Denn das Dunkel, das hinter der Luke lauert, hat nur auf neue Beute gewartet; potenzielle Opfer, die es mit ihren schlimmsten Phobien und furchtbarsten Erlebnissen von einst heimsuchen kann …
Es ist eine klassische Gruselmär, welche uns »The Hole« präsentiert; ein dunkles Märchen, das fraglos überwiegend auf ein junges bzw. jung gebliebenes Publikum zielt. Dagegen ist auch grundsätzlich nicht das Geringste einzuwenden; weit gefehlt. Wie bereits erwähnt, hat Regisseur Dante auf diesem Gebiet Erfolg und Erfahrung, weshalb es nur legitim ist, den Mann als künstlerischen Leiter engagiert zu haben. Ebenso hat auch meine Wenigkeit die charmant-grusligen Werke von einst nicht vergessen; vielmehr haben die »Gremlins« oder auch die »Explorer« samt ihrer ganz eigenen Magie einen ganz speziellen Platz in meinem Herzen eingenommen. Eine Magie, die in »The Hole« – wenn überhaupt – nur sehr marginal vorhanden ist. Es sind besonders die kleinen Dinge, die ins Auge oder Ohr fallen. Etwa der zu gleichen Teilen nervige wie uninspiriert daherkommende Soundtrack. Freilich, ein Budget von nicht mal 15 Millionen Dollar würde bestenfalls ausreichen, dass ein gestandener Filmkomponist zwei, drei Noten aufs Papier kritzeln würde, doch warum ausgerechnet ein fraglos talentierter Komponist wie der noch relativ unbekannte, allerdings Oscarnominierte Spanier Javier Navarrete (u. a. Pans Labyrinth und Mirrors) solch eine eklatante Bauchlandung hinlegt, dürfte wohl für immer sein Geheimnis bleiben. Die ansatzweise Verbeugung vor Dantes einstigem Haus- und Hofkomponisten, dem 2004 verstorbenen Jerry Goldsmith, darf zwar durchaus aus gelungen betrachtet werden, doch was danach kommt … nun ja. Jeder mag mal einen schlechten Tag haben, auch ein Javier Navarrete. Zumindest hätte er während seiner Tätigkeit den Produzenten stecken sollen, dass miese Synthieklänge schon in den 80ern zumeist nervten oder einfach nur furchtbar billig klangen; B-Movie-Reputationen hin oder her. Besseres Equipment bitte! Oder ging die Kohle komplett fürs 3D drauf? Auf jeden Fall geht diese mutmaßliche Hommage gründlich in die Hose.
Bleiben wir aber noch ein Weilchen beim Budget. Das man Dante nur noch äußerst ungern größere Summen zur Verfügung stellt, macht Sinn – und ist eigentlich auch gar nicht mal so sehr dramatisch. Ein versierter Regisseur (und Dante ist fraglos einer) macht auch aus Wenigem Viel. Manchmal sogar noch mehr, wie diverse Werke aus der jüngsten Vergangenheit beweisen. Aber auch hier kommt unterm Strich nur herzlich wenig bei raus. Dantes Inszenierung ist schlichtweg zu zahnlos, zu brav, zu einfallslos. Es fehlen einfach jene Aha-Momente, die etwa bei »Gremlins« dafür verantwortlich waren, dass sich die Kids erschrocken in ihren Kinosesseln vergraben hatten, während sich Mama und besonders Papa breit grinsend daneben wieder fanden. Ein weiterer eklatanter Schwachpunkt ist außerdem das von Mark L. Smith verfasste Drehbuch, welches ferner von keinem Geringerem als Guillermo del Toro nachbearbeitet wurde. Und, ganz ehrlich: Smiths erste Script-Fassung möchte man sich eher nicht ausmalen. Selbst mit del Toros Hilfe wirkt die Story abgeschmackt, hat zu viele Längen, verspielt gute Chancen en masse und ist überdies von Personen bevölkert, die vorherrschend dem Klischee-Baukasten entsprungen sind. Es fehlen einfach die Ecken und Kanten, die dafür sorgen, dass man mit den jungen Helden mitfiebert; womöglich der prägnanteste Mangel in »The Hole«. Den Darstellern kann man übrigens kaum Vorwürfe machen; hier wird jeder Part solide verkörpert, wobei man innerhalb dieser Gruppe durchaus den 13-jährigen Nathan Gamble lobenswert erwähnen sollte. Seine Darstellung ist stets einen Tick besser und nuancierter. Von diesem jungen Herrn wird man wohl in Zukunft noch des Öfteren sprechen – von »The Hole« wohl weniger. Was umso schwerer wiegt, nachdem man das Finale gesehen hat; den besten Beweis, dass es Joe Dante doch noch immer »drauf hat«. Der Abstieg hin zum Kern der Finsternis, welche in einer unheimlich-bizarr-entfremdeten Welt mündet, ist auf jeden Fall Dante der alten Schule und bedient sich deutlich an Versatzstücken von It’s a good Life, Dantes Beitrag zum Twilight Zone-Film, Unheimliche Schattenlichter (1983). Überwiegend ohne lästiges CGI-Beiwerk, wohlgemerkt. Ein weiterer nostalgischer Trip in die Vergangenheit, der diesmal auch erstaunlich gut funktioniert.
Zum Abschluss noch ein paar Worte zur blauen Scheibe: gute Farben, überzeugende Tiefen, hier und da allerdings ein paar Schärfen, die eindeutig übers Ziel hinausschießen. Der Sound ist makellos und sehr gut abgemischt. Als Bonus gibt es gewohnte Kost: Making-of, Interviews, Eindrücke vom Set. (Leider) nichts Neues also.
Fazit:
Unbeschwerter Gruselspaß für Jung und alt? Eher nicht. Bisweilen hat »The Hole« einfach zu viel von einem trivialen Disney-Filmchen, um als Joe Dante-Machwerk bestehen zu können. Es fehlt einfach das gewisse Etwas vergangener Tage. In der Schule gäbe es dafür ein »ausreichend«. Zu wenig, um von einem gelungenen Comeback zu sprechen. Das können sie besser, Mister Dante!
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