Von der Erde zum Mond von Jules Verne
Rezension von Ralf Steinberg
Verlagsinfo:
Der 1865 veröffentlichte Science-Fiction-Roman nimmt literarisch vieles vorweg, das erst mit der Mondlandung 1969 Realität werden sollte. Neben den akribisch genau recherchierten wissenschaftlichen Fakten besticht dieses Buch vor allem durch feine Satire und beißenden Spott. Der spannende Roman über den ersten bemannten Flug auf den Mond ist der dritte Titel der Jules-Verne-Edition im dtv in neuen Übersetzungen.
Rezension:
Der Deutsche Taschenbuch Verlag greift für seine Taschenbuch-Ausgabe des Jules Vern Klassikers Von der Erde zum Mond auf die wunderbare Edition von Artemis & Winkler zurück.
Wunderbar wird sie nicht nur durch die Verwendung der Originalzeichnungen der französischen Originalausgabe, sondern vor allem durch ihren Herausgeber, Volker Dehs, dem wohl momentan größten Jules Verne Experten Deutschlands.
Seine fundierte Übersetzung gründet sich nicht nur auf Unterlagen Vernes, er prüfte auch dessen bekannte Quellen und unterließ es nicht, wie bereits in seiner Edition von 20000 Meilen unter den Meeren, jeden Fehler Vernes nachzuspüren und mit unaufdringlichen Humor in den literarischen und historischen Kontext einzubauen. In seinem Nachwort beweist Dehs zudem, dass es ohne hochtrabende wissenschaftliche Sprache möglich ist, Werkgeschichte und biografische Verbindungen verständlich darzulegen. Es macht sehr viel Spaß, mit Dehs gemeinsam ein Buch zu entdecken, dem vielleicht mehr Wirkung zugesprochen wurde, als es tatsächlich besaß, das aber nichts desto trotz noch heute als Wegweiser für die Raumfahrt gilt.
Dehs erklärt pointiert diese tatsächlichen und scheinbaren Wirkungen, bis hin zu Interpretationen in den Filmversionen. Die Zeittafel ergänzt sich mit der, die in der Artemis & Winkler Ausgabe von Reise um den Mond, die mehr zum Thema Mondliteratur enthält, während hier vor allem auf Vernes USA-Bild und die Verbindung zur Raumfahrt eingegangen wird. Auch erfährt man mehr über Vernes Beziehungen zum Tausendsassa Nadar, dem realen Vorbild zur Figur des Michel Ardan. Darüber geben auch die beiden Anhänge Aufschluss. Im ersten berichtet Nadar von seinem Ballon "Géant", die Verne im zweiten Anhang kommentiert. Zum Abschluss findet sich noch ein Teil eines Essays von Verne über Edgar Alan Poe, indem über die Erzählung Abenteuer eines gewissen Hans Pfaall sinniert wird.
Der Roman selbst entspricht vielleicht ganz den Erwartungen, die der Untertitel " Direktflug in 97 Stunden 20 Minuten" eventuell erzeugen mag. Im Gegenteil. Eigentlich geht es in erster Linie um die Realisierung der Idee, ein Geschoss mittels einer riesigen Kanone auf den Mond zu schießen. Dieser Einfall stammt vom Präsidenten des amerikanischen Gun Club, Barbicane. Da gerade Frieden im Land herrschte, hatten die alten Artillerie-Veteranen des Clubs nicht viel zu tun, denn neue Kanonen wurden gerade nicht gebraucht. Kein Wunder, dass die Konstruktion dieser ungewöhnlichen Abschussvorrichtung die Mitglieder begeistert und nicht nur die. Ganz Amerika bricht in Jubel aus. Jules Verne bewunderte die Amerikaner für ihren technischen Sachverstand und ihren unverrückbaren Selbstglauben. Jedoch ließ er sich nicht dazu hinreißen, einfach eine heroische Erfindergeschichte auszubreiten, vielmehr erzählt er augenzwinkernd von den Nöten und Wirrungen seiner Protagonisten, die aus reiner Langeweile zu großen Taten schreiten, obwohl sie doch viel lieber noch tödlichere Waffen bauen würden.
Im Weiteren bleibt Verne während der Beschreibung der Arbeiten an dem Projekt stets ironisch und humorvoll, sodass seine langen Ausführungen zur Konstruktion, Physik und Chemie weder trocken, noch langweilig wirken. Sein Anspruch, verständliches Wissen für junge Leser aufzubereiten, erfüllt er mit Hingabe und unter Verwendung der aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisse, wie uns Volker Dehs in den Anmerkungen beweist.
Nur selten unterbricht Verne diese dokumentarischen Ausführungen durch tatsächliche Handlungsszenen. Das wird erst durch die Ankunft von Michel Arden intensiver, bietet sich der Franzose doch direkt an für satirische Szenen, etwa dem Duellversuch.
So vergnüglich wie etwa die Details zum Städtewettbewerb um den Aufstellungssort der Kolumbiade sind, steckt auch hier immer ein großes Stück visionärer Analyse in den Zeilen mit den Verne nicht nur beweist, dass er ein vorzüglicher Beobachter seiner Zeit war, er vollführt diese Art der journalistischen Erzählweise mit großem Geschick; Langeweile kommt sie nie auf.
Fazit:
Zu Recht gilt " Von der Erde zum Mond" als einer der ganz besonderen Romane Vernes. Mit Hilfe dieser erstklassig kommentierten und neuübersetzten Ausgabe wird nicht nur die Entdeckung der verneschen Mondreise zum Vergnügen, sondern auch zu einer abenteuerlichen Zeitreise in die Vergangenheit. Als Taschenbuchausgabe nun auch für all jene erschwinglich, die den Preis für den Hardcover scheuten. Unbedingt empfehlenswert!
Nach oben