Der französische Streifen beginnt schon mit einer brutalen Einstellung: Vincent (bewusst unterkühlt dargestellt von Karim Leklou) wird aus heiterem Himmel brutal mit einem Notebook von einem Arbeitskollegen niedergeschlagen. Der wirkt verstört, aber noch wird keine Auflösung des Verhaltens dargelegt.
Als ein weiterer Arbeitskollege massiv auf Vincent mit einem Bleistift einsticht, wird klar, dass hier etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist, denn besagter Arbeitskollege kann sich sein Verhalten nicht erklären.
Die Eskalation der Ereignisse hin zu einer geradezu postapokalyptischen Szenerie baut der Film geschickt auf, zeigt stufenweise die Brutalität einer Gesellschaft, die sich selbst entfremdet ist. Vincent ist mehr Reagierender, als Agierender.
Das ändert sich, als er eine junge Frau kennenlernt: Margaut (Vimala Pons). Sie arbeitet in einem Diner-Laden und lebt auf einem Boot – eine Metapher für Vincents Leben, das sich in Auflösung befindet.
An dieser Stelle wird das Mysteriöse an der Ursache für die Attacken teilweise aufgelöst: Es liegt irgendetwas in Vincents Blick, das die Menschen ausrasten lässt. Daher schützt er sich und Margaut, indem er sie ankettet und ihre Augen bedeckt. Allerdings ist in manchen Szenen dieses Element nicht konsequent durchgesetzt, sodass Margaut beim Weg zum Boot dennoch Vincent anblickt, was dieser unkommentiert lässt. Auch die nachfolgende Erotik-Szene an Bord wirkt aufgrund der misslich angebrachten Handschellen bei gleichzeitig vorhandener Lust befremdlich humoristisch. Dieser Schwenk zum Ironischen tut dem Streifen nicht gut und wirft ihn außer Balance.
Was allerding knallhart gelungen ist, ist die Autobahn-Szene. Hier wird Gewalt nicht wie bei John Wick ästhetisiert, sondern ähnlich dargestellt wie sie in Realität ist: unappetitlich, rau, kompromisslos, abstoßend. Von diesen Szenen hätte der Film mehr bedurft.
Handwerklich lässt sich »Vincent Must Die« nichts vorwerfen. Die Kameraarbeit ist fehlerfrei, die Lichtsetzung stets durchdacht und auch die Schauspieler agieren sehr gut. Das Drehbuch allerdings ist es, das so manchen Fauxpaus durchgehen lässt.