Tod oder Taufe – Die Kreuzfahrer am Rhein (Autor: Jakob Matthiessen)
 
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Tod oder Taufe – Die Kreuzfahrer am Rhein von Jakob Matthiessen

Rezension von Christel Scheja

 

Jakob Matthiesen lebt nun seit 20 Jahren in Skandinavien. Als Ausgleich zu seiner wissenschaftlichen Arbeit begann er mit dem Schreiben und schätzt dabei vor allem Stoffe, die er nach gründlicher Recherche zum Leben erwecken und mit Gegenwartsfragen verbinden kann, so wie es auch seine Lieblingsautoren taten. Sein aktuellstes Werke Tod oder Taufe – Die Kreuzfahrer am Rhein greift ein bisher wenig beachtetes Thema auf – die Pogrome gegen Juden in den Städten am Rhein im Jahr 1096.

 

Noch scheint alles in Ordnung zu sein, Juden und Christen leben friedlich in Mainz zusammen und tauschen nicht nur Waren aus, sondern auch Wissen. Rabbi Chaim pflegt sogar einen literarischen Austausch mit Domdekan Raimund, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Psalmen möglichst werkgetreu in eine Sprache zu übersetzen, die auch das einfache Volk versteht.

Doch dann ziehen dunkle Wolken über der Stadt auf, denn ein Kreuzfahrerheer nähert sich der Stadt, ein Haufen, der bereits in anderen Städten wie Worms ein wahres Blutbad unter den Juden angerichtet hat. Wird es den Verantwortlichen in Mainz gelingen, das hier zu verhindern oder müssen auch sie sich der Grausamkeit und dem Fanatismus stellen, die mit Rotkutte einen wahren Meister der Intrige hervorgebracht haben?

 

Auch wenn er umfangreich wirkt, der Roman umfasst nur wenige Tage und schildert einen kleinen Ausschnitt aus dem Grauen, das sich damals im Jahr 1096 und später auch immer wieder durch Europa zog, nur weil religiöse Fanatiker und Glücksritter mit Feder und Schwert scheinbar edle Ansinnen für ihre Zwecke nutzten.

Mit »Rotkutte« kommt eine fiktive Figur ins Spiel, die aber für die vielen echten Prediger steht, die in ihrem Fanatismus das einfache Volk und die Soldaten aufstachelten, und teilweise nicht einmal ahnten, dass sie damit den Mächtigen in die Hände spielten, die sich nur bereichern wollten.

Immerhin waren die Juden meistens wohlhabender und gebildeter als der Rest der Stadtbevölkerung, was aber auch Gründe hatte – sie konnten Dinge tun, die Christen verboten waren und hatten unter den Gemeinden ein großes Netzwerk aufgebaut, das quer durch Europa und den Mittelmeerraum reichte.

Vor diesem düsteren Hintergrund – ein Kreuzfahrerheer macht auf dem Weg nach Jerusalem auch nicht vor den Städten halt und bereichert sich unter dem Deckmäntelchen der Religion an den Judengemeinden, spielt die Geschichte.

Er nimmt sich viel Zeit, das Leben der Menschen zu schildern. Mit Rabbi Chaim und seiner Familie lernt der Leser gleich die wichtigsten Sympathieträger und ihr Umfeld kennen und erfährt einiges über die Gebräuche und den Glauben – Dinge, die sich nur wenig verändert haben dürften.

Chaim wirkt zudem modern, der steht für die vielen liberalen Juden, die die lebensbejahenden Seiten der Gebote sehen und auch keine Probleme hat, sich mit einem Christen auszutauschen. Domdekan Raimund ist sein Gegenpart, ein Mann des Glaubens, der auch zu Diskussion und Offenheit bereit ist und die Toleranz lebt. Dennoch wirken beide nicht aus der Zeit gerissen – Männer wie sie wird es im Lauf der Geschichte immer wieder gegeben haben, auch wenn sie sich damit in Gefahr brachten.

Und dann erhält man auch einen Einblick in das Leben im Kreuzfahrerheer. Ein junger Bauernbursche verliert seine seelische Unschuld, als er sich Rotkutte anschließt und miterleben muss, wie dieser und seine Spießgesellen agieren, um den Hass gegen die Juden zu schüren.

 

Viele kleine Schicksale ergeben so ein rundes Bild der wenigen Tage Ende Mai 1096, die das Leben in Mainz für immer veränderten und vor allem in einer Gemeinde schweren Schaden hinterließen. Da man viele der Charaktere gut kennen lernt, fiebert man regelrecht mit, wenn das Kreuzfahrerheer marodierend durch die Stadt zieht und nicht einmal mutige Mainzer Bürger und Kirchenleute sie stoppen können.

Gerade durch letzteres bleibt das Buch versöhnlich, zeigt, dass es auf beiden Seiten diejenigen gegeben hat, die das Unrecht sahen und gegen es einstanden, aber eben auch die Fanatiker, die sogar Selbstmord verlangten. Auch das Ende fügt sich da gelungen mit ein.

 

Die geschichtlichen Hintergründe sind ausgezeichnet recherchiert, gleichzeitig gelingt es dem Autoren aber auch, Denkweisen und Gefühle der Menschen von damals für Gegenwartsmenschen glaubwürdig zu vermitteln. Viele kleine Details bringen Atmosphäre und erwecken die Zeit und auch die Figuren zum Leben, die liebevoll und zugleich auch vielschichtig gezeichnet wurden.

 

Fazit:

Alles in allem ist »Tod oder Taufe – Die Kreuzfahrer am Rhein« ein runder Roman, der einfach nur Spaß macht, weil er allen Seiten eine Stimme gibt, das Geschehen anhand vieler unterschiedlicher Schicksale schildert und nicht zuletzt die jüdische Denk- und Lebensweise einfühlsam und interessant zu vermitteln weiß.

 

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Buch:

Tod oder Taufe – Die Kreuzfahrer am Rhein

Autor: Jakob Matthiessen

Gmeiner-Verlag, 4. August 2021

Taschenbuch, 630 Seiten

Cover: Lutz Eberle

 

ISBN-10: 3839200830

ISBN-13: 978-3839200834

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B09477BG76

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


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Erstellt: 24.08.2021, zuletzt aktualisiert: 24.02.2023 19:55, 20034