The Word for World is Forest (Autorin: Ursula K. Le Guin; Hainish-Zyklus)
 
Zurück zur Startseite


  Platzhalter

The Word for World is Forest von Ursula K. Le Guin

Reihe: Hainish-Zyklus

 

Rezension von Ralf Steinberg

 

Verlagsinfo:

When the inhabitants of a peaceful world are conquered by the bloodthirsty yumens, their existence is irrevocably altered. Forced into servitude, the Athsheans find themselves at the mercy of their brutal masters.

 

Desperation causes the Athsheans, led by Selver, to retaliate against their captors, abandoning their strictures against violence. But in defending their lives, they have endangered the very foundations of their society. For every blow against the invaders is a blow to the humanity of the Athsheans. And once the killing starts, there is no turning back.

 

Rezension:

1972 erschien Ursula K. Le Guins Erzählung The Word for World is Forest in der Anthologie Again, Dangerous Visions und erhielt prompt 1973 den Hugo in der Kategorie Best Novella. Sie beeinflusste viele SF-Autorinnen und Autoren und inspirierte unter anderem James Cameron zu seinem Blockbuster Avatar.

 

Die Erzählung spielt in Le Guins Hainish-Universum und erzählt die tragische Geschichte einer menschlichen Kolonie auf der Waldwelt New Tahiti. Die Kolonisten sollen nicht nur Siedlungen gründen sondern vor allem Holz abbauen, das auf der fernen Erde durch ökologischen Raubbau zum seltenen Luxusgut wurde. Die Arbeiter werden dabei vom Militär unterstützt. Ein Großteil der Arbeiten beruht allerdings auf der Ausbeutung einer einheimischen Spezies. Diese Creechie genannten Humanoiden besitzen grünes Fell, sind kindsgroß und verhalten sich seltsam traumwandlerisch. Sie reagieren nicht auf Gewalt und scheinen nie zu schlafen, obwohl sie die Ruhe weghaben.

Auch Captain Don Davidson verfügt über einen eigenen Creechie-Diener, der ihm auf seinem Posten als Chef eines Holzfäller-Camps zu Diensten ist. Davidson hasst den Urwald, sowie die für ihn primitiven Eingeborenen und genießt die Vernichtung der Natur. Er schafft Ordnung und bezwingt das Chaos. Doch als er von einer Besprechung im Hauptquartier zurückkehrt, ist sein Camp vernichtet und alle Menschen ermordet. Die als friedfertig eingeschätzten Creechies haben zurückgeschlagen …

 

Mit Captain Davidson, einem typischen Militär, beschreibt Le Guin eine sehr kaputte Menschheit. Umweltzerstörerisch, Frauen- und Fremden-feindlich. Nach und nach dringen wir tiefer in die Psyche dieses Mannes ein. Erfahren, dass er eine einheimische Frau vergewaltigte und töte. Dabei geschah der einzig bekannte aggressive Akt der Creechies. Denn der Mann der Getöteten ging auf Davidson los und nur das Einschreiten des Wissenschaftlers Raj Lyubov verhinderte, dass der Angreifer vom wesentlich stärkeren Captain zu Tode geprügelt wurde. Lyubov kümmerte sich danach um Selver und pflegte ihn gesund. Er erkannte dabei nicht nur, dass die Atsheans, wie sie sich selbst nennen, genau so intelligent sind wie Menschen, sondern sich jenen sogar überlegen fühlen, denn Menschen beherrschen nicht die Fähigkeit, die Traumzeit zu erleben und dass sie das Töten anderer Menschen bisher schlicht nicht kannten.

 

Le Guin wechselt mehrfach die Erzählperspektive um uns die Lebensweise der Atsheans näher zu bringen. Sie entwirft eine sehr naturverbundene Gesellschaft ohne Regierungsformen in der sich die Aufgaben durch Befähigungen ergeben. Führung im weitesten Sinne obliegt in den Städten der Atsheans jeweils einer weisen Frau, wobei sich ihr Ratschluss aus dem Zusammenspiel von Weisheit und Träumen ergibt.

 

Dabei gibt es in den Atshean-Gemeinschaften eine klare Teilung der Männer- und Frauenwelten. Damit ist Respekt und Gleichrangigkeit verbunden. Ganz anders die Kolonisten. Die Männergesellschaft lebt ihre Triebe zunächst an den sich nicht wehrenden Einheimischen aus. Später liefert man ihnen Frauen von der Erde, die in einer Art Fleischbeschau auf die Kolonisten verteilt werden.

 

Die Eskalation wird unausweichlich, da die Zerstörung des Waldes für die Atsheans lebensbedrohlich ist. Welt und Wald besitzen in ihrer Sprache dieselbe Bedeutung, die Zerstörung des Waldes bedroht ihre Lebensweise, ihre Welt, ihr Weltbild. Doch erst Selver lernt durch die Verbrechen Davidsons, darauf mit Gewalt zu reagieren. Zwar töten auch die Atsheans auf der Jagd Lebewesen, aber bisher gab es nie Gewalt gegen intelligente Wesen. Weder gegen Atsheans, noch gegen Erdmenschen. Das ändert sich mit Selver. Später nennt er es selbst Davidsons Geschenk.

Mit seiner Freundschaft zu dem Alien Lyubov, der Verantwortung, den sein Gottsein und das »Geschenk« Davidsons mit sich bringen und nicht zuletzt mit seiner Angst, dadurch die Traumzeit und einen Teil seiner selbst zu verlieren, wird Selver zur interessantesten Figur der Erzählung und sticht Davidson deutlich aus.

 

Le Guin hätte die Story leicht in eine andere Richtung gehen lassen können. Nur selten überleben Eingeborene ihren Widerstand gegen technologisch weiter entwickelte Kolonialmächte. Doch in »The Word for World is forest« wendet sich das Blatt von der hoffnungslosen Dystopie, als mit einem Raumschiff von der Erde eine neue Art der Echtzeitkommunikation und zwei Botschafter einer neugegründeten Liga von kosmischen Zivilisationen auf Neu Tahiti eintrifft. Das Roden wird beendet und alle gewaltsamen Reaktionen auf den Befreiungskampf der Atsheans werden untersagt. Der Hainish- und auch der Or-Botschafter machen deutlich, dass dies keine aktuellen politischen Ziele der inzwischen nicht mehr ganz so neuen Liga sind.

 

Doch Davidson verliert sich zunehmend in seinem Rassismus, stellt Verschwörungstheorien auf und zieht mit einigen Getreuen in einen privaten Vernichtungskrieg gegen die Atsheans.

Dass Le Guin die Menschen zum Teil sehr plakativ beschreibt, liegt an der Plotprämisse. Sie braucht ein paar fiese Umweltzerstörer und Rassisten, wenn der Kampf der Einheimischen die Leserschaft moralisch auf seine Seite ziehen will. Das gelingt ihr auch durch die Einbettung in ihren Hainisch-Kosmos. Alle humanoiden Lebensformen stammen von den Hainish ab, auch die Menschen, auch die Athsheans. Davidson und sein Vorgesetzter wussten das. Aber geringe Körpergröße, Fell und andere Lebensweise veranlassten sie, die Athsheans gering zu schätzen. Der Einwand, es seinen eher Tiere, wird durch den Hinweis auf die sexuellen Kontakte entkräftet.

Die Militärs führten sich wie typische Kolonialherren auf. Die Hütten der Athsheans wurden abgerissen, weil man an das Holz des Waldes und den Platz für die Kolonie wollte. Man zwang die Athsheans zu niederen Arbeiten, vergriff sich an den Frauen.

 

Davidsons Rassismus betrifft dabei nicht nur die Atsheans, sondern ganz klassisch auch Menschen anderer Phenotypen:

»Some men, especially the asiatiforms and hind types, are actually born traitors. Not all, but some. Certain other men are born saviors. It just happened to be the way were made, like being of euraf descent, or like having a good physique; it wasn’t anything he claimed credit for.«

 

Liest man den Roman heute, mögen die krasse Darstellung der ökologischen und rassistischen Probleme klischeehaft wirken oder gar langweilig, weil man das schon so lange kennt. Aber was LeGuin hier betreibt ist eiskaltes Shocking und es funktioniert auch noch heute, weil das was sie beschreibt, in der Art gerade jetzt auf unserem Planeten exakt genauso passiert. Ein Blick zum Amazonas genügt.

 

Dennoch ist »The Word for World is Forest« eine Utopie mit einem trotz aller Leiden und Morde versöhnlichem Ende. Moderne SchreiberInnen hätten vielleicht auf administrativer Ebene Probleme eingebaut oder Davidson bekehrt. Aber das war alles gar nicht nötig. Am Ende bekennt sich die fortschrittliche Liga der intelligenten Spezies zum Humanismus. Die rassistischen, paranoiden, kapitalistischen Schlächter verlieren. Das hat man nicht oft in der Science-Fiction.

 

Fazit:

»The Word for World is Forest« von Ursula K. Le Guin ist zu Recht ein Werk, dass viele Spuren hinterließ und noch hinterlassen sollte. Eine ernste und mahnende Erzählung über die Bedrohung von Fanatismus und Überheblichkeit für das Leben im Universum.

Nach oben

Platzhalter

Buch:

The Word for World is Forest

Reihe: Hainish-Zyklus

Autorin: Ursula K. Le Guin

Taschenbuch, 189 Seiten

Tor Books/Forge, 2010

Sprache: Englisch

Cover: Darell Gulin und Jamie Stafford-Hill

 

ISBN-10: 0765324644

ISBN-13: 978-0765324641

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B003U2TR6I

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


Platzhalter
Platzhalter
Erstellt: 12.10.2015, zuletzt aktualisiert: 13.08.2022 14:14, 14133