Tintenblut von Cornelia Funke
Reihe: Tintenwelt Band 2
Rezension von Ramona Schroller
Klappentext:
Meggie las zum hundersten mal den Abschiedsbrief an ihre Eltern:
Liebster Mo! Liebe Resa!
Bitte macht euch keine Sorgen. Farid muß Staubfinger finden, um ihn vor Basta zu warnen, und ich gehe mit ihm. Ich will gar nicht lange bleiben, ich will nur den Weglosen Wald sehen und den Speckfürsten, den Schönen Cosimo und vielleicht noch den Schwarzen Prinzen und seinen Bären. Ich will die Feen wiedersehen und die Glasmänner - und Fenoglio. Er wird mich zurückschreiben. Ihr wißt, daß er es kann. Macht euch keine Sorgen. Capricorn ist ja nicht mehr dort.
Bis bald, ich küsse euch tausendmal. Meggie
Inhalt:
Ein Jahr ist ins Land gegangen seit Meggies Abenteuern mit dem Buch Tintenherz. Doch die Tintenwelt läßt sie einfach nicht los. Als sie von Farid erfährt, daß nicht nur Staubfinger einen Weg zurück gefunden hat, sondern auch noch Capricorns Gefolgsmann Basta auf Rache sinnt, überlegt sie nicht lange, sondern liest sich und Farid in das Buch.
Doch kaum ist sie in der Tintenwelt angelangt, erfährt sie, daß nichts mehr so ist, wie es einst einmal war. Der Schöne Cosimo ist tot und sein Vater, der Speckfürst, trauert sich allmählich zu Tode. Dafür erstarkt der Natternkopf, der finstere Gegenspieler der beiden, immer mehr. Und auch Capricorns Gefolgsleute sind längst nicht alle tot.
Meggie sieht sich bald einer gefährlichen Welt gegenüber, in einer Rolle, die so gar nicht wirklich zu ihr paßt. Und noch etwas ist anders ... und Farids Küsse wecken etwas neues in ihr.
Rezension:
Der zweite Teil der Tintenwelt-Trilogie ist nun also endlich erschienen. Gewohnt gekonnt schreibt Cornelia Funke ihre Geschichte. Und doch scheint etwas anders zu sein als im ersten Buch. Nicht nur die Charaktere wie Meggie und Farid werden langsam erwachsen, die Tintenwelt selbst macht ebenfalls einen Reifeprozeß durch. Sie wird härter, unerbittlicher.
Natürlich fehlt auch nicht der gewohnte Witz, doch hat er inzwischen oft genug eine Spur Schärfe gewonnen, die sofort an Sarkasmus denken läßt. Nicht nur Funkes Figuren entwickeln sich also, ihre ganze Welt tut dies ebenfalls. Auf jeden Fall macht das ganze schon einmal Geschmack auf den dritten und letzten Teil der Reihe, nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Erwachsene.
Wobei ich es für eine überraschende Entwicklung halte, was Autorinnen wie Cornelia Funke sich seit einigen Jahren wagen. Fast möchte man als Erwachsene noch einmal die Zeit zurückdrehen, allerdings mit den heutigen Büchern. Es steht nicht mehr der mahnende Finger oder das Lehrstück im Vordergrund, die Akteure bringen sich schon deutlich eher mehr als Schrammen ein als früher. Alles in allem wird den Kindern und Jugendlichen der heutigen Zeit also mehr zugetraut als noch vor zehn bis zwanzig Jahren. Und es tut gut, diese Entwicklung mitverfolgen zu können.
Nein, es geht nicht um Verrohung, bei weitem nicht! Es geht mehr darum, den Kindern auch den Schmerz, der früher so gern vermieden und durch eine aufgesetzte Prise Spannung wieder wett gemacht werden sollte, zu zeigen. Gefahren heute sind wirkliche Gefahren, es stehen Leben auf dem Spiel. Und wie sollen Kinder anders lernen, was Glück und Schmerz sind, als durch ihre tintenfarbenen Lieblinge. Die heutige Welt ist verroht, nicht die Literatur. Sie versucht nur zu vermitteln, der nächsten Generation mitzugeben, daß Gewalt nicht lohnt. Und das tut sie wirklich nicht.
Wieviel wichtiger sind da Meggies sprießende Gefühle für Farid, bzw. die seinen für sie. Beide sind noch längst nicht soweit, ohne Vorbilder auszukommen, dies begreift Meggie eher als der Junge aus 1001 Nacht. Dennoch steht es da wieder, und ich halte es für wichtig. Gewalt zwischen Menschen, und sei es auch nur auf Papier gebannt. Aber durch Funkes Stil ist der Leser nahe an den Figuren dran, er erlebt fast selbst mit, was geschieht, das gute wie das böse. Und wem stehen nicht die Tränen in den Augen, als Mo um sein Leben ringt oder Staubfinger trauert?
Nein, Kinder müssen diese Gefühle kennen, dies ist meine Meinung. Sie müssen verstehen lernen, was Schmerz und Verlust heißt, umso mehr werden sie sich nach den lichten Seiten des Lebens sehnen und sie genießen. Und ist der Tod wirklich ein solches Tabu? Gehört er nicht vielmehr zum Leben?
Meine Mutter erzählte mir als Kind, meine Großeltern würden auf dem Friedhof in ihrem Grabstein wohnen. Nun, ich war das einzige Kind in meiner Klasse, das keine Großeltern mehr hatte und war deswegen traurig und eifersüchtig auf die anderen. Noch heute glaube ich, ich habe etwas verpaßt, weil ich sie nicht kannte, aber die Verbitterung ist gewichen, auch durch den Umgang meiner Mutter mit dem Tod. Und daher halte ich es für wichtig, daß Kinder lernen, mit diesem Schmerz umzugehen. Kinder sind stärker als wir Erwachsene es glauben.
Nun ja, ich halte mich hier an Kleinigkeiten auf, doch ich halte diese Kleinigkeiten für wichtig. Alles in allem kann ich nur sagen, wer auch immer „Tintenblut„ in die Hand nehmen mag, er wird von den Seiten verschlungen werden, so wie er sie selbst verschlingt. Ein gutes, gekonntes Jugendbuch, das auch Erwachsene begeistern kann. Ein Buch für das Lesen wie für das Zuhören. Ein Buch, das Träume wahr macht - wenn vielleicht auch nicht ganz so, wie wir es gern hätten.