Tokyo Inferno (Band 1 & 2)
 
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Tokyo Inferno (Band 1 & 2)

Rezension von Christel Scheja

 

Jedem ist bekannt, dass Japan aufgrund seiner Lage am Rande mehrerer Erdplatten und wegen der hohen vulkanischen Aktivität eine der erdbebenreichsten Regionen der Welt ist. Und auch Tokyo ist nicht gerade an einer sicheren Stelle gebaut. Die größte Metropole der Welt steht immer kurz vor einer Katastrophe, was aber die Menschen nicht daran hindert, in ihr zu leben und immer größere Bauprojekte auszuführen.

Doch man ist sich auch der Gefahren bewusst, was sich nicht nur in Dokumentationen, sondern auch der Fiktion immer wieder zeigt. Katastrophenszenarien finden grundsätzlich in Tokyo statt, es ist sozusagen der Nabel der Welt, was Angriffe aus dem All oder aus der Welt der Geister angeht, oder wenn die Götter den Untergang des ganzen Planeten einleiten wollen. Nur wenige Romane und Mangas beschäftigen sich realistisch mit dem „Was wäre wenn die Erde heute bebt?“

 

Eine dieser Reihen ist „Tokyo Inferno“, die im Heimatland wohl in fünf Bänden erschien, hier aber in zwei dicken Büchern aufgelegt wurde und in einer sehr realistisch angelegten Utopie zeigt, wie die Megacity diese Naturkatastrophe er- und schließlich auch überlebt. Im Mittelpunkt stehen zwei junge Leute. Da ist einmal Jin Mishima. Er ist 21 Jahre alt und studiert an der Universität. Nun, kurz vor dem Abschluss hofft er einen guten Job zu bekommen, der zu seinem fleißigen und gewissenhaften Wesen passt.

Ganz anders „Loliko“, die ihren Lebensunterhalt durch einen Kellnerjob verdient und im Grunde nur ein Ziel hat – auf ewig Fan ihres Lieblingssängers zu bleiben. Von normalen Lebensträumen hat sie sich längst abgewandt, weil sie sich für eine Versagerin hält und nur in den Liedern ihres Idols noch Halt findet.

Am Morgen des 23. Februar ahnen beide noch nicht, dass sie sich bald begegnen und eine Schicksalsgemeinschaft bilden werden. Jin ist auf dem Weg zu einem Fernsehsender, um sich dort vorzustellen, „Loliko“ sucht einen der einschlägigen Treffpunkte der Goth und Crossdresser auf, um dort den Tag über abzuhängen.

Als sich beide zufällig über den Weg laufen, erkennen sie sich als Schulkameraden wieder und unterhalten sich, um die alten Erinnerungen aufzufrischen – doch gerade in dem Moment, in dem sie sich wieder trennen wollen, bebt die Erde und alles wird anders. Diesmal werden sie nicht nur durchgeschüttelt und dann ist alles wieder gut – tatsächlich hören die Erdstöße nicht auf und sind heftiger als alles, was sie kennen. Erst als diese endlich nachlassen, erkennen die beiden, dass die inmitten einer Katastrophe stehen, denn die Erde ist aufgerissen, Grundwasser kommt hoch. Die Gebäude um sie herum liegen in Schutt und Asche. Viele Menschen sind verletzt, andere verschüttet.

Damit nimmt eine Odyssee ihren Anfang, die sowohl Jin als auch Loliko an die Grenzen ihrer Belastbarkeit und darüber hinaus treiben wird. Auf dem Weg in andere Teile der Stadt überleben sie weitere Beben, sehen Leid und Schmerz, aber auch die düsteren Seiten, die eine Katastrophe in den Menschen hervor kehrt. Sie klammern sich an jedes Stückchen Hoffnung, damit ihr Mut nicht erlischt und finden immer wieder neue Freunde.

Schließlich muss Jin erkennen, dass nicht jeder, der ihm Gutes verspricht auch ein Freund ist und Loliko alias Nanako gewinnt an Stärke hinzu und springt endlich über ihren eigenen Schatten.

 

Usamaru Frurya hat mit „Tokyo Inferno“ eine Katastrophengeschichte geschaffen, die sich sehr nahe an der Realität bewegt, ein noch utopisches, aber durchaus mögliches Zukunftsszenario, das schneller Wahrheit werden kann als man denkt. Dass der Künstler sehr ausführlich recherchiert hat, merkt man wieder an den eingeschobenen Berichten, in denen er genauer auf die Fakten und Theorien eingeht, die er selbst in die Geschichte eingearbeitet hat, denn wie sich Erdboden bei starken Erschütterungen und Stößen verhält haben die Japaner in den letzten Jahren erst selbst miterleben können und müssen, dementsprechend wurden auch Konzepte entworfen, wie man sich im Katastrophenfall verhält.

Aber er lässt auch nicht die menschliche Seite des Dramas außer Acht. Da ist einmal der Schock, der viele Menschen erst einmal nur lähmt, dann die aufkommende Panik und Verzweiflung, die einige Menschen kopflos macht, andere wieder lethargisch.

In dem Moment folgen viele den Machern, die genug Gruppensinn und gesunden Menschenverstand besitzen, um die Angst zu überwinden und zu handeln.

Ist die unmittelbare Gefahr erst einmal überstanden, beginnt der Kampf ums Überleben und kehrt bei nicht wenigen Menschen die dunklen Seiten ihres Ichs heraus. So kommt es zu Plünderungen und Übergriffen, aber auch Vergewaltigungen und anderen Grausamkeiten gegenüber schwächeren Mitmenschen.

Der Künstler thematisiert die verschiedensten Facetten – einerseits den Wahnsinn, Menschen zu Bestien macht, die nur noch ihre niedersten Gelüste stillen wollen, aber auch die Gemeinschaft und Hilfsbereitschaft, die zwischen unterschiedlichsten Gruppen entsteht. Dann wieder zeigt er, wie leicht man in diesem Moment Blendern in die Hände fallen kann, und welche grausamen Entscheidungen Ärzte und Pfleger treffen müssen, um so viele Menschen wie möglich zu retten.

Dabei findet er genau die richtige Mischung an Dramatik und Abenteuer. Die Geschehnisse sind sehr realistisch dargestellt, wirken durchweg glaubwürdig und verzichten auf Übertreibungen, was sie um so intensiver macht. Die vielen menschlichen Schicksale sind liebevoll in Szene gesetzt und schlagen einen in den Bann, weil auch die Figuren sehr lebendig und facettenreich sind.

Man ist gefesselt von den vielen Details an die der Künstler denkt und am Ende auch erleichtert, wenn sich die Probleme endlich lösen lassen und die Zukunft weiter geht.

 

Gerade der Abwechslungsreichtum des Inhalts ist die Stärke der Geschichte und macht „Tokyo Inferno“ zu einem Klassiker, den sich ruhig alle Fans zukünftiger und gegenwärtiger Katastrophenszenarien einmal genauer ansehen sollten.

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240329153119972200a5
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Comic:

Tokyo Inferno (Band 1 & 2)

Autor und Künstler: Usamaru Furuya

Original: Kanojo wo mamoru 51 no houhou, Japan, 2006/7

Aus dem Japanischen von Michael Ecke

Paperbackformat mit je 4 Farbseiten

 

Band 1

478 Seiten

Tokyopop, Hamburg, erschienen April 2010

ISBN-10: 3867199108

ISBN-13: 978-3867199100

Erhältlich bei Amazon

 

Band 2

479 Seiten

Tokyopop, Hamburg, erschienen Juli 2010

ISBN-10: 3867199116

ISBN-13: 978-3867199117

Erhältlich bei Amazon


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Erstellt: 16.01.2011, zuletzt aktualisiert: 24.03.2024 18:50, 11451