The New Daughter (DVD; Horror; FSK 16)
Rezension von Torsten Scheib
Rezension:
Hoppla – Kevin Costner in einer Videopremiere? Vor nicht allzu langer Zeit wäre so etwas völlig undenkbar gewesen; gehörte der gebürtige Kalifornier zur absoluten Speerspitze von Hollywoods Schauspieler-Elite. Mit soliden bis sehr guten Leistungen vor allem in den späten 80er Jahren (u.a. The Untouchables – The Unbestechlichen und No Way Out) setzte Coster nachhaltig eine Duftmarke, bevor er die Traumfabrik mit seinem Western-Epos Der mit dem Wolf tanzt (1990) und dem darauf folgenden Oscarreigen (unter anderem auch für den Regisseur Costner) die Traumfabrik nachhaltig erschütterte. Danach, so schien es, konnte es für Costner nur einen Weg geben: nach oben. Und tatsächlich – mit Mega-Blockbustern wie Robin Hood – König der Diebe (1991), JFK – Tatort Dallas (ebenfalls 1991) und nicht zuletzt der Kitsch-Schmonzette Bodyguard (1992) zementierte er den Ruf eines neuen Gary Coopers und ließ die Kinokassen weltweit mächtig klingeln.
Doch schon bei »Bodyguard« zeigte die vermeintlich unbestreitbare Position des Superstars Kevin Costner, wenngleich auch erst bei genauerer Betrachtung, feine Risse. Trotz der Unsummen, die besagter Film einspielte, wurde er von den meisten Kritikern aufs Übelste zerrissen und letztlich gleich sieben Mal für die Goldene Himbeere, den ultimativen Anti-Oscar nominiert.
Doch sollte es noch schlimmer kommen. Als sich Costner 1995 für den Science Fiction-Film Waterworld verpflichten ließ, ahnte er (vermutlich) mit Sicherheit nicht, was da auf ihn zukommen würde. Nicht nur, dass der Film global auf völlige Missgunst von Seiten der Kritiker stieß, sorgte vor allem das für damalige Verhältnisse gigantische Budget von 175 Millionen US-Dollar für Schnappatmung und Kopfschütteln. Wenngleich »Waterworld« immerhin 264 Millionen Dollar einspielen konnte, so war Costners bis dato makellose Reputation auf einmal wie weggefegt. Aus der einstigen, hell strahlenden Sonne war praktisch über Nacht ein schwarzes Loch geworden; pures Kassengift, das man ab sofort nur noch mit der Kneifzange anfassen sollte – wenn überhaupt.
Infolge dessen diente die Post-Ära nach »Waterworld« nur einem Zweck: der Wiedergutmachung. Doch statt seine alte Reputation wiederherzustellen, legte Costner mit seinem zweiten Mega-Flop Postman (1997) direkt die nächste schmerzhafte Bauchlandung hin; eine Erfahrung, von der er sich bis heute nicht richtig hatte erholen können. Erst 2006, mit dem etwas verkannten Psychothriller Mr. Brooks – Der Mörder in dir gelang es Costner erstmals, wieder Akzente zu setzen; diesmal als schizophrener Serienmörder und damit als komplettes Gegenstück zu jenen heroischen Rollen, für die Costner mehr als zwei Jahrzehnte bekannt war.
Derlei schmerzliche Erfahrungen hat Spanier Luiso Berdejo (bislang) noch nicht gemacht. Im Gegenteil: dank den meisterhaften Horroralpträumen [REC] (2007) und [REC²] (2009) platzierte er das Urlaubsland Spanien zusammen mit seinem Regiekollegen Jaume Balagueró mit Nachdruck auf die Landkarte des Schreckens. Verständlich also, dass danach der Weg nach Übersee beziehungsweise dessen Lockruf nur eine Frage der Zeit war. Wo andere den Verlockungen des Geldes erliegen und infolgedessen ihr Talent und ihre Visionen zugunsten eines üppigen Bankkontos und dem Aufgeben jeglicher künstlerischer Freiheit aufgeben, entschied sich Berdejo für den anderen Weg; einen eher überschaubaren Geister-Thriller, der – verglichen mit den blutigen Vorgängern – eine andere Richtung einschlägt.
Nach der reichlich schmerzhaften Scheidung mit seiner Frau sucht der Schriftsteller John James (Kevin Costner) die Flucht nach vorne. Raus aus der Stadt, rein ins beschauliche Landleben. Nicht nur um seines Willen, sondern vor allem seinem kleinen Sohn Sam (Gattlin Griffith) und Tochter Louisa (Ivana Baquero) zuliebe. Das neue Domizil, ein klassisches Herrenhaus, der herzliche Empfang der neuen Nachbarn und nicht zuletzt die herrliche wäldliche Gegend lassen auch gleich das Beste hoffen. Doch hinter dieser Fassade lauert bereits ein unheimlicher Schrecken aus der Vergangenheit, der sich schon in der ersten Nacht ins Leben der Familie James respektive dem von Louisa schleicht: eigenartige Geräuschen, welche ihren Ursprung direkt vor ihrem Zimmer zu haben scheinen. Kurz danach stößt die Teenagerin in Begleitung mit ihrem Bruder auf mehrere Hügel; Grabstätten aus einer längst vergessenen Vergangenheit. Wohingegen Sam augenblicklich Furcht für die sonderbaren Formen entwickelt, fühlt sich ihre Schwester von ihnen immer mehr angezogen. Immer wieder sucht sie den Weg dorthin – und verändert sich. Vorerst unbemerkt vor den Augen seines Vaters, bis dieser eines Morgens die zerfetzten Überreste der Hauskatze entdeckt. Daraufhin wird John ebenfalls mit den Hügeln konfrontiert und stellt Nachforschungen an. Dabei lernt er eine hässliche Seite des neuen Hauses kennen, welches mit dem Verschwinden einer Frau zu tun hat. Wieder daheim, geht der Schrecken weiter, entdeckt der zweifache Vater schlammige Fußspuren, welche direkt zu Louisa führen, die ihrerseits im Besitz einer unheimlichen Strohpuppe ist …
Die Gorehounds und »[REC]«-Fans werden mit Sicherheit nur bedingt ihre Freude an The New Daughter haben; Anhänger von Geister- und »Haunted House«-Stories im Stile von The Sixth Sense (1999), The Others (2001) oder The Orphanage – Das Waisenhaus (2007) sollten dagegen schon mal ihre Termine absagen und es sich vor dem heimischen Fernseher gemütlich machen.
Im Stile der besten Arbeiten eines M. Night Shyamalan nimmt sich Berdejo Zeit; schlägt ein eher gemächliches Tempo an, welches aber gerade in diesem Sub-Genre geradezu unerlässlich ist. Mit simplen und niemals überfrachteten Tricks breitet er kontinuierlich eine wirklich bemerkenswerte Atomsphäre aus und offenbart dadurch eine weitere Seite innerhalb seines bisherigen Werdegangs. Dementsprechend wird das immer dominanter werdende Grauen innerhalb der Familie Jones auch nicht mit dem Holzhammer verabreicht, sondern in gut dosierten Einheiten. Trotz oder gerade wegen des überschaubaren Budgets von knapp 15 Millionen Dollar verzichtet der spanische Regisseur gottlob überwiegend auf unglaubwürdigen Schnickschnack aus dem Computer und verlässt sich auf den klassischen Schrecken der alten Schule: unheimliche Geräusche, mysteriöse Spuren, unvermittelte Erscheinungen … die Palette ist groß und sicherlich ebenso überschaubar wie bekannt.
Doch letzten Endes kommt es ja auch auf das »Wie« an – und dies ist in diesem Falle mehr als überzeugend; trotz des zwar konsequenten, aber in dieser Form längst überreizten Finales. Doch nicht nur die sehr gute Regie und das exzellente Drehbuch (das auf einer Kurzgeschichte des Iren John Connolly basiert) verhelfen »The New Daughter« zu einem Einstand nach Maß; es muss auch der wirklich gute Cast lobend erwähnt werden, wenngleich es zu Beginn durchaus ein wenig irritierend erscheinen mag, ausgerechnet Kevin Costner in einer klassischen Spukgeschichte vorfinden zu müssen. Doch der Mann spielt seine Rolle mit Bravour und Überzeugung, Attribute, die ebenfalls seiner Filmtochter Ivana Baquero zugeschrieben werden müssen, die bereits 2006 Guillermo del Toros ähnlich geartetes Meisterwerk Pan’s Labyrinth mithilfe ihres unschuldig-fragilen Auftretens veredelte. Zwar finden sich mit dem Londoner Noah George Taylor und der New Yorkerin Samantha Mathis zwei weitere prominentere Gesichter wieder, dem Status als Beiwerk können jedoch beide nicht wirklich entfliehen, wenngleich es durchaus ein wenig sinnlos erscheint, Mathis Alter Ego als »Love Interest« darzustellen, die zarten Bande zwischen ihr und Costner danach aber viel zu abrupt gekappt werden. Unterm Strich bleibt aber dennoch ein wirklich sehenswerter Genre-Beitrag, der den geneigten Zuschauer die meiste Zeit zu fesseln vermag.
Fazit:
Mit »The New Daughter« legt der spanische Regisseur Luiso Berdejo nicht nur sein amerikanisches Spielfilm-Debüt vor, sondern außerdem einen Beweis für seine Vielseitigkeit. Ganz im Stile der klassischen Spukhaus-Mären gelingt ihm mit seinem Werk eine unheimlich gute Schauergeschichte, deren drohende Atmosphäre und die stets zum richtigen Zeitpunkt eingesetzten Schrecken zu überzeugen wissen. Selbst die kleinen bis mittelschweren Ausrutscher im dritten Akt nimmt man daher auch mit Wohlwollen zur Kenntnis.
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