Totenmaar (Autoren:Jörg Kleudgen und Michael Knoke)
 
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Totenmaar von Jörg Kleudgen und Michael Knoke

Rezension von Torsten Scheib

 

Rezension:

So mancher hat sich hie und da sicherlich schon einmal fehl am Platze gefühlt. Als ob sich die ganze Welt gegen einen verschworen hätte. Gottlob sind derlei Zustände allerdings zumeist von kurzer Dauer. Nicht so aber bei dem Protagonisten von Totenmaar, dem introvertierten und schüchternen Roland Block. Zeitlebens wird seine Existenz von Depressionen und intensiven Selbstzweifeln überschattet, welche ihn zu einer bedauernswerten und geplagten Seele verkommen lassen. Doch woher rührt dieser Zustand? Warum muss das Schicksal ausgerechnet zu Roland so hinterhältig sein? Womöglich liegt die Ursache irgendwo in seiner Vergangenheit verborgen; ein Abschnitt, der Roland so fremdartig anmutet wie das eigene Leben. Gleichlaufend spürt er aber auch einen unbändigen Drang in sich, dem vermeintlichen Mysterium auf die Spur zu kommen – welches unter anderem seinem Ursprung im titelgebenden »Totenmaar« zu haben scheint, einem Ort, der Roland gleichermaßen fremd und vertraut erscheint, nachdem er ihn auf einer alten Fotografie erblickt hat.

Entschlossen packt Roland seine Koffer, besteigt seinen Wagen und tauscht die Kurstadt Aachen gegen die idyllischen Weiten der Eifel. Zeit genug hat er, schließlich wurde er von seinem Arbeitgeber freigestellt, nachdem sich Rolands Zustand mittlerweile auch auf seinen Job übertragen hat. Sein erstes Ziel ist die einstige Tuchmetropole Monschau; ein Ort, der Roland umgehend in seinen Bann schlägt – wie auch die sympathische und attraktive Buchhändlerin Viola. Zum ersten Mal seit langer Zeit – womöglich überhaupt zum allerersten Mal – fühlt sich Roland geborgen und im Reinen mit der Welt; verstimmen die Geister in seinem Schädel. Beinahe jedenfalls. Denn selbst die zart aufblühende Romanze mit Viola sowie die Aussicht auf eine Beziehung können den Drang in Roland nicht neutralisieren. Schweren Herzens und gleichzeitig getrieben von der Sehnsucht nach endgültigen Antworten lässt Roland Viola und Monschau hinter sich und zieht weiter – hin zur Wüstung Weinfeld, hin zu jener Kapelle, der sich das Totenmaar anschließt …

 

Die finale Kollaboration der beiden deutschsprachigen Phantastik-Schwergewichte Jörg Kleudgen und des 2010 viel zu früh verstorbenen Michael Knoke ist definitiv kein Werk für Tempojunkies – zum Glück. Rasanz hätte diesem unheimlich-melancholischen Meisterwerk jegliche Magie, die sich bereits nach wenigen Seiten dem Leser offenbart, entzogen. »Totenmaar« gemahnt an einen einsamen Spaziergang im herbstlichen Morgennebel: wunderschön und andächtig, desgleichen aber auch mit einer unguten Nuance von Verlorenheit behaftet. Die grandiose, über jeden Zweifel erhabene Prosa der beiden Autoren erfasst den Leser tentakelgleich und umschließt ihn. Wenngleich die Odyssee des Roland Block zunächst wirr und ziellos anmuten mag, ist es einfach unmöglich, »Totenmaar« aus der Hand zu legen. Man spürt, dass die, mit liebevollem Lokalkolorit angereicherte Reise des Protagonisten nur darauf wartet, die geheimnisvolle Trumpfkarte endlich ausspielen zu dürfen – wenngleich man Block nichts sehnlicher wünscht, als endlich diesem finsteren Wachtraum entkommen zu können. Fraglos eine imposante Leistung der beiden Autoren, die von einer originellen, aber nicht minder sinisteren Auflösung abgerundet wird. Eine mehr als beeindruckende Leistung, welche man auch dem ausgezeichneten Mark Freier attestieren muss, dessen, den Roman begleitenden Illustrationen die innere Zerrissenheit des »Helden« ebenso meisterhaft reflektieren wie sein stimmiges Cover den Ausblick auf dessen Schicksal.

 

Fazit:

Unheimlich, traurig, nachdenklich – was zunächst als richtungsloser Selbstfindungstrip einer von Einsamkeit getriebenen Seele anmuten mag, erweist sich mit zunehmender Seitenzahl als bestechende Chronik in die schwärzesten Gefilde. Mit »Totenmaar« zelebrieren Jörg Kleudgen und Michael Knoke die spukhafte Meisterschaft eines Edgar Allan Poe und transportieren sie überzeugend in die Neuzeit. Fraglos ein herausragendes Glanzstück der modernen deutschen Phantastik!

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024032903032067f141b4
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Buch:

Totenmaar

Autoren: Jörg Kleudgen und Michael Knoke

Gebunden, 238 Seiten

Blitz-Verlag, März 2011

 

ISBN-10: 389840319X

ISBN-13: 978-3898403191

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 25.09.2011, zuletzt aktualisiert: 02.12.2021 18:51, 12113