The Road (DVD; Drama; FSK 16)
 
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The Road

Filmkritik von Torsten Scheib

 

Rezension:

Ein Vater wandert mit seinem Sohn die Straße entlang … was sich wie ein alltägliches Szenario innerhalb einer geordneten Welt anhört, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Illusion; als traurig stimmendes Puzzleteilchen des unweigerlich der finalen Auslöschung näher kommenden Planeten, dominiert von den entsetzlichen Auswirkungen der Postapokalypse: klirrende Kälte. Aschewolken, welche die Sonne verbannt haben. Praktisch keine Flora und Fauna mehr. Überlebende, die – wie der Planet, auf dem sie hausen – ihr unweigerliches Ende lediglich hinauszögern und dabei bisweilen auf barbarische Entwicklungsstufen zurückgefallen sind, die mitunter sogar Kannibalismus tolerieren.

Ein alltäglicher, ja minütlicher Überlebenskampf also, dem sich der namenlose Vater (Viggo Mortensen) gemeinsam mit seinem gleichfalls namenlosen Sohn (Kodi Smit-McPhee) zu stellen hat. Alles, was den beiden geblieben ist, befindet sich in einem zerbeulten Einkaufwagen wieder; eine geradezu lächerlich minimale Ansammlung für die Blicke Außenstehender, doch in Zeiten des globalen Holocausts eine Anhäufung von Reichtümern, gleichwohl ob es sich dabei um zerschlissene Turnschuhe oder einen zerrissenen Regenmantel handelt; dominiert von einem alten Revolver und einer Handvoll Munition. Letztgenannter Gegenstand ist die einzige Verteidigung des vagabundierenden Gespanns und im Falle des Unweigerlichen der hoffentlich schnelle, schmerzlose Ausweg. Für den Vater birgt die Schusswaffe zudem aber noch bittersüße Erinnerungen; Fragmente einer längst vergessenen Zeit, in der er und seine hochschwangere Frau (Charlize Theron) vorfreudig der Zukunft und der anstehenden Geburt ihres Kindes entgegenblickten, bevor alles binnen eines Wimpernschlages über den Haufen gefegt wurde wie Figuren innerhalb eines äußerst makabren Brettspiels.

Doch ist womöglich nicht alle Hoffnung verloren; vermag das winzige, unscheinbare Licht am Ende des Tunnels doch einen Ausweg offerieren – die Küste. Doch noch ist es ein weiter Weg bis dorthin, gesäumt mit unmenschlichen Strapazen und Gefahren …

 

Mit seinem, unter anderem mit dem renommierten Pulitzer Preis ausgezeichneten Roman Die Straße versuchte sich der nicht minder geschätzte US-Autor Cormac McCarthy anno 2006 nur oberflächlich an einem postapokalyptischen Roman. Verglichen mit den Heerscharen anderer Autoren, welche das – zumeist nukleare – Ende der Welt für oftmals leidlich spektakuläre, letztlich aber dadurch nur umso unglaubwürdigere Szenarien verwendeten, dient der Rückfall in die Barbarei nur als Mittel zum Zweck; als eine Art Katalysator, welcher das Herz und die Seele der Geschichte umso deutlicher herausfiltert: die Liebe eines Mannes zu seinem Sohn. Eine schlichte, fast schon abgemagert wirkende Prämisse, die aufgrund von McCarthys nicht minder simplen, bis aufs Äußerste reduzierte Stil umso kraftvoller wirkt – besonders innerhalb jener bedrückenden Atmosphäre, die aufgrund der Umstände gleichermaßen abgemagert und ausnahmslos nihilistisch ist. Nicht unbedingt die besten Grundvoraussetzungen für einen typischen Hollywood-Kinofilm, oder?

 

Wenn der zuständige Regisseur ein Amerikaner wäre – mit ziemlicher Sicherheit. Kluger- und auch löblicherweise entschieden sich die Produzenten der Verfilmung mit John Hillcoat für einen Nichtamerikaner. Ein weiser Schachzug, da es gerade die ausländischen Regisseure sind und waren, die dank ihrer eigenen, weniger amerikanisch eingefärbten Sicht der Dinge neue Akzente zu setzen vermögen. Zusätzlich ergänzt sich das bisherige Schaffen des Australiers Hillcoat perfekt mit der ihm anvertrauten Aufgabe: neben Videoclips für Siouxsie and the Banshees und Nick Cave (der überdies den Soundtrack für The Road geschrieben hat) hat der Mann aus Down Under nämlich außerdem mit der, im heimatlichen Outback angesiedelten Zivilisationskritik The Proposition – Tödliches Angebot (2006) ein nahezu perfektes Bewerbungsvideo abgeliefert und damit den besten Beweis, dass »The Road§ in seinen Händen durchaus gut aufgehoben sein könnte.

Dabei folgt Hillcoat der literarischen Vorlage und entfernt sich bewusst und konsequent von den Verlockungen des typischen Blockbuster-Allerleis: keine groß angelegten Effekthaschereien, keine Verwässerung der Vorlage. Die Nüchternheit, mit der hier die grausigen Momentaufnahmen einer sterbenden Welt eingefangen werden, kommt mit der gleichen Wucht daher wie es schon im Buch der Fall war. Tote Wälder, Ruinen, Zerfall. Selten wurde die Apokalypse so überzeugend und niederschmetternd auf Zelluloid gebannt wie hier. »Intensiv« wäre in diesem Fall eine Beschreibung, die nur teilweise passen würde. Wo ähnlich geartete Filme meistens ihre Grenzen haben, was die Bedrückung darin betrifft, wagt sich Hillcoat weiter hinein in das düstere Territorium, lullt den geneigten Zuschauer hie und da mit falschen Versprechen ein, nur um danach den nächsten visuellen Schlag in die Magengegend auszuführen. Seit The Day After (1983) und dem etwas in Vergessenheit geratenen, nicht minder durchdringenden Das letzte Testament (1983) hat es solche erdrückenden Aufnahmen nur sehr selten gegeben. Vervollständigt wird dieses einschneidende Erlebnis schließlich durch eine, wie zu erwarten, überwältigende Darbietung von Viggo Mortensen, der dem Überlebenskampf und, teilweise auch der immer schwerer wiegende Bürde der niederschmetternden Hoffnungslosigkeit eine physische Präsenz gibt, die neben dem abgemagerten, vor Kälte zitternden Körper ferner durch simple, dadurch aber umso aussagekräftigere Gesten zu einer Einheit verschmilzt, die es letzten Endes schafft, ähnliche Gefühle in dem geneigten Zuschauer zu entfachen. Selbst die, ausnahmslos soliden (Kurz-)Auftritte von Schwergewichten wie den beiden Oscar-Preisträgern Robert Duvall und der eingangs erwähnten Charlize Theron, Garret Dillahunt, Guy Pearce oder der sträflich verkannten Kanadierin Molly Parker schaffen es nicht, in Mortensens Bereich vorzudringen. Wobei diese Liste nicht komplett wäre ohne den vierzehnjährigen Kodi Smit-McPhee, der als Mortensens Filmsohn Hervorragendes leistet.

 

Fazit:

»The Road« – das ist definitiv kein Film für die leichte Sonntagabendunterhaltung. Intensiv, schmerzhaft, dank der schlichten, aber gleichermaßen universellen Botschaft aber auch Kraft und Hoffnung gebend, stellt dieses verkannte Meisterwerk gleichzeitig einen unverblümten Blick auf die zerstörerische Kraft der Spezies Mensch dar – sowie auf die unerschütterliche Kraft der Liebe. Großes, aufwühlendes Kino, dessen Bilder man nicht so leicht vergessen wird.

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DVD:

The Road

Original: The Road

USA 2009

Regie: John Hillcoat

Format: Dolby, PAL, Widescreen

Sprache: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Englisch (Dolby Digital 5.1)

Untertitel: Deutsch

Region: Region 2

Bildseitenformat: 16:9 - 2.35:1

Umfang: 1 DVD

FSK: 16

Universum Film, 18. März 2011

Spieldauer: 108 Minuten

 

ASIN: B004D39P7E

 

Erhältlich bei: Amazon

DarstellerInnen:

  • Viggo Mortensen

  • Kodi Smit-McPhee

  • Robert Duvall

  • Guy Pearce

  • Molly Parker

  • Garret Dillahunt

  • Charlize Theron


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Erstellt: 22.06.2011, zuletzt aktualisiert: 17.11.2024 13:19, 11902